Ikea, H&M und Co.: Wird der Handelsstreik zum heißen Herbst?

08.10.2023, Lesezeit 5 Min.
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Nicht nur aufgrund der voranschreitenden Klimakrise können wir einen heißen Herbst erwarten. Auch im Einzel- und Versandhandel gab es einen fast einwöchigen Streik. Ein Bericht aus Kassel.

Es wird ein heißer Herbst für die Arbeitgeber:innen des Handels, die ihren Arbeitnehmer:innen nämlich eine faire Bezahlung versagen. Sowohl Arbeitnehmer:innen des hessischen Groß- und Außenhandels als auch des Einzel- und Versandhandels haben eine komplette Streikwoche hinter sich und angekündigt, weitere Streiks folgen zu lassen, solange ihre Forderungen von den Bossen weiterhin ignoriert werden.

Streiks gegen die Inflation

Egal ob im öffentlichen Dienst, Hafen, Krankenhaus oder Einzelhandel, die aktuellen Krisen sorgen für Belastung und Existenzängste bei den Arbeitnehmer:innen sämtlicher Branchen. Die Zunehmende Anzahl an Streiks ist lediglich die Antwort auf schlechte Arbeitsbedingungen und unzureichende Bezahlung. Im Gegensatz zu anderen Branchen, wurden im Handel nur vereinzelt Inflationsausgleichprämien ausgezahlt. Die Unternehmen setzen darauf, die vom Staat „bezuschusste“ Prämie bei den Tarifverhandlungen zu ihren Gunsten „verrechnen“ zu können.

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Der Wunsch, die rund 5 Millionen im Handel tätigen Arbeiter:innen an den Milliardengewinnen der Unternehmen in einem bestimmten Maß zu beteiligen, wird von den Arbeitgeber:innen seit dem vergangenen April vehement abgewehrt. Konkrete Forderungen des Einzel- und Versandhandels sind eine Erhöhung des Stundenlohns um 2,50 Euro; Beschäftigte des Groß- und Außenhandels fordern eine Lohnerhöhung um 13 Prozent, jedoch mindestens 400 Euro je Monat. Zudem wird eine Steigerung der Auszubildendenvergütung um 250 Euro gefordert und allgemeinverbindliche Tarifverträge mit einer Laufzeit von 12 Monaten.

Da wir uns seit Juli 2021 in Deutschland in einer Inflation auf Rekordniveau befinden, sind diese Forderungen nicht zu viel verlangt. Die Anpassung der Gehälter würde eine Existenzsicherung der Arbeiter:innen bedeuten. Viele von ihnen arbeiten im Niedriglohnsektor und können sich stetig teurer werdende Grundnahrungsmittel und Waren des täglichen Bedarfs nicht mehr ohne staatliche Hilfen leisten. Zudem sind gerade alleinerziehende Mütter betroffen, die sich die Frage stellen müssen, ob sie oder ihre Kinder etwas zu essen bekommen.

Die Bosse verteidigen ihre Profite

Die Bosse versuchen ihre Belegschaft mit einer lachhaft geringen Lohnerhöhung von 5,3 Prozent (Die durchschnittliche Inflation beträgt 6 Prozent) und einer nur kurzfristig wirkenden Einmalzahlung abzuspeisen. Andreas Timmann, Sekretär bei ver.di in Hessen für den Fachbereich Handel, nennt das Angebot der Arbeitgeber:innen eine Frechheit und weist auf die Ungerechtigkeit der Unternehmen ihren Angestellten gegenüber hin. Weitere Anpassungen von Unternehmensseite sind geplant, jedoch kommen diese nicht einmal in die Nähe der Forderungen von ver.di. Die Arbeitgeberseite stellt die Forderungen der Gewerkschaft als utopisch dar und entgegnet den Streikenden lieber mit einem Angriff auf das Streikrecht, anstatt sich den offenkundigen Problemen der Beschäftigten anzunehmen. Während die Profite der Unternehmen weiter wachsen, steigt bei den Beschäftigten lediglich der Reallohnverlust.

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Bericht vom Streik in Kassel

Da die Verhandlungen bereits seit einem halben Jahr stagnieren, verleihen die Beschäftigten durch Streiken ihren Forderungen Nachdruck. Bereits am Montag, den 2. Oktober 2023, wurde die IKEA-Filiale in Kassel bestreikt, wobei die dortigen Angestellten unter anderem von den örtlichen H&M (Hennes & Mauritz), Douglas und Esprit Arbeiterinnen solidarisch unterstützt wurden. Am vergangenen Donnerstag, den 5. Oktober 2023, schalten Parolen wie „Ohne uns kein Geschäft“, „Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Kohle klaut“ und „Heute ist kein Arbeitstag, heute ist ein Streiktag“ durch die Obere Königsstraße in Kassel. Es fanden sich circa 200Arbeitnehmer:innen aus Nordhessen und Südniedersachsen vor dem Rathaus in Kassel ein und zogen unter Äußerung ihrer Forderung nach einer fairen Bezahlung weiter Richtung Königsplatz vor den City Point, dem Kasseler Einkaufszentrum in der Innenstadt. Es beteiligten sich an dem Streik Beschäftigte des Rewe-Lagers Breuna, H&M, IKEA, Parfümerie Douglas, Esprit, Kaufland und WM-Fahrzeugteile.

„Wir streiken, bis ihr zahlt“ oder „Das wird ein heißer Herbst“ steht unter anderem auf den Schildern der Streikenden. Dies lässt erahnen, wie die Beschäftigten auf eine weitere Ignoranz der Arbeitgeber:innen reagieren werden, auch nach den anstehenden Verhandlungen Anfang November, sollten die Forderungen nach einer fairen Bezahlung weiterhin nicht erfüllt werden. Andreas Timmann nennt die rege Teilnahme am Streik in Kassel ein gutes Zeichen und ruft zudem anwesende Arbeiter:innen dazu auf, nicht streikende Kolleg:innen zum Streiken zu animieren, um den Druck auf die Arbeitgeber:innen zu erhöhen.

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