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Internationale Spendenkampagne: Wie viel ist ein Auge wert?

06.12.2019, Lesezeit 7 Min.
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Gemeinsam mit einigen Freund*innen hat Alexis Osvaldo Donoso Cifuentes eine internationale Spendenkampagne gestartet, um die chilenische Jugend im Kampf gegen die Repression von Polizei und Militär mit Schutzbrillen auszustatten. Wir veröffentlichen hier den Spendenaufruf der Kampagne "Wie viel ist ein Auge wert?".

In einem kürzlich erschienenen Artikel hat die New York Times die Kosten für Proteste in Chile veranschlagt: „Eine Kugel ins Auge ist der Preis für das Protestieren in Chile.“1 Wie Amnesty International in seinem neuen Bericht über die Menschenrechtssituation in Chile festgestellt hat, „begehen die Sicherheitskräfte unter dem Kommando von Präsident Sebastián Piñera – hauptsächlich die Armee und Carabineros (die nationale Polizei) – weit verbreitete Angriffe, bei denen sie unnötig und übermäßig Gewalt anwenden, um die demonstrierende Bevölkerung zu schädigen und zu bestrafen.“2 Mit anderen Worten, wir sehen uns einer systematischen staatlichen Politik gegenüber, die der chilenischen Bevölkerung irreparablen materiellen Schaden zufügen will, um den Protest zu beschwichtigen.

Die Regierung reagierte auf die Kritik von Amnesty International mit einer Schließung der Reihen. Verteidigungsminister Alberto Espina unterstützte die Streitkräfte entschieden gegen den lapidaren Bericht von Amnesty International, indem er bekräftigte, dass die Streitkräfte und Carabineros „sich gegen Angriffe dieser Größenordnung wehren können und müssen. Diese Art von Angriffen, die immer auf klare Weise, aber ohne Beweise durchgeführt werden, verursachen schweren Schaden.“ Mit anderen Worten, die chilenische Regierung fühlt sich durch einen Bericht über die Menschenrechtslage bedroht und fordert, dass sich die Streitkräfte gegen Amnesty International „wehren“. Im Einklang mit diesen Erklärungen, sagte der General der Carabineros, Enrique Bassaletti: „Unsere Gesellschaft ist an Krebs erkrankt“. Er fügte hinzu: „Die Krebsbehandlung wird mit Chemotherapie und in anderen Fällen mit Strahlentherapie durchgeführt. Wenn das Krebsproblem gelöst werden soll, werden gute und schlechte Zellen getötet. Es ist das Risiko, das beim Einsatz von Schusswaffen entsteht“. Wieder einmal wird die Metapher der Krankheit als Vehikel für gruselige Stereotypen über die Krankheit, die Kranken und ihre Angehörigen verwendet.

Mit anderen Worten, die Regierung und die Ordnungskräfte unterstützen den wahllosen Einsatz staatlicher Gewalt zur Bekämpfung von Jugendlichen, Arbeiter*innen und Anwohner*innen, die auf die Straße gehen, um ihr legitimes demokratisches Recht auf Protest geltend zu machen. Wer protestiert, wird mit Krebszellen verglichen, „wie eine rücksichtslose und geheime Invasion“3, wie Susan Sontag sagen würde. Die Krankheit (und ihre Metaphern), die bekämpft werden muss, bis sie besiegt ist.

Das Ergebnis der militärischen und polizeilichen Gewalt ist schrecklich: Seit Beginn der Demonstrationen wurden nach Angaben des staatlichen Nationalen Instituts der Menschenrechte (INDH) mindestens 23 Menschen bei verschiedenen Aktionen (Brände, Überfälle, Kugeln) getötet und mehr als 2.300 verletzt, von denen rund 230 schweres Augentrauma erlitten.

Diese Augenverletzungen sind das Ergebnis der Schüsse, die seit Beginn der Krise auf Demonstrant*innen abgefeuert wurden. Diese Politik zielt darauf ab, in der Bevölkerung Terror zu verbreiten, insbesondere unter der mutigen Jugend, die gegen ein ungerechtes System rebelliert, das sie zu einem erbärmlichen, unwürdigen und demütigenden Leben verurteilt.

Trotz der ständigen Verletzungen ihrer Rechte sind die Jugendlichen jedoch entschlossen, ihren Kampf fortzusetzen und im Zweifelsfall die Augen zu verlieren, um diesem Regime ein Ende zu setzen. Wie die Botschaft, die ein junger Student der Erziehungswissenschaft an die Jugend, die gegen die Regierung demonstriert – in einem Fall, der die chilenische Gesellschaft erschüttert hat: „Ich habe meine Augen gegeben, damit die Menschen aufwachen.“

Heute wollen wir dazu beitragen, dass dieser Schrecken aufhört. In dem Bewusstsein, dass die chilenische Regierung und die chilenischen Ordnungskräfte ihre repressive Eskalation fortsetzen werden, wie sie in den Erklärungen zum Bericht von Amnesty International bekräftigt haben, und dass sie nicht aufhören werden, die Bevölkerung, insbesondere die Jugend, wahllos zu verspotten, wollen wir heute eine Kampagne starten, um Geld für die kämpfenden Jugendlichen zu sammeln. Im Gegensatz zu anderen sehr lobenswerten Kampagnen zur Unterstützung der Opfer wollen wir, dass junge Menschen, die ihre körperliche Unversehrtheit im Kampf für eine bessere Gesellschaft gegen die Repressivkräfte riskieren, dies unter besseren Bedingungen tun und ihr Augenlicht dabei nicht verlieren müssen. Wir wollen nicht, dass junge Menschen immer wieder die Augen verlieren, wenn sie protestieren. Wir wollen kein Geld sammeln, um Verletzungen zu behandeln; wir wollen, dass sie gar nicht erst passieren!

Aus diesem Grund haben wir beschlossen, eine internationale Spendenkampagne für den Kauf von Schutzbrillen zu starten, die unter den Jugendlichen, die kämpfen, verteilt werden sollen. Anlaufstellen für die Verteilung sind das Komitee für Notfälle und Schutz in der BergarbeiterInnenstadt von Antofagasta, 1800 Km nördlich von der Hauptstadt Santiago, das Komitee für Notfälle und Schutz der Universität von Playa Ancha und die Gewerkschaft Fenats der Beschäftigte des Krankenhauses Barros Luco Trudeau (Nationaler Dachverband der Beschäftigte der Gesundheit) in Santiago de Chile.

Wir glauben, dass dies angesichts der Verallgemeinerung dieser Art von Wunden unter Demonstrant*innen in verschiedenen Teilen der Welt, wie in Frankreich mit den Protesten der Gelbwesten, in Ägypten während der Demonstrationen, die zum Sturz der Regierung von Mubarak führten, oder in Palästina, ein immer dringender Bedarf ist, wo immer deutlicher wird, dass es sich um eine bewusste militärische Taktik handelt.

Unser erstes Ziel ist es, das Geld aufzubringen, um tausend Stück zu kaufen. Bei einem Stückpreis von etwa 30-40 Euro müssen wir 30.000-40.000 Euro aufbringen, um unser Ziel zu erfüllen. Wir wissen, dass dies das Problem nicht löst, aber wir glauben, dass wir auf diese Weise auf diese schreckliche repressive Praxis aufmerksam machen und zugleich die Notwendigkeit hervorheben können, die Augen der Protestierenden zu schützen.

Diese Schutzbrillen sind jedoch nicht klassische Arbeitsbrillen, die gegen Schläge bei niedrigen Geschwindigkeiten ausgelegt sind. Nein, wir wollen junge Menschen mit einer ballistischen Brille ausstatten, die Schüssen von Polizeifeuerwaffen standhalten kann, wie dem sogenannten Saber Advanced der Firma Wiley X4 oder ähnlichem. Dabei gibt es leider ballistische Brillen nach zivilen Standards und welche nach militärischen Standards, die natürlich mehr kosten. Wir hoffen, den chilenischen Jugendlichen die besten Brillen liefern zu können.

Deshalb bitten wir Sie um Ihre Hilfe, die Beiträge werden alle 24 Stunden transparent sein und jeder gesammelte Euro oder Dollar wird vollständig für diesen Zweck verwendet.

Internationale Spendenkampagne: Wie viel ist ein Auge wert?

Hier geht es zur Seite der Paypal-Spendenkampagne.

„Wir wollen auf das Drama der durch Kugeln zerschossenen Augen hinweisen“: Interview mit Alexis Osvaldo Donoso Cifuentes über die Spendenkampagne.

Hier geht es zur Facebook-Seite von Alexis, wo regelmäßig neuste Informationen zur Kampagne gepostet werden.

Fußnoten

1. New York Times: A Bullet to the Eye Is the Price of Protesting in Chile
2. Amnistía Internacional: Chile: Política deliberada para dañar a manifestantes apunta a responsabilidad de mando
3. Sontag, Susan: La enfermedad y sus metáforas. El sida y sus metáforas (epublibre, 1977).
4. Wiley X SABER ADV. Clear

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