Interview: Klimaaktivismus im Kongo

24.03.2025, Lesezeit 9 Min.
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Foto: Daniel Kalalizi / instagram.com

Daniel Kalalizi ist ein Klimaaktivist aus der Demokratischen Republik Kongo (DRC). In einem Interview berichtet er uns über seine Lage in der derzeitigen Situation des Landes.

Seit bereits drei Jahrzehnten befindet sich die Demokratische Republik Kongo (DRC) in einer anhaltenden Krise. Bewaffnete Gruppierungen, wie jüngst die M23, dominieren das Land und die humanitäre Situation verschlechtert sich immer weiter. Seit Januar wurden bereits mindestens 7.000 Menschen durch den bewaffneten Konflikt getötet. Mehr Informationen über die derzeitige Lage im Kongo findest du hier. 

Daniel Kalalizi ist ein Physiker und Klimaaktivist aus dem Osten der DRC. Er wurde am 1. Januar 2003 in einem Dorf namens Cegera geboren […]. Die Sekundarstufe schloss er am Katana Centre Institute (2014-2016) und an der ESPKa/Fomulac (2017-2020) ab, wo er sein Diplom in der wissenschaftlichen Abteilung erwarb (2020). Derzeit studiert er an der ISP-Bukavu (2020-2024) im Fachbereich Physik und Technologie. Nach seinem Bachelor-Abschluss plant er, einen Master in Physik zu machen. […] Sein Aktivismus begann 2021, als er miterlebte, wie schwere Regenfälle, Dürren, Erdrutsche und Hungersnöte sein Heimatland verwüsteten. Er kämpfte zusammen mit anderen jungen Menschen gegen diese Probleme, indem er Bäume pflanzte und Treffen mit Dorfbewohner:innen organisierte.Derzeit arbeitet er als ehrenamtlicher Sekretär für die Shujaa-Initiative und Climate Clock DRC in den Provinzen Nord- und Süd-Kivu. Er steht in engem Kontakt mit internationalen Aktivisten, die ihm ständig mit Rat und Tat zur Seite stehen und ihn in seiner Entwicklung unterstützen. Aus einer bescheidenen Familie stammend, ist es sein Ziel, sich weltweit zu entfalten und den Wert der Liebe zueinander zu lehren.

Redaktioneller Hinweis: Im Folgenden wollen wir ein Gespräch über den Klimaaktivismus von Daniel Kalalizi darstellen, das durch einen längeren Austausch in den letzten Tagen und Wochen entstand. Es hat unter anderem zum Zweck, auch den mutigen Widerstand gegen die Ausbeutung des Kongo sowie gegen die daraus entstehenden klimatischen Katastrophen zu zeigen. Eine persönliche Perspektive gegen das Leid, gegen die Armut und die Unterdrückung. Die Fragen und das Interview wurden von Claire Stein in Zusammenarbeit mit Jule Nitsche erstellt und durchgeführt. 

Unter welchen Bedingungen lebst du derzeit?

Daniel Kalalizi: Die Situation, in der ich mich derzeit befinde, ist aufgrund der Kriege, die von einem Tag auf den anderen ausbrechen, sehr kompliziert. Ich habe große Schwierigkeiten, mich mit Lebensmitteln zu versorgen, weil es in unserer Gegend kein Geld gibt, mit dem ich wie früher leben könnte. Unsere Familien werden wie die Fliegen getötet, und wegen der Mineralien, die es in unserem Land gibt, fließt überall Blut. Wegen dieses Krieges befinde ich mich in einem unruhigen Zustand, da ich weder studieren noch meinem Aktivismus nachgehen kann und außerdem um mein Leben fürchte. Aktivist:innen werden hier verfolgt. Unsere Familien haben kein Dach mehr über dem Kopf; ich habe meine Brüder in diesem Krieg verloren, und ich habe meine wenigen Besitztümer verloren, und die Situation wird sich noch verschlimmern, wenn unsere Situation international keine Aufmerksamkeit erhält. 

Warum musstest du dein Studium konkret aufgeben?

Daniel Kalalizi: Um zu studieren, muss man sicherstellen, dass man sich in einem sicheren Umfeld befindet, das die Weitergabe von Wissen ermöglicht […]. In einigen Gebieten von Bukavu und Goma werden Studenten zwangsrekrutiert und können, wenn sie sich dem widersetzen, getötet werden. […] Es ist schwierig für mich zu studieren, weil ich dies unter den Bedingungen des bewaffneten Konflikts nicht tun kann; dies ermöglicht kein effektives Lernen. Einige Lehrkräfte, die über ausreichende Mittel verfügen, haben bereits anderswo Zuflucht gesucht, in der Hoffnung, dort Frieden zu finden. Wenn ich studieren möchte, wer könnte mich nun unterrichten? Ich bin jedoch bereit, meine Bildungseinrichtung zu verlassen, solange ich anderswo studieren kann, wo Frieden herrscht, und ich meinen Aktivismus fortsetzen kann. Das Leben ist ein Geschenk, das gut geschützt werden muss.

Wie sieht dein Aktivismus gerade aus?

Daniel Kalalizi: Als Klimaaktivist in der Demokratischen Republik Kongo ist meine Situation komplex und von Herausforderungen geprägt, die mit dem Krieg und der Ausbeutung der natürlichen Ressourcen zusammenhängen. Mein Aktivismus konzentriert sich auf zwei Provinzen der Demokratischen Republik Kongo (Nord-Kivu und Süd-Kivu) mit mehreren Initiativen. Ich bemühe mich, die Bevölkerung und die Entscheidungsträger für die Klimaproblematik zu sensibilisieren und die Auswirkungen des Bergbaus auf die Umwelt und die Gesundheit der kongolesischen Gemeinden und sogar der Welt aufzuzeigen. Gemeinsam mit anderen organisieren wir Workshops und Konferenzen, um die Öffentlichkeit über diese Einflüsse zu informieren und zu mobilisieren. Ich arbeite mit anderen lokalen und internationalen Aktivist:innen zusammen, um nachhaltige und verantwortungsvolle Bergbaupraktiken zu fördern. Dazu gehört auch die Verteidigung der Rechte der von der Ressourcenausbeutung betroffenen Gemeinden und das Eintreten für eine Politik, die sowohl die Umwelt als auch die Menschenrechte schützt.

Wie bleibst du für deinen Aktivismus motiviert? Ist es gefährlich, deine Meinung zu sagen?

Daniel Kalalizi: Als Klimaaktivist im Osten der Demokratischen Republik Kongo bleibe ich durch mehrere Faktoren motiviert. Zunächst einmal treibt mich die Überzeugung an, dass unser Kampf für den Schutz unserer Umwelt und unserer Gemeinschaft unerlässlich ist. Die Zeugnisse derer, die von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen sind – wir selbst, unsere Freunde, unsere Eltern, unsere Großeltern – erinnern mich daran, wie wichtig unser entschlossenes Handeln ist, das sich bereits in mir eingebrannt hat. Es stimmt jedoch, dass es gefährlich sein kann, seine Meinung zu sagen. Die Sicherheitslage in unserer Region ist oft unbeständig und Stimmen, die sich zur Verteidigung der Umwelt oder der Menschenrechte erheben, können bedroht werden oder sogar Gewalt erfahren. Trotzdem glaube ich fest daran, dass Veränderungen möglich sind und dass jede Stimme zählt. Das ist es, was mich motiviert, mein Engagement fortzusetzen, auch wenn es Risiken gibt. 

Bist du bei politischen Organisationen oder Gruppierungen organisiert?

Daniel Kalalizi: Ich gehöre mehreren lokalen Gruppen an, mit denen ich Aktionen durchführe. In Bukavu und Goma bin ich mit “Climate Clock DRC” und der “Shujaa-Initiative” verbündet. Auf internationaler Ebene arbeite ich eng mit der “CONGO BASIN ALLIANCE” zusammen, die mich begleitet und mir hilft, Fortschritte zu erzielen.

Wie hängt die Klimakatastrophe mit dem zusammen, was dir gerade widerfährt?

Daniel Kalalizi: Die Klimakatastrophe hat in mehrfacher Hinsicht mit dem zu tun, was mir gerade während des Krieges im Osten der Demokratischen Republik Kongo widerfährt: Einerseits verschärft der Klimawandel die Konflikte, indem er die Ressourcenknappheit wie Wasser und Ackerland verschlimmert und zu Spannungen zwischen den Gemeinschaften führt. Andererseits trägt die Suche nach wertvollen Mineralien, die oft mit dem Krieg verbunden ist, zur Abholzung und Umweltzerstörung bei, was die Auswirkungen des Klimawandels weiter verschärft. Darüber hinaus sind wir, die durch den Krieg vertriebene Bevölkerung, anfälliger für die Auswirkungen des Klimawandels, wie Dürren oder Überschwemmungen, was einen Teufelskreis aus Gewalt und Leid schafft. Dies kann auch zu Konflikten zwischen der lokalen Bevölkerung führen, da jede Familie von Armut betroffen ist, da es an Nahrungsmitteln mangelt, usw.

Welche Rolle spielen die Ressourcen Kongos?

Daniel Kalalizi: Die Demokratische Republik Kongo verfügt über enorme Reserven an wertvollen Mineralien, wie Kobalt, Kupfer und Gold. Diese Ressourcen sind für die Herstellung moderner Technologien, wie Batterien und Smartphones, unerlässlich. Die Nachfrage nach diesen Ressourcen steigt weltweit, insbesondere im Zuge des Übergangs zu sauberer Energie und nachhaltigen Technologien. Dies ermutigt Unternehmen, diese Ressourcen zu erforschen und auszubeuten. Die Abbaukosten in der Demokratischen Republik Kongo können niedriger sein als anderswo, was Unternehmen zu Investitionen veranlasst. Sie können mit der Ausbeutung dieser Ressourcen erhebliche Gewinne erzielen.

In einigen Fällen gelten in der Demokratischen Republik Kongo weniger strenge Umwelt- und Sozialvorschriften, was den Unternehmen die Ausbeutung der Ressourcen erleichtern kann, was jedoch schwerwiegende Folgen für die Gemeinschaften und die Umwelt hat (einschließlich der Radioaktivität von Mineralien usw.). Die Ausbeutung dieser Ressourcen kann den lokalen Gemeinschaften Arbeitsplätze und Infrastrukturen bringen, sie kann aber auch zu Konflikten und Umweltverschmutzung führen.

Wie kann man dich persönlich unterstützen?

Daniel Kalalizi: Eine gute Unterstützung wären vor allem die nötigen Instrumente, die es mir erlauben, effektiv meinem Aktivismus nachzugehen. Unter anderem wären das: ein Computer, eine Kamera, […], Diktiergeräte, Tripods für Kamera und Handy, sowohl als auch Unterstützung bei Projekten, welche ich mit der lokalen Bevölkerung ausführen kann. […] Zum Aspekt der finanziellen Unterstützung ist wichtig zu wissen, dass PayPal und GoFundMe in der DRC nicht mehr funktionieren, sie wurden geblockt. Wenn mich trotzdem jemand finanziell unterstützen möchte, kann über die “Western Union” unter dem Namen “BWIRA KANYAMA BLAISE” […] unterstützt werden. Falls es schwierig ist, mich hierüber zu unterstützen, könnte eine gutmütige Person in Europa mir helfen, einen GoFundMe oder PayPal account einzurichten, um als Aktivist Unterstützung zu erhalten. 

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