Identitäre stürmen feministische Veranstaltung in der Uni München
Am Mittwoch luden verschiedene Gruppen zur Veranstaltung über Frauen und Geschlechterbilder bei AfD und Pegida in die Uni München ein: mit Stefanie Lohaus und Andreas Kemper. Doch Identitäre und AfD-Leute kamen zum Stören.
Selten finden überhaupt emanzipatorische politische Veranstaltungen an der LMU München statt, meist erlaubt das die Unileitung nicht. Auf einer Diskussionsveranstaltung am Mittwoch ging es um „Frauen und Geschlechterbilder bei AfD und Pegida„, mit den Referent*innen Stefanie Lohaus, Mitherausgeberin des Missy Magazines sowie Initiatorin der Kampagne #ausnahmslos gegen sexuelle Gewalt und Rassismus, und Andreas Kemper, Publizist und Soziologe mit den Themenschwerpunkten Bildungsbenachteiligung, Klassismus und antifeministische Männerrechtsbewegung. Um die 80 Teilnehmer*innen wollten sie hören – rechte Antifeministen wollten sie stören.
Es geht um die Rolle der Frau – Machos mischen sich ein
Bereits fünf Minuten nachdem Andreas Kemper mit seinem Vortrag begonnen hatte, öffnete sich die Hörsaaltür zum Raum M110 und um die zehn gut gekleidete Männer mit Seitenscheitel betraten den Raum, allesamt Aktivisten der AfD und der Identitären Bewegung; zumindest letztere ist in München eng verbunden mit der Burschenschaft Danubia. Sie setzten sich geschlossen zu den Teilnehmer*innen, um die Veranstaltung zu stören. Eine klare Provokation: Durch ihren Auftritt wollten die jungen Männer ihre Dominanz gegenüber den mehrheitlich weiblichen Teilnehmerinnen zeigen.
Nachdem diese Kerle auf die Bitten der Veranstalter*innen nicht reagierten, den Raum zu verlassen, konnten sie erst 20 Minuten nach Beginn des Vortrags durch den Sicherheitsdienst unter Androhung der Polizei hinausbegleitet werden. Dabei riefen sie immer wieder „Danke für eure Demokratie“. Eine offensichtlich antifeministische „Demokratie“.
Die Zeit bis zum Verlassen der Rechten war geprägt vom nervösen Umdrehen der Teilnehmer*innen, da die bekannten Störer bereits in der Vergangenheit, auch mit vorbestraften Nazi-Schlägern, in Erscheinung getreten sind. So auch bei einer Kundgebung von Waffen der Kritik gegen die AfD-nahe Hochschulgruppe „Campus Alternative“ im letzten Semester.
Die Strategie der neuen Rechten…
Andreas Kempers Vortrag beschäftigte sich mit der Geschichte antifeministischer Ideologiestrukturen und deren heutiger Ausprägung in der neuen Rechten. Über Maskulinismus mit Männern in der Opferrolle und Familismus mit der Familie als Opfer gelangte der Referent zum gegenwärtigen Antigenderismus. Dieser ist besonders im Parteiprogramm der AfD und der Wortwahl ihrer Vertreter*innen zu finden. Hierbei sollen traditionelle Geschlechter- und Familienrollen hervorgehoben werden und als Rechtfertigung für die frauenfeindliche und rassistische Politik dienen. Familien sollen als Keimzellen der deutschen Nation dienen um dem Aussterben eines fiktiven weißen Deutschlands entgegenzuwirken.
Qualitativ äußert sich das in der aktiven Familienpolitik, die die Partei propagiert: Wer viele Kinder hat, soll belohnt werden – Frauen sollen ihre Selbstbestimmung zugunsten des Volkes aufgeben und sich der rückständigen Rolle in der Abhängigkeit des Mannes fügen. Damit soll von den Rechten auch der Migration die Stirn geboten werden, da deutsche Kinder mit blauen Augen und blonden Haaren als Hoffnungsträger gegen eine vermeintliche Überfremdung dienen. Die demagogische, rassistische Teilung der Bevölkerung in einen Volkskörper und ‚den Anderen‘ wird damit verdeutlicht.
Begründet wird diese Politik der AfD und Neurechter durch die rückschrittliche Vorstellung einer natürlichen Geschlechterordnung. Männer und Frauen seien sozusagen kompatible Gegensätze, die sich durch Heirat ergänzen würden. Auch in der Bildung und Forschung wollen rechte Strukturen mit ihren heteronormativen Vorstellungen mehr Einfluss nehmen. Es soll Richtlinien für den Sexualunterricht in der Schule geben, die LGBTI vom Unterrichtsplan ausschließen, Forschung an Universitäten zu Geschlechterrollen wie Genderstudies soll abgeschafft werden.
…und der Platz, den Frauen darin haben
Stefanie Lohaus ging auf Führungsrollen von Frauen in der neuen Rechten ein. Neben einzelnen bekannten Führungspersonen wie Beatrix von Storch und Frauke Petry von der AfD sowie Kathrin Oertel , bekannt von Pegida, gibt es vor allem Frauen in rechten Strukturen, die keine wichtigen Positionen besetzen, aber trotzdem essentiell sind für die rassistische und chauvinistische Politik von AfD und Co.
Damit wird eine Doppelstrategie verfolgt: Frauen in Führungspositionen, ungeachtet ob sie durch ihr Handeln selbst Frauen unterdrücken und heteronormative Geschlechterrollen bedienen, werden als fortschrittlich aufgebaut. Zudem geben Frauen der Politik einen im sexistischen Weltbild weichen und annehmbareren Charakter – deshalb sieht man bei rechten Auftritten auch oft Frauen, die Schilder hochhalten oder Fronttransparente tragen. Beides zusammen ist die Doppelstrategie der neuen Rechten, um ihre Politik zu legitimieren.
Wir werden weiterhin die Frauen- und LGBTI-feindliche Poltik von AfD und anderen Rechten gemeinsam mit anderen in Aktionen und Veranstaltungen bekämpfen. Heteronormativität und die unterdrückte Rolle von Frauen in Deutschland sind allgegenwärtig. Wir müssen für eine offene Gesellschaft ohne Klassifizierung der Menschen nach Geschlecht, Gender und Hautfarbe eintreten. Und das egal, wo wir ihr begegnen: Schmeißen wir sie aus der Uni und geben ihnen keine Bühne!
*Richtigstellung: In einer ersten Version des Artikels lasen sich einige Formulierungen so, als hätten die Veranstalter*innen den Identitären eine Bühne geboten. Das ist so nicht richtig. Dafür entschuldigen wir uns. Die Rechten haben sich selbst die Bühne genommen. Sie wurden als Identitäre benannt und die Veranstaltung wurde vorübergehend unterbrochen. Nach dem Einsatz des Sicherheitsdienstes verließen die Rechten den Raum. Wir erklären unsere Solidarität gegen diesen faschistischen Angriff auf eine linke Veranstaltung.