Interview mit Ahmad Othman: „Mein Arbeitgeber hat mich aufgrund meines politischen Engagements als ungeeignet für meinen Beruf erklärt“
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Wegen seines politischen Engagements erhielt Ahmad von seinem Arbeitgeber eine Kündigung, die darüber hinaus in einer Weise diffamierend ist, dass sie einem Berufsverbot gleichkommt. Wir haben mit ihm über das Berufsverbot, die Repression gegen die palästinasolidarische Bewegung sowie Solidarität und Organisierung gesprochen.
Im Dezember hat dir dein Arbeitgeber gekündigt, obwohl man mit deiner Arbeit stets zufrieden war. Wie wird die Kündigung begründet?
Die Kündigung wurde mit meiner angeblich verfassungswidrigen Gesinnung begründet. Dies wurde unter anderem auf meine Mitgliedschaft bei der Palästina Solidarität Duisburg (PSDU) sowie darauf zurückgeführt, dass ich juristisch gegen das Verbot der PSDU vorgehe. Dieses Verbot wurde am 16. Mai 2024 vom Innenministerium NRW in rechtswidriger Weise erlassen.
Mein Arbeitgeber ging mit dieser Diffamierung noch einen Schritt weiter und stellte nicht nur meine Neutralität in Frage, sondern äußerte auch die Befürchtung, dass ich meine Zugänge als IT-ler missbrauchen würde. All das geschah allein aufgrund meines Engagements für Palästina und meines Einsatzes gegen das Verbot der PSDU.
Wenn dir als IT-ler vorgeworfen wird, du könntest angeblich Zugriffsrechte missbrauchen, dann ist das ein Vorwurf, der erstens nicht zutrifft und der es dir zweitens schwer machen kann, einen neuen Job zu finden oder den Arbeitgeber zu wechseln. Siehst du darin eine Parallele zu den Berufsverboten, die es in den 1970er und 1980er Jahren aufgrund des sogenannten Radikalenerlasses gab?
Diese Kündigung kommt einem Berufsverbot gleich. Mein Arbeitgeber hat mich aufgrund meines politischen Engagements als ungeeignet für meinen Beruf erklärt. Als IT-ler arbeitet man mit sensiblen Daten und trägt eine hohe Verantwortung im sicheren und sorgfältigen Umgang damit – und genau das habe ich immer getan. Dennoch wird mir ohne jegliche Anhaltspunkte unterstellt, ich sei nicht vertrauenswürdig.
Diese Diffamierung macht es für mich praktisch unmöglich, in meinem Beruf eine neue Stelle zu finden. Im IT-Bereich ist Vertrauen entscheidend – wenn ein Arbeitgeber mich als ungeeignet darstellt, wird kein anderes Unternehmen mich einstellen. Das bedeutet, dass ich de facto einem Berufsverbot unterliege.
Diese Praxis erinnert an die Berufsverbote in der BRD in den 1970er und 1980er Jahren, als politische Aktivisten systematisch von bestimmten Berufen ausgeschlossen wurden. Heute erleben wir eine Rückkehr dieser Methoden, die gezielt gegen politische Aktivisten angewendet werden – so wie es auch bei Benjamin Ruß, Inés Heider, Lisa Poettinger und Luca Schäfer der Fall ist, die ebenfalls von Berufsverboten betroffen sind.
Nachdem das Innenministerium NRW die „Palästina Solidarität Duisburg“ (PSDU) verbieten ließ, kam es zu einigen krassen Repressionsmaßnahmen wie Hausdurchsuchungen. Warst du davon auch betroffen? Wie wird das Verbot der PSDU überhaupt begründet?
Ja, ich war einer von vier Betroffenen der Hausdurchsuchungen im Zuge des Verbots der PSDU. Daraufhin wurde mein Arbeitsplatz auch durchsucht. Diese Maßnahme war nichts anderes als Schikane und ein Einschüchterungsversuch.
Sie sollte nicht nur uns treffen, sondern ein Signal an die gesamte palästinasolidarische Bewegung senden. Das Verbot war der Auftakt für weitere Repressionen: Demonstrationsverbote, Anzeigen und Urteile gegen Menschen, die auch nur in Kontakt mit der PSDU standen, zeigen, dass es hier nicht nur um eine einzelne Organisation geht, sondern um einen gezielten Angriff auf die gesamte Bewegung.
Das Innenministerium NRW begründete das Verbot mit angeblicher Verfassungsfeindlichkeit, Verstoß gegen die Völkerverständigung, Antisemitismus, Kontaktschuld zu mehreren Gruppen und sogar „geistiger Terrorunterstützung“. Die Verbotsverfügung umfasst 61 Seiten voller Lügen, Manipulationen, falscher Interpretationen und unbelegter Anschuldigungen. Tatsächlich geht es nur um eines: Unser konsequenter Antizionismus und unsere Solidarität mit Palästina.
Unsere gesamten Unterlagen und die Verbotsverfügung sind übrigens öffentlich zugänglich. Jeder kann sich selbst ein Bild machen und sehen, dass dieses Verbot politisch motiviert ist und jeder rechtlichen Grundlage entbehrt.
Insgesamt ist die palästinasolidarische Bewegung auch über Duisburg hinaus von einem Ausmaß an Repression betroffen, das auch international immer wieder für Aufsehen sorgt. Auch gegen die linke Bewegung zeigt der Staat einen Verfolgungswahn, der in den letzten Jahren beispielsweise im sogenannten Antifa-Ost-Verfahren oder den Verfahren im Budapest-Komplex inklusive rechtswidriger Auslieferung nach Ungarn gipfelte. Gleichzeitig befindet sich die extreme Rechte im Aufstieg. Siehst du darin einen Zusammenhang? Welche Rolle spielen die Krisen des Kapitalismus bei den immer autoritärer werdenden Tendenzen des Staates?
Die Unterdrückung der Solidarität mit Palästina in Deutschland ist zutiefst rassistisch. Es ist bekannt, dass Rassismus schon immer ein Teil des Kapitalismus war und als Werkzeug dient, um Menschen zu spalten und von sozialen Problemen abzulenken. Heute geht es jedoch auch darum, dass die Proteste gegen den Völkermord in Palästina hauptsächlich von Migranten getragen werden. Indem sie sich gegen diese unmenschliche, aggressive und kriegerische Außenpolitik Deutschlands stellen, werden sie zu einem Problem für die Politik der sogenannten „Zeitenwende“, die noch mehr Aufrüstung und militärische Einsätze vorantreibt. Diese Politik versucht, die Stimmen derjenigen zu unterdrücken, die sich gegen Ungerechtigkeit und Gewalt aussprechen, und zeigt damit einmal mehr, wie Rassismus und Unterdrückung Hand in Hand gehen.
Du hast bereits Klage gegen deine Kündigung eingereicht. Die PSDU klagt auch gegen das Verbot. Wirst du dabei von Seiten der Gewerkschaft unterstützt? Und welche Rolle können und sollten Gewerkschaften insgesamt im Kampf gegen Berufsverbote, aber auch andere Maßnahmen der Repression und den Aufstieg der extremen Rechten spielen?
Ja, die PSDU klagt gegen das Verbot, und ich bin als Mitkläger Teil dieses Verfahrens. Wir wissen, dass es sich über Jahre hinziehen wird, aber wir sind entschlossen, juristisch bis zur letzten Instanz dagegen zu kämpfen. Die Solidarität wächst tagtäglich und das spüren wir – doch es braucht noch viel mehr Unterstützung.
Bis jetzt war ich selbst kein Mitglied in einer Gewerkschaft und werde derzeit auch von keiner Gewerkschaft aktiv unterstützt, abgesehen von einigen Solidaritätserklärungen. Das muss sich jedoch ändern. Alle sollen verstehen, dass die Repression gegen Palästina-Aktivisten und die palästinasolidarische Bewegung nur ein weiterer Schritt in einer viel umfassenderen Entwicklung ist: dem Abbau demokratischer Rechte.
Gewerkschaften und die gesamte linke Bewegung sollten sich deshalb entschieden gegen Berufsverbote, Vereinsverbote und jede Form staatlicher Repression stellen. Die Diffamierung der Palästina-Solidarität als „antisemitisch“ oder durch ähnliche Vorwürfe dient nur dazu, die Bewegung zu spalten und Grundrechte gezielt für eine Gruppe abzubauen – während andere zuschauen, bis sie selbst betroffen sind.
Deshalb braucht es uneingeschränkte Solidarität – nicht nur mit uns, sondern mit allen, die von Repression betroffen sind.
Können Menschen dich irgendwie unterstützen? Welche Formen von Solidarität und Organisierung braucht es?
Dieser Kampf ist nicht einfach und braucht aktive Unterstützung. Es gibt verschiedene Wege, wie Menschen uns helfen können. Eine wichtige Unterstützung ist, öffentliche Aufmerksamkeit zu erzeugen – sei es durch Solidaritätsbekundungen, die Teilnahme an Aktionen oder das Sammeln von Spenden.
Es wurde ein Komitee gegen das Verbot der PSDU gegründet, das sowohl mich als auch meinen Mitkläger Leon Wystrychowski unterstützt. Dieses Komitee setzt sich aktiv für den Kampf gegen das Verbot der PSDU und gegen mein Berufsverbot ein. Es stellt alle relevanten Informationen über die Verbote online zur Verfügung und sammelt Spenden, um die juristischen Verfahren zu finanzieren.
Deshalb sind Spenden an das Komitee sehr willkommen. Auch das Folgen und Teilen der Inhalte des Komitees in sozialen Medien trägt dazu bei, die Sichtbarkeit zu erhöhen.
Zusätzlich fahren das Komitee, Leon und ich durch Deutschland, um über das Unrecht zu berichten, wenn wir zu Veranstaltungen eingeladen werden. Eine weitere Möglichkeit zur Unterstützung ist es, selbst eine Veranstaltung zu organisieren und uns einzuladen, um unsere Geschichte zu teilen und auf die Repression aufmerksam zu machen. Wir hoffen auch, dass unsere Erfahrungen anderen Gruppen helfen können, ähnliche Herausforderungen besser zu bewältigen.
Alle Informationen und Neuigkeiten, einschließlich unserer Verbotsverfügung, Klagen und Spendenkonten, findet man auf der Webseite des Komitees unter: www.psdu-verbot.info