Internationaler Tag der Pflege: Kolleg:innen aller Berufe, vereinigt Euch!

12.05.2021, Lesezeit 6 Min.
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Kundgebung der Berliner Krankenhausbewegung heute vor dem Roten Rathaus. Foto: Klasse Gegen Klasse

Am 12. Mai wird der jährliche „Internationale Tag der Pflege“ begangen. Zu diesem Datum muss es aber um mehr gehen als um Lob und Applaus: nämlich um Streiks und Zusammenhalt im bundesweiten Kampf gegen den Personalmangel.

Traditionell nutzen Berufsverbände und Gewerkschaften den Anlass für kleinere Aktionen: Postkarten oder Enthüllungsartikel, die dann wieder in Vergessenheit geraten. Der 12. Mai 2020 fiel jedoch in eine besondere Zeit: Ganz Deutschland stand unter Schock durch die erste Pandemiewelle und die Berichte aus den Kliniken. Pfleger:innen wurden mit Applaus, ihr Alltag mit medialer Aufmerksamkeit überschüttet. Einige Pflegekräfte wurden sogar zu öffentlichen Figuren.

Von Jahr zu Jahr: Nicht aufgeben, streiken!

Heute aber – ein Jahr und viele Skandale später – ist offensichtlich, dass das noch lange nicht genug war. So findet um 16 Uhr eine Kundgebung vor dem Roten Rathaus in Berlin statt. Hier wollen die Beschäftigten der Charité dem Senat eine Petition überreichen. Tausende Kolleg:innen haben sie unterschrieben.

Sie kämpfen nicht erst seit der Corona-Krise: 2015 wurde an der Charité erstmals ein Tarifvertrag erstreikt, der eine Mindestbesetzung festschrieb – damals wie heute eine Einzigartigkeit. Er inspirierte die Belegschaften Dutzender weiterer Kliniken in ganz Deutschland. Allein der Abschluss des Vertrages verlieh der Pflege großes Selbstbewusstsein.

Doch bis heute ist dieser Tarifvertrag nicht umgesetzt worden. Nun ist entscheidend, dass die Bewegung die richtigen Schlüsse zieht: sie darf nicht den langen Atem verlieren und muss den Druck auf die Krankenhausvorstände immer weiter erhöhen.

Hausgemachter Fachkräftemangel: Der Druck auf die Kliniken muss von allen Seiten kommen

Die Vorstände von Vivantes und Charité stellen den Personalmangel als ein Produkt höherer Gewalt dar, an dem sie nichts ändern können. Den Forderungen der Pflegekräfte nachzugehen würde angeblich bedeuten, Betten zu reduzieren und Patient:innen abzuweisen. Aber was nützen Bettenkapazitäten, wenn niemand Zeit für die Patient:innen hat?

Fakt ist jedoch: Klinikvorstände können etwas für den Fachkräftemangel! Zehntausende Kolleg:innen haben sich in den letzten Jahren aus dem öffentlichen Gesundheitssystem zurückgezogen – aufgrund der Arbeitsbedingungen, der enormen gesundheitlichen und psychischen Belastung und der Ignoranz der Klinikleitungen bundesweit. Doch auch wenn der „Pflexit“ nicht in solch großem Stil den Fachkräftemangel verstärkt hätte, stünden wir vor einem Problem. Und das liegt bei den Ausbildungen. An der Charité und bei Vivantes wird ausgebildet. Wie überall unter teilweise extrem belastenden Bedingungen. Auszubildende müssen teilweise weit über ihre Kompetenz hinaus Verantwortung übernehmen, Überstunden machen, chaotische Schulleitungen mit schlechter Struktur ertragen und sich schon einmal an die schlechte Bezahlung gewöhnen. Kein Wunder, dass viele die Ausbildung wieder abbrechen.

Im heutigen Klinikalltag müssen Pflegekräfte neben der Versorgung von Patient:innen viele Aufgaben übernehmen, die nicht in der Stellenbeschreibung stehen. Darunter fallen Reinigungsaufgaben, Organisatorisches, aber oft auch ärztliche Aufgaben – denn auch da wird gerne an Stellen gespart. Man sieht: Würden mehr Menschen zu guten Bedingungen als Reinigungskräfte und Stationshilfen beschäftigt, sähe auch der Alltag der Pflege anders aus. Das ist nicht die Lösung des Problems, aber es hängt zusammen.

Auch dies verdeutlicht, wie wichtig die sektorübergreifende Solidarität ist. Um einen besseren Klinik-Alltag zu erkämpfen, müssen alle Kolleg:innen im Krankenhausbetrieb zusammenhalten: ob Reinigungskraft oder Krankenpfleger:in, ob Elektriker:in, Ärzt:in oder Hebamme. Ein sinnvoller Personalschlüssel für den gesamten Klinikbetrieb kann nur von einer gebündelten Kraft durchgesetzt werden – einer Organisation, die es sich zum Ziel setzt, die Gestaltung des Gesundheitssystems in die eigene Hand zu nehmen.

Eine Bewegung aller Arbeiter:innen – in Berlin und bundesweit

Denn es geht um weit mehr als nur ein paar zusätzliche Kolleg:innen oder Lohnerhöhungen. Es geht um ein lebenswertes Dasein: um eine Verteilung aller Ressourcen des Gesundheitssystems zum Wohl der Patient:innen und der Belegschaft. Es geht um den Zugang zu hochwertiger Behandlung und Pflege für alle, die sie benötigen. Wer soll ein gerechtes Gesundheitssystem besser gestalten können als die, die es ein Berufsleben lang miterleben? Der Kampf der Beschäftigten im Gesundheitswesen ist ein Kampf für Gesundheit aller.

Wir müssen die Bewegung, die in den Krankenhäusern entsteht, als eine Bewegung aller Arbeiter:innen begreifen – sodass sie nicht nur in Worten, sondern auch in der Praxis zu einer echten Macht heranwachsen kann.

Politiker:innen und Medien werden zwar nie müde zu behaupten, dass Streiks in Krankenhäusern während der Pandemie verantwortungslos sind. Aber genau das Gegenteil ist der Fall: Wenn wir verhindern wollen, dass mehr Pfleger:innen ihre Berufe aufgeben und der Personalnotstand noch dramatischer wird, müssen wir dafür streiken. Eine andere Sprache verstehen die Politik und die Krankenhausleitungen nicht. Während sie uns mit warmen Worten abspeisen, bereiten sie immer wieder neue Entlassungswellen vor – aktuell zum Beispiel bei Sana. Diese Doppelmoral ist tödlich.

Die Krankenhausbewegung darf nicht nur auf die Hauptstadt beschränkt bleiben. In jeder Stadt, in jeder Klinik muss sie sich organisieren. Sie muss Berufsgruppen aus öffentlichen sowie privaten Sektoren mobilisieren. Dieses kranke System beschränkt sich nicht nur auf Krankenhäuser, sondern umfasst die ambulante Pflege, die Altenpflege, die Arbeit von Heilberufen und Ärzt:innen. Und natürlich alle, die outgesourct, eingespart und ohne Tarif beschäftigt werden in den Küchen, in der Reinigung, in der Sterilisation und Technik.

2015 traten Charité-Beschäftigte für elf Tage in den Streik und setzten ihren Arbeitgeber damit unter immensen Druck. Die Folge war eine bundesweite Bewegung mit Streiks an etlichen deutschen Krankenhäusern. Daran müssen wir anknüpfen. Wir sind viele. Und wir haben die Schnauze voll.

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