Interview: SchülerInnen gegen Verschärfung des Asylgesetzes

17.09.2014, Lesezeit 4 Min.
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Der Bundesrat stimmt am Freitag über die Verschärfung des Asylgesetzes ab. SchülerInnen machen dagegen mobil. Ein Interview mit Nora M. (18) von der 12. Klasse an der Sophie-Scholl-Oberschule in Berlin-Schöneberg und dem dortigen Schulstreikkomitee.

Wogegen protestiert ihr?

Am 19. September wird der Bundesrat über eine Verschärfung des Asylgesetzes abstimmen. Damit sollen Bosnien-Herzegowina, Serbien und Mazedonien zu „sicheren Drittstaaten“ erklärt werden. Dieser Begriff bedeutet, dass Geflüchtete aus diesen Ländern wesentlich leichter aus Deutschland abgeschoben werden können. Ein Asylbewerber/in müsste dann selbst nachweisen, dass er/sie verfolgt wird – was praktisch unmöglich ist. Innerhalb von sieben Tagen wird man abgeschoben, selbst wenn man dagegen klagt.

Wie sieht es in diesen Ländern aus?

Die Bundesregierung sieht dort nur Friede, Freude, Eierkuchen. Aber der Witz ist, dass sie ausschließlich deutsche und europäische Behörden zitiert. Mit unabhängigen Quellen wie NGOs oder Menschenrechtsgruppen arbeitet sie nicht. Nach deren Berichten gibt es in diesen Ländern massive Diskriminierung, vor allem gegen Sinti und Roma, aber auch gegen sexuelle Minderheiten. In Serbien zum Beispiel werden Übergriffe auf Homosexuelle kaum verfolgt. In diesen Ländern können Roma nur schwer zur Schule gehen oder Arbeitslosenunterstützung erhalten. Bei diesen Menschen ist die Armut überdurchschnittlich hoch, weil sie bei der Arbeitssuche benachteiligt werden.

Diese Anhäufung von Diskriminierungsformen wäre ein Asylgrund, aber mit der Einstufung dieser drei Länder als „sichere Drittstaaten“ soll es das offiziell nicht mehr geben. Hier wird zwischen der Menschenwürde und den Kosten abgewogen – eben typisch Kapitalismus. Dabei hat Deutschland eine besondere Verantwortung gegenüber den Sinti und Roma, was nicht mit einem Denkmal erledigt ist.

Was habt ihr SchülerInnen für die Flüchtlinge getan?

Viele von uns haben an den Schul­streiks für die Refugees im Februar und im Juli teilgenommen. Wir waren auch bei den Blockaden gegen die Räumung der von Flüchtlingen besetzten Schule in der Ohlauer Straße in Berlin-Kreuzberg im Juli. Dort erlebten wir Polizeigewalt: Eine Schülerin aus unserem Komitee bekam einen Knietritt ins Gesicht. Ich war noch nie auf einer Sitzblockade gewesen – die Leute haben um ihr Leben geschrieen, weil die Polizei so aggressiv war. Auch als ein Hostel in der Gürtelstraße in Friedrichain im August geräumt wurde, waren wir wieder jeden Tag bei den Sitzblockaden.

Was passiert an der Schule selbst?

Als Streikkomitee treffen wir uns regelmäßig und verteilen Flyer. Im Ethikunterricht der Mittelstufe haben wir Referate gehalten und ein Quiz über die Situation von Asylsuchenden in Deutschland gemacht. Letztes Jahr wollten wir eine Vollversammlung mit Geflüchteten organisieren, aber das wurde nicht erlaubt. Außerdem haben wir das Protestcamp am Oranienplatz unterstützt, indem wir selbstgebackenen Kuchen verkauft haben – 133 Euro kamen zusammen.

Allerdings interessieren sich viele Schüler für das Thema, die dann doch nichts machen. Dabei ist unsere Schule nach Sophie Scholl benannt, die gesagt hat: „Man muss etwas machen, um selbst keine Schuld zu haben.“ Das lässt sich auch auf das Morden der Geflüchteten an den Außengrenzen der Festung Europa übertragen.

Was war der Auslöser, aktiv zu werden?

Ich war beim ersten Schulstreik. So kam ich zum Bündnis von verschiedenen Streikkomitees und linken Gruppen, die schon in diesem Bereich aktiv waren. Weil wir zur Schule gehen, finden wir es nicht in Ordnung, dass Geflüchtete kein Recht auf Bildung haben. Warum dürfen wir und sie nicht?

Die Protestbewegung der Refugees ist in Berlin besonders stark: Sobald sie irgendwo geräumt werden, tauchen sie woanders auf. Die Menschenrechte sollen für alle gelten, doch in Deutschland werden Geflüchtete wie SchwerverbrecherInnen behandelt. Das Gesetz sagt, dass ein deutscher Schäferhund mindestens neun Quadratmeter zum Leben braucht. Ein/e Straftäter/en bekommt mindestens zwölf. Asylsuchende bekommen nur sechs!

Was plant ihr vor der Bundesratsabstimmung?

Am Tag vor der Bundesratsabstimmung machen wir eine Dauerkundgebung am Leopoldplatz. Der Wedding ist ein Bezirk mit vielen verschiedenen Kulturen und wenig Geld – die Refugee-Bewegung soll nicht nur in Friedrichshain-Kreuzberg zu sehen sein. Wir zeigen Videos und bieten Workshops an. Auch eine Delegation von Gewerkschaftern wird dabei sein.

Kundgebung: 18.9., 16–21 Uhr, Leopoldplatz, Berlin-Wedding

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