Interview: Schulstreik fürs Bleiberecht in Hamburg

06.12.2013, Lesezeit 4 Min.
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SchülerInnen in Hamburg planen einen Schulstreik für den 12. Dezember, um die Rechte von Geflüchteten zu verteidigen. Ein Interview mit Taro Tatura, Schüler aus Hamburg und Aktivist im Bündnis für einen Schulstreik fürs Bleiberecht.

In Hamburg leben Geflüchtete, die über Lampedusa nach Deutschland gekommen sind. Seit Monaten werden sie vom Senat der Hansestadt schikaniert. Wie ist die aktuelle Situation?

Die Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ hat den Vorschlag von Einzelfallprüfungen abgelehnt und plädiert weiterhin für eine Aufenthaltserlaubnis nach Paragraph 23. Es gibt keine weiteren Vorschläge von seiten des Senats. Die Hamburger SPD will für jeden Flüchtling ein persönliches Verfahren laufen lassen und versucht gezielt, die Gruppe zu spalten. Die Betroffenen wollen ihre Personalien nicht angeben, da in diesem Falle die Abschiebung droht.

Statt Menschen die Chance auf Arbeit und Bildung zu geben, ist es das einzige Ziel des Senats, möglichst sich seiner Verantwortung für die Geflüchteten zu entziehen. Bürgermeister Olaf Scholz und Innensenator Michael Neumann profilieren sich dabei als Hardliner für eine sozialdemokratische Bundeskarriere. Nach außen hin vermittelt die Partei das Bild eines offenen Dialoges, der von den Flüchtlingen abgelehnt wird – hinter den Kulissen wird aber an einzelnen Abschiebeanträgen gearbeitet.

Zum Glück lässt sich die Gruppe nicht spalten und tritt weiter kollektiv auf. Sie kämpft auch nach sechs Monaten weiter für ein gemeinsames Bleiberecht und erhält breite Unterstützung aus der Bevölkerung. Die Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ ist jedoch nur die Spitze des Eisberges. Deswegen kämpfen wir für das Bleiberecht für alle.

Für den 12. Dezember planen Sie einen Schulstreik für die Rechte von Flüchtlingen. Was gab den Anstoß dazu?

Die Idee kam unter ein paar Leuten auf, die sich aktiv gegen die Flüchtlingspolitik wehren. Dem Hamburger Senat soll gezeigt werden, dass sich SchülerInnen mit allen Illegalisierten solidarisieren. Das soll den Druck auf die Regierung erhöhen, da sie sehr gut darin ist, Demonstrationen einfach auszusitzen.

Bereits vor dem ersten Treffen wurde aktiv mobilisiert. Zu großen Teilen nutzen wir dafür das Internet, zum Beispiel Facebook und Twitter. Auch über Flugblätter, Aufkleber und Plakate versuchen wir, MitstreiterInnen zu organisieren. Jetzt sind wir ein Bündnis von über 120 SchülerInnen aus mehr als 30 verschiedenen Schulen, die sich regelmäßig treffen, um den Schulstreik vorzubereiten.

Am 12. Dezember werden wir protestierend durch die Innenstadt ziehen. Es soll Reden von SchülerInnen, VertreterInnen der Gruppe „Lampedusa in Hamburg“ und anderen Betroffenen geben, die die aktuelle Lage erklären und unsere politischen Forderungen begründen.

In Frankreich hat die Abschiebung einer 15jährigen Schülerin, die gerade auf Klassenfahrt war, landesweit Proteste ausgelöst. Werden auch SchülerInnen aus der BRD abgeschoben?

Leider ja. Auch in Deutschland gibt es zahlreiche Abschiebungen von SchülerInnen. Allein in Hamburg wurden laut den offiziellen Zahlen 2012 und in den ersten drei Quartalen des Jahres 2013 jeweils 31 Minderjährige abgeschoben. Doch dagegen gibt es auch Widerstand. So wurde zum Beispiel die Abschiebung der 17jährigen Fabiola vor einem Jahr mit Hilfe vieler engagierter Hamburger SchülerInnen durch Unterschriftensammlungen und Demonstrationen verhindert. Auch die Schulstreiks in Frankreich sind für uns die Bestätigung dafür, dass man durch festen Zusammenhalt etwas erreichen kann.

Werden SchülerInnen, die am Streik teilnehmen, mit Konsequenzen rechnen müssen?

Auf der einen Seite stehen hier die Drohungen der Hamburger Schulbehörde. Auf der anderen Seite steht allerdings die Erklärung der LehrerInnengewerkschaft GEW Hamburg, die zwar nicht zum Streik aufruft, aber das Bündnis unterstützt und den LehrerInnen einen kreativen Umgang mit dem Protest empfiehlt: Als „praktischen Politikunterricht“ sollen sie den Streik behandeln.

Eigentlich ist das schlimmste, was passieren kann, dass ein paar Fehlstunden eingetragen werden. Wir hoffen und fordern, dass die LehrerInnen uns unterstützen, anstatt uns Steine in den Weg zu legen. Ob es am Ende wirklich zu Konsequenzen kommt, bleibt den jeweiligen LehrerInnen oder den SchulleiterInnen überlassen. Aber bei früheren Schul­streiks ist trotz vieler Drohungen nichts passiert.

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