Inés Heider: „Wir müssen uns wieder die Straße nehmen, um die AfD zurückzuschlagen“

17.01.2025, Lesezeit 10 Min.
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Mehr als120 Personen hörten online und vor Ort den Rednerinnen zu. Foto: KGK

Warum wir die AfD zerschlagen müssen. Beitrag von Inés Heider zur Diskussionsveranstaltung "AfD stoppen: Wie weiter nach Riesa?" am 16. Januar 2025 in Berlin.

Am Wochenende war der AfD-Parteitag in Riesa. Ihr habt’s alle mitbekommen, über 10.000 Menschen haben diesen Parteitag blockiert – und das auch ziemlich erfolgreich: Er konnte nämlich erst zwei Stunden später anfangen. Und als sich dann vor Ort irgendwann die vorher leeren Stühle vor Ort gefüllt haben, wurde
von der Bühne aus der Polizei gedankt, dass sie die Blockierenden aus dem Weg gepfeffert und geknüppelt haben, und auf Gewerkschaften geschimpft, die ja zu diesen Gegenprotesten aufgerufen hatten.

Ein paar Tage später hat die AfD wieder Schlagzeilen gemacht, weil sie in Baden-Württemberg, in Karlsruhe, in Briefkästen mit nicht-deutschen Namen „Abschiebe-Tickets“, also fake Flugtickets gesteckt hat. Ich finde das richtig krass, das ähnelt einer Aktion aus 1933, wo Nazis “Freifahrkarten nach Jerusalem” an jüdische Menschen verteilt haben.

Uns allen hier ist mega klar: Die AFD steht für krass schlimmen Rassismus, die AFD steht für Hetze gegen queere Menschen. Die AfD steht für ein Frauenbild von 1950. (Ich weiß nicht, ob euch das auch passiert bin, ich bin absolut nicht die die Zielgruppe dafür, aber irgendwie krieg‘ ich immer diese Videos von Tradwives in meinen Feed reingespült, als ob es mich irgendwie jucken würde, aber na ja.) Diese Partei steht ohne jeden Zweifel an der Spitze des Rechtsrucks in Deutschland, und deswegen finde ich es mega richtig und mega wichtig, sich dieser Partei massenhaft zu widersetzen.

Wir haben gesehen, dass es erfolgreich sein kann. Wir haben das gesehen – schon letzten Sommer in Essen in NRW, wir haben das jetzt auch in Riesa gesehen. Aber wir haben das zum Beispiel auch schon 2010 in Dresden gesehen: bei „Dresden Nazifrei“, wo 12.000 Menschen 6000 Nazis umzingelt haben, die ihre Demonstration nicht nur dann, sondern auch in den Folgejahren absagen mussten. Und ich glaube jetzt ist halt die Zeit, uns die Straße wieder zurückzunehmen. Wir müssen uns jetzt die Straße wieder zurücknehmen, um die AfD zurückzuschlagen!

Die AFD ist dabei aber nicht allein. Also wir reden ja nicht ohne Grund über Rechtsruck und nicht nur über den Aufstieg der AfD. Klar, Alice Weidel hat ja letzte Wochenende auf dem Parteitag dann mal wieder von „Rückführungen im großen Stil“ geredet. Aber Leute, denkt mal nach: Von wem kennen wir das noch? Von Olaf Scholz, unserem Noch-Bundeskanzler. Gerade ist er ja auf Wahlplakaten vor Deutschlandflagge zu sehen, richtig cringe. Er meinte letzten Oktober auf dem Spiegel-Cover: „Wir müssen endlich im großen Stil abschieben.“

Aber es ist halt wie gesagt nicht nur die AfD zum Beispiel, die Abtreibung verhindern will, die sie verbieten will, sondern auch die Union. Und ich denke, Weidel, Merz und Co haben die Hände von unseren Körpern zu lassen! Wir fordern deswegen auch ganz krass mit dieser Kampagne, dass Schwangerschaftsabbrüche nicht mehr im Strafgesetzbuch stehen und dass geschlechtsangleichende OPs für alle, die sie wollen, ohne bürokratische Hürden kostenlos zu zugänglich sind.

Wir sehen, dass der Rechtsruck nicht nur in Form der AfD passiert, sondern halt durch alle Parteien, durch die Reihe weg, weil sie auch alle den Genozid in Gaza unterstützt haben. FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai zum Beispiel hat noch vor drei Monaten in Bezug auf Waffenlieferungen gesagt, „wir stehen nach wie vor ganz klar an der Seite Israels“. Er wollte damit Habeck und Baerbock unter Druck setzen, noch mehr Waffen zu liefern. Sie stehen alle dafür, bei Schulen und bei Krankenhäusern zu kürzen. Also selbst die Linkspartei hat hier in Regierungsverantwortung in Berlin 700 Millionen Euro im Schulbau und in der Schulsanierungsoffensive gekürzt. Sie wollen mit diesem Geld, was sie da einsparen, alle aufrüsten. Robert Habeck will jetzt doppelt so viel Geld in die Bundeswehr stecken. Und gleichzeitig erhöhen sie unseren Mindestlohn nicht mal um ein halben scheiß Euro! Die Folge ist, dass jede fünfte Person in Deutschland von Armut bedroht ist.

Sie wollen uns weismachen, dass Geflüchtete daran schuld sind. Aber wir wissen: In Deutschland besitzen die reichsten fünf Prozent fast die Hälfte des Vermögens. Wer uns beklaut, ist also von hier und reich und nicht eingewandert und arm!

Wir stehen gegen Abschottung und wir sagen – das steht ja auf den Wahlplakaten – Öffnet die Grenzen! Wir stehen für einen sofortigen Abschiebestopp, wir stehen für Wahl- und Bleiberecht für alle Menschen. Das heißt, dass alle Asylanträge anerkannt gehören, dass das Lagersystem abgeschafft gehört, genauso wie die Residenzpflicht, Bezahlkarten, Kettenduldungen etc., und dass alle im Ausland gemachten Abschlüsse auch anerkannt werden.

Ja, die Stimmung im Raum ist natürlich jetzt ein bisschen schwierig, wenn man so viel über die AfD redet. Ich spüre das, wir spüren das glaube ich alle die ganze Zeit. Wir haben vor zwei Tagen in der Uni darüber geredet, wie krass es ist, was alles sagbar geworden ist, nachdem ja Weidel gesagt hat, Hitler wäre ein Kommunist gewesen.

Wir sind nicht die Einzigen, denen es so geht, bei weitem nicht. Der Rechtsruck ist ja international. Donald Trump hat 200 Millionen US-Dollar in die Hetze gegen trans Personen gesteckt und jetzt macht er Deals mit Multimilliardären wie Jeff Bezos, Mark Zuckerberg und Elon Musk. In Argentinien hat zum Beispiel der rechtsextreme Präsident Javier Milei vor kurzem Sexualkunde-Unterrichtsmaterialien offline nehmen lassen.

Und so wie da reagieren auch hier die „demokratischen“ Parteien, indem sie Stück für Stück die Forderungen von der extremen Rechten in ihre eigenen Parteiprogramme übernehmen. Ich weiß nicht, ob ihr das gesehen habt, aber Julia Klöckner von der CDU hat es ja ganz offen zugegeben, als sie auf insta gepostet hat – und ich zitiere –, „Für das, was ihr wollt, müsst ihr nicht die AfD wählen, dafür gibt’s eine demokratische Alternative, die CDU.“

Ist hier irgendjemand überrascht, dass diese Strategie von Julia nicht aufgeht? Ich glaube, wenn alle Parteien sich einig sind, dass man massenhaft abschieben muss, dann werden die Leute die Partei wählen, die das schon am längsten fordert und die das am konsequentesten fordert, also die AfD. Die Leute wollen ja keine Kopie, sondern das Original.

Deswegen wird jetzt auch super viel über ein AfD-Verbot geredet, und ich verstehe schon, dass Leute das sympathisch finden. Natürlich sollte rassistische, sexistische und queerfeindliche Hetze verboten sein. Aber ich frag mich dann halt so: Können wir diesem Staat wirklich vertrauen, faschistische Umtriebe zu unterdrücken? Ich glaube nicht! Dieser Staat, seine Polizei, sein Verfassungsschutz etc. ist mit Nazis besetzt, und außerdem zeigt die Geschichte der Bundesrepublik auch, dass immer dann, wenn rechte Parteien verboten wurden, dies eigentlich eine Vorlage dafür war, ein Vorwand dafür war, dann linke Parteien zu verbieten. Ich glaube, deswegen können wir uns im Kampf gegen die extreme Rechte und im Kampf gegen die AfD auf den Staat nicht verlassen, sondern müssen selbst die AfD zerschlagen.

Ich glaube – und ich weiß es eigentlich auch –, dass ganz viele Leute sich jetzt fragen: was tun? Lohnt es sich überhaupt? Und ich glaube, dass trotz alledem immer noch die Möglichkeit existiert, sich dem entgegen zu setzen, weil halt nicht alles nur nach rechts geht. Wir haben das jetzt in Riesa gesehen. Ihr – oder viele von euch mit euren eigenen Augen, ich lag leider mega krank im Bett. Aber honestly, immer wenn ich auf mein Handy geschaut habe, ging es mir schon ein Stückchen besser. Ich fand einfach ultra krass, dass so viele Menschen sich AfD-Politiker:innen mega mutig in den Weg gestellt haben. Dieses Video von dem, der dann versucht, rechts rum zu gehen und dann links rum zu gehen – die Leute gehen halt immer mit und lassen ihn nicht durch. Bei Minusgraden, bei Hardcore Wind wurde mir berichtet, haben Leute einfach Ihre eigenen Körper in Gefahr gebracht, um das zu verhindern, was hier gerade passiert. Und das ja auch erfolgreich, weil der Parteitag erst viel später angefangen hat.

Ich glaube, das war für mega viele Leute eine super wichtige Erfahrung, weil sie gesehen haben, dass man das alles nicht hinnehmen muss, dass man der AfD nicht nachgeben muss. Und auf genau solche Erfahrungen wollen wir mit unseren Bundestagskandidaturen aufbauen – nicht, um dann im Parlament, während sowas wieder passiert, im Warmen zu sitzen, sondern um dazu beizutragen, dass noch mehr Leute solche Erfahrungen machen, die uns dann halt dienen können im Kampf gegen die neue Regierung – die wird ja wahrscheinlich von Friedrich Merz geführt –, gegen seinen Rassismus, gegen seine Kriege, gegen seine Kürzungen und gegen seine Polizeigewalt.

Uns geht’s also nicht ums Blockieren an sich – so, okay, let’s go, Selbstzweck –, sondern darum, dass wir durch die Blockaden ein Stück Macht wieder erlangen können, und dass wir merken und Leute merken: Wir können entscheiden, was wir wollen und was wir nicht wollen. Und wenn wir entscheiden, wir wollen nicht, dass die AfD sich hier heute trifft, dann stellen wir halt sicher, dass das nicht passiert, statt darauf zu hoffen, dass der Staat das irgendwie für uns regeln wird.

Klar, Riesa ist jetzt vorbei und passiert auch nicht direkt morgen wieder, aber wir müssen auch tagtäglich weiterkämpfen gegen die Ideen der AfD. Und ich glaube, das lässt sich halt am besten machen, wenn man ihnen einen Gegenvorschlag entgegensetzt, wenn ihr jetzt also die Tage irgendwie mit euren Kolleg:innen
Pause macht und sowieso schnackt oder so, dann sprecht doch über dieses Programm. Sprecht über diese Sachen, die gerade vorgeschlagen werden von verschiedenen Parteien, tragt das in eure Betriebsgruppen – und wenn ihr keine habt, dann baut halt eine auf – oder tragt es in eure Gewerkschaften – und wenn ihr noch kein Mitglied seid, dann werdet auf jeden Fall Mitglied, ihr könnt mich dazu auch gern ansprechen. Wenn ihr studiert, dann besucht die Streiks, die kommen: Es gibt eine krasse Tarifrunde von Beschäftigten im öffentlichen Dienst, von Beschäftigten der Post und von Beschäftigten im öffentlichen Nahverkehr von der BVG, die alle ziemlich zeitgleich stattfinden. Es gibt da auch ein Bündnis, in dass man sich einbringen kann.

Ich denke, es ist super zentral, im Kampf gegen Rechts die Forderungen, die wir der AfD entgegensetzen, an Beschäftigte zu bringen. Denn wenn man sich mal überlegt, wir wollen einen sofortigen Abschiebestopp, dann können wir uns jetzt entweder wie in Riesa auf die Start- und Landebahn vom BER setzen und halt sagen, „okay wir kleben uns hier fest und bleiben hier, bis kein Flug mehr geht“, und werden dann alle von der Polizei geräumt. Aber wenn das Cockpit leer ist, weil der Pilot sagt, „so „ich weigere mich, dieses Flugzeug zu fliegen“, wenn die Startbahn nicht ready ist, das Bodenpersonal sich auch weigert, wenn vom Funkturm dann keine Genehmigung kommt aus demselben Grund, dann kann natürlich gar kein Flug gehen, das ist ja völlig klar. Beschäftigte sind die, die jeden Tag die Welt am Laufen halten und die sie deshalb sozusagen auch stillhalten können, bis unsere Forderungen erfüllt sind.

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