IDAHOBIT Berlin: Politisch streiken für queere Rechte

20.05.2024, Lesezeit 5 Min.
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Internationalist Queer Pride 2023 in Berlin. Foto: Egon / Klasse Gegen Klasse

Am 17. Mai ist der Internationale Tag gegen queerfeindliche Gewalt (IDAHOBIT). In Berlin organisierte die kommunistische Jugendorganisation REVOLUTION anlässlich dessen eine Kundgebung. Wir geben hier die Rede unserer Genossin Freddy wieder.

Queerfeindliche Gewalt tritt nicht nur als individuelle zwischenmenschliche Gewalt auf, sondern auch strukturell. Aktuell merken wir in Deutschland stark den Rechtsruck und die Militarisierung. Wir sehen zum Beispiel, dass die Alternative für Deutschland (AfD) oft gegen queere Menschen hetzt. In ihrem Programm stehen Punkte, die zeigen, dass ihnen nichts am Schutz queerer Menschen liegt. Die AfD will Antidiskriminierungsgesetze aufweichen oder ganz abschaffen, und die Ehe solle nur noch zwischen Mann und Frau möglich sein. 

Vor einem Jahr war in München eine Lesung von Drag Künstler:innen und einer 13-jährigen Autorin, die trans ist, geplant. Die CSU versuchte, die Veranstaltung verbieten zu lassen. Zudem gab es rechten Protest gegen die Lesung. Die AfD und andere rechte Kräfte äußern sich offen queerfeindlich und sind gegen Rechte für queere Personen. Egal, wie progressiv sich die Regierungen geben, setzen sie real eine Politik um, welche queeren Menschen schadet. Auch, wenn sie es mehr oder minder versuchen zu verschleiern. Eines der Projekte der Ampel-Koalition, welches sie als sehr fortschrittlich verkaufen möchte, ist das Selbstbestimmungsgesetz. Es besagt, dass Namens- und Personenstandsänderungen ab August ziemlich leicht und unbürokratisch vonstatten gehen sollen. Während das ein Fortschritt ist, ändert das Gesetz nichts an den Hürden für die medizinische Transition. Für sie braucht man noch immer teure Gutachten und erniedrigende Gerichtsprozesse. Zudem sollen Personen, bei denen zuvor ein männlicher Geschlechtseintrag vorlag, im sogenannten „Verteidigungsfall” in den Krieg eingezogen werden können. Dies ist eine Neuerung. Einerseits zeigt dieser Teil des Selbstbestimmungsgesetzes, dass der Staat doch nicht ganz unser Geschlecht anerkennt und andererseits zeigt er, dass die Militarisierung in Deutschland voranschreitet. Ich finde, dass absolut niemand im Kriegsfall eingezogen werden sollte, um kapitalistische Interessen zu verteidigen, und dabei andere Menschen zu töten! Laut einem vorherigen Entwurf für das Selbstbestimmungsgesetz sollten außerdem die Daten derjenigen, die ihren Geschlechtseintrag ändern lassen, an die sogenannten „Sicherheitsbehörden”, weitergeleitet werden. Unter anderem das Bundeskriminalamt und der Verfassungsschutz hätten Zugriff darauf gehabt. Das bedient das rechte Argument, dass Leute so tun würden als seien sie trans, um begangene Gewalttaten zu vertuschen. Zum Glück wurde der Teil nicht in die endgültige Version des Gesetzes übernommen. Dennoch ist es schlimm genug, dass es zur Debatte stand. Ganz real hätte es uns auch einer Gefahr ausgeliefert, wenn wir daran denken, wie oft Berichte über rechte Strukturen in Polizei und Verfassungsschutz öffentlich werden. 

Ein weiteres großes Problem ist die Unterfinanzierung und Kürzung im Bereich der Bildung und Sozialen Arbeit. In diesem Sektor arbeiten überwiegend FLINTA Personen. Zum Beispiel waren meine Kolleginnen und ich vor einigen Wochen bei einer Aktion für die Hauptstadtzulage. Das wären 150€ mehr Gehalt pro Monat, was noch immer nicht so viel ist. Die Hauptstadtzulage wurde erst vom Senat zugesichert und dann für Angestellte von Freien Trägern zurückgenommen. Für queere Menschen muss der Zugang zu Beratungsstellen sichergestellt werden, auch queere Jugendclubs benötigen eine ausreichende Finanzierung und genug Personal. Statt darin zu investieren, wird aber unter anderem die Polizei hochgerüstet. Überwachungskameras und mehr Security sollen angeblich Schutz vor Gewalt und Diskriminierung bieten, tun jedoch das genaue Gegenteil. Ein aktuelles Beispiel für Rechtsruck und Militarisierung, von der die Kriminalisierung der Palästina-Solidarität aktuell der stärkste Ausdruck ist, bietet die Schließung zweier Mädchen- und Frauenzentren des Trägers FRIEDA e.V.. Alia und Phantalisa sollen geschlossen werden, da Personen die in den Jugendclubs arbeiten, sich offen pro-palästinensisch positioniert haben. Das ist ein richtig krasser Skandal! Und es ist auch so, dass der Kampf gegen Queerfeindlichkeit und der Kampf gegen den Krieg in Palästina zusammenhängen. 

Auch wenn sich Israel selbst gerne anders darstellt, war Israel schon vor dem 07.10. ein zutiefst queerfeindlicher Staat, insbesondere gegenüber queeren Palästinenser:innen. Der amtierende Finanzminister Bezael Smotrich bezeichnet sich selbst als homophoben Faschisten. Es ist seit Jahren bekannt, dass der israelische Geheimdienst queeren Palästinenser:innen erst mit einem Outing droht und dann tatsächlich outet, um sie unter Druck zu setzen. Jetzt seit dem 07.10. sterben im Rahmen des Völkermords, den Israel in Gaza begeht, auch tausende queere Palästinenser:innen. In der App „Queering the Map“, welche Einsendungen queerer Menschen auf der Karte sichtbar macht, finden sich nun unzählige Nachrichten von queeren Palästinenser:innen, einer herzzerreißender als der andere. Die mit Abschiedsbriefen gefüllte Karte zeigt, wie sehr der Völkermord auch ein Völkermord an queeren Palästinenser:innen ist.

Um Queerfeindlichkeit etwas entgegenzusetzen, dürfen wir also nicht auf bürgerliche Parteien und bürgerliche Regierungen vertrauen. Wir brauchen ein politisches Streikrecht! Denn wenn die Arbeiter:innen gemeinsam, sektorübergreifend und lange streiken, steht das Land still. Es kommt zu großen wirtschaftlichen Schäden, wie in Frankreich bei dem Kampf gegen die Rentenreform. So wächst der Druck auf die Regierungen, unsere politischen Forderungen umzusetzen. Wir sollten streiken für: 100 Milliarden für Bildung und Soziales, statt für Aufrüstung. Für ein Gesundheitssystem, das allen queeren Menschen bestmöglich hilft, und nicht profitorientiert ist. Für ein echtes Selbstbestimmungsgesetz, mit dem erniedrigende und teure Gutachten endlich Geschichte sind. Ebenso sollten wir streiken für einen Waffenstillstand, Hilfsgüter und sichere Fluchtwege für die Menschen in Gaza.

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