„Ich war kurz davor, die Ausbildung zu kündigen“

04.07.2022, Lesezeit 3 Min.
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Eine Auszubildende einer öffentlichen Großklinik in Berlin berichtet anonym, wie chaotisch ihr externer Einsatz in einer ambulanten Pflege-WG begonnen hat.

Azubis der Berliner Kliniken werden an externen privaten unterbesetzte Pflegeeinrichtungen als billige Arbeitskräfte ausgeliehen. Irgendwie war im Büro der Wohngemeinschaft nie einer da, der Ahnung hatte. Beim letzten Telefonat hieß es dann, komm einfach am ersten Tag um sechs Uhr. Als ich dort angekommen bin, wusste niemand von den Mitarbeitern, wo ich überhaupt hin soll. Ich bin dann auf irgendeinen Wohnbereich, eine Demenz-WG, geschickt worden. Im Laufe des Tages kam die Leitung zu mir und ich habe sie auf meinen Dienstplan angesprochen. Ihre Aussage daraufhin: „Den kriegst du nächste Woche. Ich will erstmal schauen, ob du vertrauenswürdig bist.“

Dann habe ich meinen Praxisanleiter für circa drei Minuten gesehen, wo er mir ein Gesprächstermin für kurz vor Feierabend mitteilte. Jedoch war er dann gar nicht mehr da. Mir wurde am ersten Tag weder das Haus noch das Konzept erklärt. Ich lief einfach mit einer Pflegehelferin mit und half ihr beim Waschen der Bewohner. Außerdem teilte mir die Leitung mit, dass ich erstmal nicht in der ambulanten Pflege mitfahre, da ich im ersten Ausbildungsjahr bin und mein Fokus ja auf Körperpflege liegt.

Ich war geschockt über die hygienischen Zustände: keine Personaltoilette, das heißt, man geht auf dieselbe Toilette wie die Bewohner; Reinigungskraft einmal in der Woche; weder das Personal noch die Bewohner tragen Masken; keine Arbeitskleidung, das heißt, ich muss in meiner Privatkleidung bettlägerige Bewohner waschen und Intimpflege machen; Handschuhe nur auf Zuteilung; nicht genügend Desinfektionsmittel um gegebenenfalls die Toilette zu reinigen.

Meine Arbeitszeit beträgt laut meinem Ausbildungsvertrag 39 Stunden pro Woche, aber dort muss ich 40 Stunden die Woche arbeiten. Jetzt bin ich seit mittlerweile zwei Wochen da, habe keinerlei Praxisanleitung bekommen, kann meinen Praxisauftrag nicht erfüllen. Letzte Woche ist die Situation etwas eskaliert, da die Leitung mir immer noch keinen Dienstplan gegeben hat. Als ich danach gefragt haben, wurde ich gebeten in der Woche zwischen den Diensten hin- und herzuspringen: Frühdienst, Spätdienst, Zwischendienst. Eine Pflegehelferin habe sich krank gemeldet und ich müsse dafür einspringen. Die Leitung sagte mir: „Das ist so in der Pflege und da hilft man auch aus. Das ist ganz wichtig.“

Ich habe ihr erklärt, dass ich private Termine habe und diese nicht anders planen konnte, da ich ja keinen verbindlichen Dienstplan bekommen hatte. In dem Moment habe ich mich extrem unter Druck gesetzt gefühlt, da die Leitung und der Praxisanleiter, der mir immer einen guten Morgen wünscht und dann weg ist, mich benoten. In diesem emotionalen Ausnahmezustand war ich kurz davor, das Ausbildungsverhältnis zu kündigen.

Ich habe dann am Nachmittag mit unserer Koordinatorin telefoniert und sie über die Zustände informiert. Sie versprach mir die Leitung dieses Hauses anzurufen und die Dinge anzusprechen. Ich „durfte“ dann die ganze Woche im Frühdienst bleiben. Morgen beginnt meine dritte Woche dort und ich habe immer noch keinen Dienstplan.

Ich frage mich, warum öffentliche Berliner Großkliniken eine Kooperation mit solchen Einrichtungen eingeht und die Ausbildungsqualität dort nicht überprüft. Immerhin fließen dort auch Gelder. Ich kriege jetzt schon Panik und Bauchschmerzen, wenn ich weiß, dass ich da Ende des Jahres nochmal hin muss.

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