International kämpfen gegen Angriffe auf Streiks
Eine private Miliz versucht, einen selbstorganisierten Streik von LKW-Fahrern in Hessen mit Gewalt zu brechen. Doch diese setzen ihren Arbeitskampf mit internationaler Solidarität fort.
Eine bewaffnete Bande mit einer auffällig hohen Dichte an Rechtsextremen drangsalierte am vergangenen Freitag ausländische Arbeiter an der Autobahnraststätte Gräfenhausen in Hessen. Gemeint ist dieses Mal nicht die Polizei, sondern eine private polnische Sicherheitsfirma mit dem Namen „Patrol“. Sie sollte Lastwagenfahrern der polnischen Firmengruppe Mazur ihre Fahrzeuge abnehmen. Denn diese streiken dagegen, dass sie seit zwei Monaten keinen Lohn mehr bekommen. Die vorwiegend aus Usbekistan und Polen stammenden Arbeiter organisieren sich in Streikversammlungen, auf denen sie über ihr weiteres Vorgehen abstimmen und senden damit ein internationales Zeichen. Mehr als 70 Kollegen befinden sich inzwischen auf der Raststätte in der Nähe von Darmstadt im Streik.
Das passte ihrem Chef Lukasz Mazur nicht. Am 29. März war dieser persönlich zu den Arbeitern gefahren, um sie zum Weiterarbeiten zu bewegen. Dies schlug fehl. Die mitgebrachten Streikbrecher kannten die Fahrer teilweise aus Minibussen, die Arbeiter:innen aus Georgien und Usbekistan nach Polen bringen. Statt den Streik zu brechen, zeigten sie sich solidarisch. Dann fuhr Mazur härtere Geschütze auf. Am Karfreitag, dem 7. April, erschien er mit der Sicherheitsfirma des Unternehmers und ehemaligen EU-Parlamentsabgeordneten Krzysztof Rutkowski, die mit ihren gepanzerten Fahrzeugen einen paramilitärischen Auftritt hinlegte. Ein Fahrer wurde bei dem gewalttätigen Angriff verletzt. Trotzdem nahm die Polizei den Unternehmer wie auch den Schlägertrupp nur kurzfristig fest, obwohl ihnen unter anderem schwerer Landfriedensbruch, Bedrohung, Nötigung, versuchte gefährliche Körperverletzung und Störung einer Versammlung vorgeworfen werden. Seit gestern ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen die Männer. Doch wieder solidarisierten sich die als Streikbrecher mitgebrachten Fahrer mit ihren streikenden Kollegen.
Auch aus anderen Branchen und Betrieben kam Solidarität: Kolleg:innen aus den DGB-Gewerkschaften ermöglichen den Arbeitern, ihren Streik fortzusetzen. Denn sie sitzen ohne Geld in einem fremden Land. Bei ver.di organisierte LKW-Fahrer:innen, Aktive von IG Metall, IG BAU und DGB machen Solidaritätsbesuche und die DGB-Beratungsstelle „Faire Mobilität“ stellt ihnen Verpflegung, sanitäre Anlagen und Treibstoff für ihre Standheizungen zur Verfügung. Die Solidaritätsbekundungen kamen auch aus dem Ausland: die georgische Gewerkschaft CTUC organisierte eine Solidaritätsdelegation und sogar aus Südkorea kommt eine Solidaritätsbotschaft von organisierten LKW-Fahrern.
Auch wenn in diesem Fall durch die Polizei verhindert wurde, dass Streikende angegriffen wurden, ist es in der Regel die Polizei selbst, die diese Angriffe durchführt und bewaffnet Kapitalinteresse verteidigt. So war es die französische Polizei, die die Zwangsverpflichtung gegen Streikende aus verschiedenen Branchen umsetzte und auch in Deutschland hat die Polizei schon gewalttätig Streikende angegriffen, wie zum Beispiel letzten Sommer im Hamburger Hafen.
Überall dort, wo eine Streikdynamik zunimmt, wächst auch die bürgerliche Repression. In Deutschland wurden während des großen ver.di-Warnstreiks Stimmen laut, die bestimmte Branchen vom Streikrecht ausschließen wollen. Teile der CDU forderten offen die Einschränkung dieses grundlegenden Rechts. Gitta Connemann, Sprecherin der Mittelstandsunion, sagte dazu: „Aus unserer Sicht braucht es ein neues Gesetz, das einen Rahmen für Streiks im Bereich der kritischen Infrastrukturen setzt, und zwar nur für diesen Bereich, damit der Streik am Ende von Verhandlungen steht und nicht am Anfang.“ Auch wird den Arbeiter:innen die Schuld an den Streiks gegeben, anstatt die Arbeitgeber:innen in die Verantwortung zu ziehen.
In Anbetracht der zunehmenden Repression müssen wir dazu in der Lage sein, uns gegen solche Angriffe zu verteidigen. Wir müssen selbst für den Schutz unserer Rechte kämpfen und gemeinsam wehrhafte Streikposten aufbauen, denn es existiert eine lange Tradition bewaffneter „Detekteien“ und Sicherheitunternhemen, die Arbeiter:innen mit Gewalt zur Beendigung ihrer Streiks zwingen wollen. Die bekannteste von ihnen sind wohl die Pinkertons, die 1892 den Streik von Stahlarbeitern in Homestead gegen Lohnkürzungen attackierten. Heute ist die Pinkerton-Agentur ein Tochterunternehmen der schwedischen Securitas AB. Solche Truppen sind auch der Ursprung der Polizei. In Frankreich wurde diese vor kurzem erst für Zwangsverpflichtungen gegen die streikenden Arbeiter:innen einer Total-Raffinerie in der Normandie eingesetzt. Die Intersyndical, die sich aus den Führungen der wichtigsten Gewerkschaftsdachverbände des Landes zusammensetzt, war nicht in der Lage, wehrhafte Streikposten aufzubauen. Doch das Netzwerk für den Generalstreik hat es in einigen Betrieben den Arbeiter:innen ermöglicht, sich selbstorganisiert und solidarisch zu verteidigen und so die Zwangsverpflichtung vor den Raffinerien und Kraftwerken zu verhindern. Wir kämpfen mit dieser Perspektive im Rahmen der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG) für branchenübergreifend Kämpfe und selbstorganisierte Streiks auch in Deutschland.
So wie deutsche Kapitalist:innen über die Europäische Union billige Arbeitskräfte aus Ost- und Südeuropa anheuert, um Löhne zu drücken und Arbeiter:innen anzuheuern, tun Osteuropäische Kapitalist:innen das mit Arbeiter:innen aus dem EU-Ausland. Die Organisierung dieser Arbeiter:innen wird von dem hauptamtlichen Apparat in Gewerkschaften, die sie eher national halten wollen, oft vernachlässigt. Ohne eine internationalistische Perspektive und Zusammenarbeit der Arbeiter:innenklasse über Ländergrenzen hinweg, ist dieser Missstand kaum zu bekämpfen. Der Streik der LKW-Fahrer bei der Unternehmensgruppe Mazur ist daher ein wichtiger Kampf, der breite Solidarität verdient hat, und deswegen setzen diese Fahrer ein so wichtiges Zeichen.
Volle Solidarität mit ihrem Streik!