Ihr Sohn ist seit einem Monat im Hamburger Gefängnis

08.08.2017, Lesezeit 4 Min.
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Police stand guard at the entrance of the new temporary prison for the G20 Summit during a demonstration in Hamburg, Germany, June 24, 2017. REUTERS/Fabian Bimmer

Einen Monat nach dem G20-Gipfel in Hamburg sitzen noch 32 Menschen in Untersuchungshaft – in der Mehrheit Nicht-Deutsche. Die Vorwürfe gegen sie sind absurd, dennoch werden sie wie Schwerverbrecher*innen behandelt. Letzte Woche berichteten wir über den Fall einer 23-jährigen Italienerin. Jetzt spricht auch die Mutter eines 18-jährigen Italieners.

Seit fast drei Wochen in Hamburg. Ich bin der deutschen Bürokratie ausgesetzt. Um die Erlaubnis für einen Besuch zu bekommen, um neue Klamotten vorbeizubringen, um Bücher zu besorgen, oder Briefmarken, oder anzurufen – das ist alles unverständlich kompliziert, oder wird sogar offen verwehrt.

Der 18-jährige Fabio aus Italien wurde beim G20-Gipfel in Hamburg festgenommen. Die genauen Vorwürfe der Staatsanwaltschaft gegen ihn sind immer noch nicht bekannt. Während viele sogenannte „Tatverdächtigte“ mit deutschem Pass längst auf freiem Fuß sind, werden in erster Linie Ausländer*innen weiter eingesperrt. Die Mutter von Fabio versucht ihn seit Wochen zu sehen. Ihre Situation schildert sie in der italienischen Presse.

Wenn ich das Gefängnisbüro anrufen muss, um einen Besuch zu organisieren, ist das Telefon fast immer besetzt. Und wenn es ausnahmsweise klingelt, geht niemand ran. Nach einem Monat Haft darf Fabio immer noch nicht telefonieren. Uns wurde gesagt, es sei unmöglich, denn dafür mussten Formulare ausgefüllt werden, die nur auf Deutsch vorlagen, und niemand konnte mit einer Übersetzung helfen. Am Ende bekam er eine Telefonkarte, aber diese funktionierte nicht.

Auch die Lieferung von neuen Klamotten funktioniert nur mit erheblichen Verzögerungen: Teilweise tragen die Gefangenen die gleichen Klamotten, die sie auf der Demonstration vor einem Monat trugen.

Die meisten Probleme, die Fabio jetzt erlebt, stammen daher, dass er die deutsche Sprache nicht kann. Für jede Bitte muss man ein Formular ausfüllen, das nur auf Deutsch vorliegt. Auch das bisschen Englisch, das er kann, hilft nicht, denn das Gefängnispersonal weigert sich auf Englisch zu kommunizieren.

Seit letztem Freitag ist Fabio einem restriktiveren Haftregime ausgesetzt. Besuche müssen nun vom Gericht genehmigt werden und dürfen nur in Anwesenheit von Polizei und Dolmetscher*in durchgeführt werden. Genauso soll seine gesamte Post von der Staatsanwaltschaft kontrolliert werden. Scheinbar geht es bei diesen Restriktionen darum, Schilderungen gegenüber der Presse einzuschränken – besonders absurd, weil Fabio nur wegen angeblicher Fluchtgefahr festgehalten wird.

Die Website Global Project kommentiert, es handelt sich offensichtlich um eine Art „Staatsrache“. Denn die Polizei hat viele Märchen von „marodierenden Gewalttätern“ auf Hamburgs Straßen in die Welt gesetzt. Doch sie haben so gut wie kein Material für ernsthafte Anklagen. Teilweise sitzen Menschen seit einem Monat in Haft, weil sie in einer Menge gestanden hätten, aus der Steine auf Polizist*innen geflogen seien.

Doch selbst dieser äußerst vage Vorwurf des Landfriedensbruchs bricht zunehmend in sich zusammen. Wie der NDR berichtet sind inzwischen Videos von der Polizei selbst öffentlich worden, die diese Menge bei der Blockade an der „Rodenbarg 20“ am Freitag Morgen zeigen. Die Polizei behauptet, die 200 Menschen hätten sie „massiv mit Flaschen, Böllern und Bengalos beworfen“. Doch auf dem Video sieht man das Gegenteil davon: Drei Bengalos fliegen ganz allgemein in die Richtung der Bullen und landen deutlich vor den Polizist*innen auf der Straße. Unvermittelt greift die Polizei die friedliche Demonstration an und verletzt Dutzende Menschen schwer, viele mit offenen Brüchen.

Gut möglich, dass Fabio wegen genau dieser Situation eingesperrt ist. Die Polizei sucht verzweifelt Sündenböcke, um ihr wackelndes Lügengebäude noch irgendwie zu stützen. Leider findet sie Unterstützung von beinahe allen Parteien, nicht nur Olaf Scholz (SPD) und Angela Merkel (CDU) verbreiten weiter die Lügen der Polizei, sondern auch Sahra Wagenknecht (Die Linke). Und die meisten Medien spielen hier auch mit.

In der Tat gab es viele schwarz gekleidete, vermummte und marodierende Gewalttäter*innen in Hamburg – und diese waren allesamt von der Polizei.

Wir fordern die sofortige Freilassung von Fabio und allen Gefangenen!

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