IG-Metall-Führung verrät Leiharbeiter*innen
Eine neue Vereinbarung in der Metall- und Elektroindustrie ermöglicht bis zu 48 Monate Leiharbeit – 30 Monate mehr als im gerade erst reformierten Leiharbeitsgesetz festgeschrieben. Die Verhandlungsführung der IG Metall verkauft so in kürzester Zeit die Interessen ihrer Mitglieder.
Auf dem Bild und nicht von Leiharbeit betroffen: Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender der IG Metall (Quelle: IG Metall)
Die Metall- und Elektroindustrie ist eine der wichtigsten Industriezweige in Deutschland, die Industriegewerkschaft Metall (IG Metall) die mächtigste Arbeiter*innenvertretung im Land. Ihre Vereinbarungen und Tarifverträge, besonders in dieser Schlüsselbranche, geben den Ton an für die Arbeits- und Lebensbedingungen von Millionen von Arbeiter*innen – weit über die Branche hinaus.
Wie die Hannoversche Allgemeine Zeitung am Mittwoch vermeldete, verhandelte die IG-Metall-Führung mit dem Arbeitgeberverband Gesamtmetall nun eine neue Rahmenvereinbarung, die nicht weniger als als skandalös ist.
Laut der Vereinbarung wird es künftig möglich sein, Leiharbeiter*innen bis zu 48 Monate am Stück einzusetzen. Die IG-Metall-Führung hebelt damit kurzerhand den Mechanismus aus, der im gerade reformierten „Arbeitnehmerüberlassungsgesetz“ die Leiharbeit auf maximal 18 Monate begrenzt.
Diese Regelung soll laut Informationen des neues deutschland in den nächsten Wochen in die regionalen Tarifverträge der Metall- und Elektroindustrie übernommen werden. nd berichtete weiter:
Nun seien IG Metall und die Arbeitgeberverbände der Zeitarbeitsbranche dabei, den Tarifvertrag über Branchenzuschläge für die Löhne der Leiharbeiter neu auszuhandeln. Gesamtmetall sei sich mit der Gewerkschaft einig, dass ohne konkreten Sachgrund künftig eine Verleihdauer von maximal 48 Monaten möglich sein soll, wenn dies freiwillig zwischen Betriebsrat und Geschäftsleitung vereinbart wurde.
Weniger als drei Wochen nach Inkrafttreten der Reform des „Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes“ fällt die IG-Metall-Bürokratie damit Millionen Beschäftigten in den Rücken. Die Bürokratie versucht sich rauszureden:
Demgegenüber betonte ein IG-Metall-Sprecher, dass die langen Überlassungszeiten keinesfalls automatisch in allen Unternehmen gälten. Voraussetzung sei in jedem Fall eine Betriebsvereinbarung zwischen Geschäftsleitung und Arbeitnehmervertretung, mit der die Leiharbeit im Unternehmen geregelt wird. Da es sich bei solchen Vereinbarungen um ein Geben und Nehmen handele, könnten die Betriebsräte als Gegenleistung für eine 48-monatige Überlassungsdauer andere Vorteile – etwa übertarifliche Entlohnung oder Sondergratifikationen – für Leiharbeiter verlangen, so der Gewerkschaftssprecher. In diesem Sinne eröffne die Vier-Jahres-Grenze bessere Beschäftigungsbedingungen zu sichern.
Unter der infamen Rechtfertigung der „Beschäftigungssicherung“ hebelt die IG-Metall-Führung in Rekordtempo das neue Gesetz gerade in einer der Branche aus, die am meisten von dieser Neuregelung betroffen war: 28 Prozent aller Leiharbeiter*innen – 285.000 Beschäftigte – waren im letzten Jahr in der Metall- und Elektroindustrie beschäftigt. Anstatt die Beschäftigten zu stärken, denen eh schon weniger Rechte gewährt werden als der Stammbelegschaft, werden die Leiharbeiter*innen nun für bis zu vier Jahre (!) zur permanenten Unsicherheit gezwungen. So kommentierte auch Jutta Krellmann (Linkspartei):
Leiharbeiter werden zur Verhandlungsmasse zwischen Betriebsräten und Arbeitgebern gemacht. Unter den Augen und mit Zustimmung der IG Metall wird die Zwei-Klassen-Belegschaft weiter zementiert.
Die Neuregelung zeigt aber nicht nur den Verrat der IG-Metall-Führung gegenüber ihrer Mitgliedschaft und allen Leiharbeiter*innen. Sie ist auch ein Beweis dafür, dass die Anfang April in Kraft getretene Gesetzesreform an sich schon sehr lückenhaft und völlig unzureichend ist – wie eben die Möglichkeit, durch Tarifverträge von diesem Gesetz abzuweichen. Das Gesetz war von vorneherein darauf ausgelegt, umgangen zu werden. Eigentlich hätten die Gewerkschaften verhindern müssen, dass diese Gesetzeslücke ausgenutzt wird – die IG-Metall-Bürokratie jedoch hat diese Lücke in Rekordzeit noch weiter ausgedehnt. Schließlich zeigt die Ausnutzung der Gesetzeslücke auch: Halbe Sachen bringen hier nichts, nur ein Verbot der Leiharbeit hilft.