„Ich gehöre zu denen, die auch den Inhalt der Camps unterstützen“: Interview mit Michael Barenboim

27.06.2024, Lesezeit 4 Min.
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Michael Barenboim sprach am Mittwoch auf dem „Heba“-Camp an der FU. Foto: „Heba“-Camp

Der Violinist und Musikprofessor Michael Barenboim hat gestern das Palästinacamp an der FU Berlin besucht. Im Interview mit Klasse Gegen Klasse solidarisiert er sich mit dem Camp und erklärt, welche Rolle Kunst und Kultur für die Palästinasolidarität spielen können.

Tabea Winter: Wer bist du und warum bist du heute auf dem Protestcamp?

Michael Barenboim: Ich bin Michael Barenboim, Geiger und Professor an der Barenboim-Said-Akademie. Ich bin zu dem Camp gekommen, weil ich die Studierenden, die dieses Camp organisieren, inhaltlich unterstütze. Ich bin erschrocken und fassungslos über das, was sich immer noch in Gaza abspielt, und deswegen wollte ich meine Solidarität zeigen. Wir haben jetzt etwa eineinhalb Stunden eine Diskussion über verschiedene Themen gehabt, ich habe am Ende etwas auf der Geige vorgespielt, also ein rundum schöner Nachmittag. 

Tabea: Du hast ja den Brief der Lehrenden unterschrieben. Wieso und was erhoffst du dir davon?

Barenboim: Ich habe den Brief unterschrieben, weil ich zum einen, wie ich schon anderswo mehrfach betont habe, der Überzeugung bin, dass die Studierenden das Recht haben, zu protestieren. Aber vor allem weil ich die Sorge um die Bevölkerung in Gaza und die palästinensische Bevölkerung insgesamt teile und vom Mangel an Respekt für Menschenrechte und das Selbstbestimmungsrecht der Palästinenser:innen schockiert bin. Der Brief ist ja auch offen für Leute, die diese Ansichten nicht unbedingt teilen und trotzdem Unterstützung für die Rechte von Studierenden ausdrücken wollen – ich gehöre aber zu denen, die auch den Inhalt der Camps unterstützen. 

Tabea: Welche Forderungen der Camps findest du besonders wichtig?

Barenboim: Ich finde es gut, wenn sich an der Uni und überall für einen Waffenstillstand ausgesprochen wird. Das wäre das Simpelste und Sinnvollste. 

Tabea: Was denkst du ist die Rolle von Kunst und Kultur in der Bewegung für Frieden in Palästina?

Barenboim: Wir haben Möglichkeiten, Sachen zu veranstalten. Wir veranstalten Benefizkonzerte im Kühlhaus und anderswo zugunsten von Menschenrechtsorganisationen und Organisationen, die die Bevölkerung in Gaza, vor allem Kinder, unterstützen. Man kann das machen, aber ich sage immer, jeder soll machen, was er kann. Es ist ein Moment, wo man die Energie, die man hat, selbst wenn es nicht viel ist, für die Unterstützung einer Bevölkerung, die um ihr Leben kämpft, einsetzen sollte. So einfach ist das auch zu sagen.

Tabea: Nimmst du in Deutschland einen Zusammenhang zwischen dem Rechtsruck und den Repressionen gegen die Palästina-Solidaritätsbewegung wahr?

Barenboim: Es gibt gewisse Überschneidungen. Ich kann nicht genau sagen, wo die Trennlinie ist, aber was sehr sichtbar ist, ist die Idee, dass Menschenrechte für Palästinenser nicht gelten. Der anti-palästinensische Rassismus, der hingenommen wird, als wäre er völlig normal, besorgt mich sehr und ich habe das Gefühl, dass es immer schlimmer wird. Wir wollen hier im Grunde für Palästinenser nicht einsehen, was wir für alle anderen Menschen einsehen. 

Tabea: Gibt es etwas, was du uns als Protestierenden und Studierenden auf dem Camp noch mitgeben willst?

Barenboim: Ich habe vorhin schon in offener Runde gesagt, dass ich euren Mut und eure Standhaftigkeit bewundere. Ihr seid ein Beispiel für uns alle, wie organisiert ihr seid. Ich finde die Einstellung, dieses Einladende, finde ich wirklich großartig. Ich wünschte, in meiner Generation gäbe es ein paar Leute mehr, die das so gestalten. Ich tue was ich kann, bin hierher gekommen und hoffe, dass ihr auch von vielen weiteren Seiten Unterstützung erfahrt. 

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