„Ich habe 80 Personen aus meiner eigenen Familie verloren“
Wir veröffentlichen eine Mail von einem palästinensischen Hafenarbeiter der HHLA am Hamburger Hafen, an die ver.di-Gewerkschaftsführung. Unsere Solidarität gilt ihm und allen Palästinenser:innen weltweit.
Moin ver.di,
ich bin Mohammed Alattar (Mo), Mitglied bei ver.di, und Mitarbeiter bei der HHLA.
Ich bin 2015 nach Deutschland gekommen und habe mich hier sehr wohlgefühlt. Ich dachte mir, ich bin angekommen und habe endlich mal ein Zuhause.
Ich bin Palästinenser und ich komme aus dem Gazastreifen.
Am 06. Februar 2024 hat die israelische Besatzungsarmee meinen Bruder Abood ermordet. Er war erst 33 Jahre alt, verheiratet und hatte drei Kinder.
Anfang Mai hat die israelische Besatzungsarmee unser fünfstöckiges Haus, die gesamte Nachbarschaft und über 70 Prozent des Gazastreifens zerstört und dem Erboden gleich gemacht.
Ich habe 80 Personen aus meiner eigenen Familie verloren und über 130 Personen aus meinem Freundeskreis, meiner Nachbarschaft und meiner ehemaligen Kollegen.
Meine Eltern leben gerade in einem Horror seit über 270 Tagen dauerhafter Bombardierung und Zerstörung.
Mathematisch hat Israel 90 Prozent meines Lebens vor 2015 aggressiv beschädigt und ausgelöscht. Dieser Prozentsatz umfasst Menschen, Straßen, Wege, Orte, Eigentum und auch Erinnerungen. Ich bin nun ein Mensch ohne Erinnerungen.
Ich erwähne keine weiteren Einzelheiten der Verstöße dieser barbarischen, extremistischen Aggression.
Ich frage mich oft: „Kann ich Solidarität von ver.di mit mir erwarten?
Dieselbe Solidarität wie die Ukraine?“
Ich bin vor ca. zwei Jahren aus einem Grund ver.di beigetreten, nämlich Solidarität und laut sein. Für den Kampf gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeit, füreinander und miteinander stark und zusammen sein. Ich wünsche mir genau das, ansonsten muss ich weiter funktionieren und die Schmerzen und die Leiden in mir aushalten, ohne eure Solidarität zu bekommen.
Danke,
Euer Kollege Mo.