Interview: Streik beim Studentenwerk Berlin

26.11.2009, Lesezeit 4 Min.
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Beschäftigte des Studentenwerks Berlin legten gestern die Mensa der FU lahm – mit Unterstützung der Studierenden. Ein Gespräch mit Stefan Neumann, Student der Politikwissenschaft an der Freien Universität (FU) Berlin und Sprecher der „AG Arbeitskämpfe“.

Warum sind die Beschäftigten des Studentenwerks Berlin in den Warnstreik getreten?

Ver.di hatte zum Warnstreik aufgerufen, weil die Beschäftigten in den vergangenen Jahren auf acht bis zwölf Prozent ihrer Gehälter verzichten mussten. Nun fordert die Tarifkommission eine Lohnerhöhung von 3,1 Prozent und einen Sockelbetrag von 50 Euro. Zusätzlich sollen auch das Ost-West-Gefälle der Löhne abgeschafft, die Ausbildungsvergütungen erhöht und die Leiharbeitsplätze durch Festeinstellungen ersetzt werden.

Wie ist der Streik gelaufen?

Um 11 Uhr, als die Mensa aufmachen sollte, versammelten sich etwas mehr als 100 Beschäftigte des Studentenwerks davor. Insgesamt arbeiten in diesem Unternehmen etwa 900 Menschen, darunter 100 LeiharbeiterInnen, und der Organisierungsgrad ist nicht besonders hoch. Die Beschäftigten stellten Streikposten auf und verteilten Flugblätter. Vielleicht zwei Drittel der Menschen, die die Mensa besuchen wollten, wurden dadurch abgehalten. Zusätzlich haben Studierende in der Mensa weitere Flyer verteilt und mit Beschäftigten, die sich nicht trauten, am Warnstreik teilzunehmen (darunter waren Azubis, LeiharbeiterInnen und Leute in der Probezeit), sowie auch KundInnen diskutiert. Dadurch konnten zusätzliche Leute überzeugt werden, Essen woanders zu suchen. Über den Tag gesehen sind gestern die Einnahmen der größten Universitätsmensa in Berlin, die täglich ungefähr 20000 Euro umsetzt, fast vollständig ausgefallen.

Was haben die Studierenden während des Streiks gemacht?

Gleich neben dem Eingang zur FU wurde eine Volksküche aufgemacht, damit Leute, die etwas zu essen brauchten, nicht in die Mensa gehen mussten. Bei Sonnenwetter haben Hunderte Studierende dort gegen eine Spende ihre Linsensuppe gegessen. Kurz vor 12 Uhr bildete die Gruppe der „Überflüssigen“ eine Menschenkette vor den Kassen und ließ niemanden mehr durch. Diese Aktion hatten die StudentInnen von sich aus geplant, sie hatte nichts mit dem Warnstreik von ver.di zu tun. Nach ein paar Minuten wurden dann die Ein- und Ausgänge gesperrt, womit die Mensa erst einmal komplett dicht war.

Zufällig sollte zur selben Zeit eine studentische Vollversammlung im besetzten Hörsaal stattfinden. Die wurde aber spontan in die Mensa verlegt, so dass rund 600 Studierende den Essensaal besetzen und über den bisherigen Verlauf der Proteste und weitere Perspektiven diskutieren konnten. Als Beschäftigte des Studentenwerks hinzukamen, wurden sie mit stehenden Ovationen begrüßt.

Wie soll es jetzt weitergehen?

Die KollegInnen vom Studentenwerk erleben seit Monaten, dass die Geschäftsleitung auf ihre Forderungen nicht eingeht. Deswegen gehe ich davon aus, dass es weitere Arbeitsniederlegungen in den kommenden Wochen geben wird, bevor es zu einem Ergebnis kommt. Nach dem heutigen Erfolg bin ich mir sicher, daß beim nächsten Mal wieder mit viel Unterstützung der Studierenden zu rechnen ist.

Wir halten seit zwei Wochen den größten Hörsaal der FU besetzt. Allerdings wurden wir bislang von vielen nicht so recht zur Kenntnis genommen, vor allem nicht von der Uni-Leitung. Doch gestern konnten Studierende und Beschäftigte gemeinsam erreichen, dass niemand unsere Forderungen ignorieren konnte. Das zeigt, wieviel Kraft wir haben, wenn wir an einem Strang ziehen.

Wie kann das konkret aussehen?

Unsere „AG Arbeitskämpfe“ schlägt vor, die Forderungen der Uni-BesetzerInnen so zu erweitern, daß wir nicht nur gegen schlechte Studien-, sondern auch gegen schlechte Arbeitsbedingungen kämpfen. Für uns sind der Bildungs- und der Studentenwerksstreik in Wirklichkeit ein gemeinsamer Kampf – denn Kürzungen an den Hochschulen sind nur Ausdruck eines gesamtgesellschaftliches Phänomens.

Die Solidarität mit Arbeitskämpfen ist ja eigentlich im Eigeninteresse der Studierenden. Auch wenn viele von ihnen hoffen, später einmal selbst zur Elite zu gehören, erleben sie die miesen Arbeitsbedingungen am eigenen Leib – sei es in Form von unbezahlten Praktika, von schlechtbezahlten Nebenjobs oder einem Job im Callcenter nach dem Abschluss.

Wir treten deswegen dafür ein, daß Uni-BesetzerInnen auch die Arbeitskämpfe unterstützen – z.B. auch Zehntausende in den Opel-Werken, die momentan um ihre Jobs fürchten. Gerade unter der schwarz-gelben Regierung ist zu erwarten, daß es viele Arbeitskämpfe geben wird.

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