„Im kapitalistischen Gesundheitswesen wird wegen des DRG-Systems an allen Ecken gespart“
Unsere Genossin Leonie berichtet am 1. Mai in München vom Kampf gegen die Schließung des Kreißsaals in Neuperlach, die ihr dadurch widerfahrene Repression und über Schlussfolgerungen, die wir aus diesem Kampf ziehen können.
Ende 2022 bekamen wir im Kreißsaal Neuperlach der München Kliniken die Information, dass unser Kreißsaal 2024 geschlossen und mit der Geburtshilfe in Harlaching zusammengelegt werden sollte. Grundlage dafür war ein Stadtratsbeschluss von 2018.
Wir waren uns als Team einig, dass wir uns dagegen wehren müssen und haben angefangen, uns zu organisieren. Dafür haben wir eine Petition gegen die Schließung gestartet, die mittlerweile über 23.000 Unterschriften hat, haben Stadträte und Zeitungen kontaktiert und öffentlichen Druck gemacht. Diesen Druck haben die Parteien im Stadtrat gespürt und sind letztendlich eingeknickt, der Kreißsaal bleibt vorerst bis 2028 erhalten. Das ist ein großer Zwischenerfolg, den wir durch unsere Organisierung erreicht haben. Doch wir wollen weiterkämpfen, bis der Erhalt unserer Station ohne Kompromisse und ohne Frist gesichert ist. Denn was passiert sonst 2028, wenn wir wieder vor der gleichen Situation stehen?
Es ist klar, dass diese Schließung aus wirtschaftlichen Gründen geschehen sollte. Im kapitalistischen Gesundheitswesen wird wegen des DRG Systems an allen Ecken gespart, die wenig Profit bringen. Dazu gehören eben auch die geburtshilflichen Stationen, von denen seit 1991 in ganz Deutschland über 40% geschlossen wurden. Die Stadt München, die SPD und die München Klinik wollen unter dem Deckmantel der Zentralisierung eine Sparpolitik durchsetzen. Unser Kreißsaal ist ein Teil davon.
Unsere Selbstorganisierung im Betrieb ist es, die es möglich gemacht hat, als Team diese Erfahrungen im Arbeitskampf zu machen und die Schließung vorerst zurückzudrängen. Dabei hat uns ein weiteres Element enorm geholfen. Wir haben ein Solidaritätskomitee gegründet, in dem die Kolleg:innen, Studierende, linke Gruppen und auch Mitglieder aus Parteien aktiv waren und bis heute sind. Mit dem Solikomitee konnten wir die Kampagne gegen die Schließung größer machen. Wir haben Unterschriften gesammelt, im Dezember eine Kundgebung in Neuperlach abgehalten, haben auf Parteitagen interveniert und eine Veranstaltung über unseren Kampf organisiert.
Und man sieht, dass wir die Geschäftsführung ins Schwitzen gebracht haben. Ich wurde abgemahnt, weil ich angeblich gegen eine Dienstanweisung verstoßen habe. Die Geschäftsführung möchte so kontrollieren, was Arbeiter:innen der München Kliniken über ihre Arbeit mit der Öffentlichkeit teilen.
Es ging hierbei nie um vertrauliche Patient:innendaten, die natürlich nichts in der Öffentlichkeit verloren haben, nicht einmal um Interna der München Klinik. Mein „Vergehen“ war es, als Arbeiterin öffentlich und laut zu sagen, dass die sogar in Pressemitteilungen angekündigten Umstrukturierungen auf Widerstand stoßen.
Ich bin eine der wenigen Kolleg:innen im Kreißsaal, die bei ver.di organisiert ist und habe das immer öffentlich gesagt. Es ist offensichtlich, dass diese Abmahnung sich nicht nur gegen unseren selbstorganisierten Kampf, sondern auch gegen gewerkschaftliche Organisierung an sich richtet. Es ist eine Maßnahme zum Union-Busting.
Wie ich vorher schon gesagt habe, geht es hier nicht nur um mich und auch nicht nur um den Kreißsaal Neuperlach. Sparmaßnahmen treffen alle öffentlichen Sektoren und Finanzminister Lindner hat angekündigt, 20 Milliarden sparen zu wollen. Der Staat ist der größte Arbeitgeber in Deutschland. Fast 5 Mio. Menschen und ihre Familien werden solche Sparmaßnahmen im öffentlichen Dienst hart treffen. Ich habe in den letzten Monaten mit über 500.000 Kolleg:innen von der ver.di, der GEW, aber auch vielen, die von den DGB-Gewerkschaften enttäuscht sind, keine Mitglieder sind und ihren Unmut über ihre Arbeitsbedingungen trotzdem ausdrücken wollen, im TVöD gestreikt. Die meisten von ihnen sind solidarisch mit meinem Team und mir und viele haben sowohl die Petition für den Erhalt des Kreißsaals als auch gegen meine Abmahnung unterschrieben. Einige von ihnen haben selbst mit ähnlich fadenscheinigen Abmahnungen und Drohungen zu kämpfen. Die ver.di muss ihrer Aufgabe als Vertreterin der Arbeitnehmer:innen nachkommen und eine öffentliche Kampagne, sowohl für den endgültigen Erhalt des Kreißsaals auch gegen alle Abmahnungen wegen Arbeitskämpfen machen – denn wir haben bereits gesehen, wie wirkungsvoll der Druck der Öffentlichkeit ist – um ein Zeichen zu setzen, dass sich zu organisieren und gegen die Bosse zu kämpfen sich lohnt. Das müssen wir einfordern, an den Orten, an denen wir arbeiten und uns organisieren – ob Gewerkschaftsmitglieder oder nicht.
Die Streikbeteiligung ist stark gestiegen. Wir alle leiden unter der Inflation, die der Wirtschaftskrieg zwischen NATO und dem reaktionären Putin-Regime dramatisch verschärft hat. Wir haben gesehen, wie in Großbritannien und Frankreich massive Streikwellen ausgebrochen sind. In Frankreich führte die Rentenreform zu sogar noch größeren Mobilisierungen. Dort setzen sich unsere Genoss:innen von Révolution Permanente dafür ein, dass der Unmut der Arbeiter:innen mit ihren eigenen Mittel, dem Generalstreik, und nicht durch Druck auf das bürgerliche Parlament ausgedrückt wird. Die Führung der CGT, des große Gewerkschaftsbund Frankreichs versucht gerade letzteres. Die CGT ist überall in den internationalen Medien präsent und hat 600.000 Mitglieder. Der DGB hat 6 Millionen. Wir können ihn nicht der SPD überlassen, sondern müssen einen Kampf dafür führen, dass er unter die Kontrolle der Arbeiter:innen kommt.
Wir müssen gemeinsam als Klasse gegen Krieg, Inflation und Aufrüstung kämpfen. Diese Dinge betreffen uns alle gemeinsam und auch unser Widerstand muss ein gemeinsamer sein. Am 5. Mai überreichen wir der Stadt unsere Petition und ich würde mich freuen euch zu sehen – ab 10 Uhr am Odeonsplatz.
5. Mai: Petitionsübergabe für den Erhalt des Kreißsaals
5. Mai, 10 Uhr am Odeonsplatz, München
Veranstaltung am Institut für Soziologie München: Wie gegen die Care-Krise kämpfen?
Donnerstag, 4. Mai um 18 Uhr am Institut für Soziologie der LMU, Konradstr. 6 im Aufenthaltsraum.
Veranstaltung am Institut für Soziologie München: Wie gegen die Care-Krise kämpfen?
Filmvorführung am 4. Mai: „Die kleinen unsichtbaren Hände“ mit KGK Workers München
Donnerstag, den 4. Mai 2023 ab 19 Uhr im Münchner Westend (Adresse auf Anfrage)
Filmvorführung am 4. Mai: „Die kleinen unsichtbaren Hände“ mit KGK Workers München