IAA: Autokonzerne enteignen, Verkehrswende unter Arbeiter:innenkontrolle!

16.08.2023, Lesezeit 8 Min.
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Proteste bei der IAA 2019 in Frankfurt. Foto: Ralf Minor / Shutterstock.com

Kommt zu den Protesten gegen die Internationale Automobil-Ausstellung (IAA) in München; für die Enteignung der Automobilindustrie unter demokratischer Kontrolle der Beschäftigten. Aufruf der Revolutionären Internationalistischen Organisation.

„Die IAA MOBILITY führt zusammen, was zusammengehört“: Unter diesem Slogan vereint die Automesse die Haupttreiber von Ausbeutung und Klimazerstörung und Profiteure der imperialistischen Kriege. Mitten in der Klimakrise bietet der Münchner Stadtrat vom 5. bis 10. September der internationalen Automobilindustrie unsere Straßen an, um sich als Retterin unseres Planeten zu inszenieren.

Hinter dem Greenwashing verbergen sich die Triebkräfte der weltweiten Überschwemmungen, Hitzewellen, Wasserknappheit und Stürme, die auf eine nie dagewesene Weise auf der Tagesordnung stehen. Nach dem Energiesektor ist der Autoverkehr für über 21 Prozent der CO2-Emissionen in der EU verantwortlich. Dies trug dazu bei, dass in diesem Sommer weltweit die höchsten Temperaturen seit Beginn der Aufzeichnungen erreicht wurden. Bereits letztes Jahr sorgte dies in Europa für zehntausende Tote und treibt über 108 Millionen Menschen auf die Flucht, so viele wie noch nie. Das wird sich auch nicht ändern, wenn für E-Autos weltweit Rohstoffe wie Lithium ausgebeutet werden und damit der Lebensraum vieler Menschen zerstört wird.

Trotz dieser Misere liegt die höchste Priorität der „Fortschrittsregierung“ nicht im Klimaschutz, sondern in der sogenannten „Zeitenwende“, die eine historische Aufrüstung der Bundeswehr bedeutet, für die wir nun mit Sparmaßnahmen in allen anderen Bereichen zahlen sollen. Während die Bundesregierung damit beschäftigt ist, Deutschland und die EU vor Fluchtmigration abzuschotten, entspricht die Militarisierung und Kriegstreiberei vollständig den Bedürfnissen der Eigentümer:innen von VW oder Mercedes.

Die imperialistischen Interessen der Autoindustrie

Diese produzieren nicht nur Kampffahrzeuge wie den „Caracal“ von Mercedes, sondern haben ein besonderes Interesse daran, ihre Zulieferkette in Osteuropa zu stärken. Es ist naheliegend, dass sie auf einen Sieg im Ukraine-Krieg hoffen: 2021 unterzeichnete die EU mit der Ukraine eine strategische Partnerschaft über kritische Rohstoffe und Batterieproduktion. Eine EU-Mitgliedschaft des Landes würde zudem den Zugriff auf Millionen neuer Niedriglohn-Arbeitskräfte bedeuten.

Die Aufrüstung erweitert die Möglichkeiten des deutschen Kapitals, sich bei Bedarf militärisch Zugriff auf strategische Rohstoffe zu verschaffen, zum Beispiel auf Chrom und Platin in Afrika oder auf Lithium im Andendreieck – und im Wettrennen um Ressourcen auch gegen China, Russland und andere westliche Mächte zu konkurrieren. In Chile und Argentinien wurden mit den dortigen Kapitalist:innen und ihren Regierungen Kooperationen abgeschlossen. Der diplomatische Weg des „grünen Kapitalismus“ ist allerdings nur auf den ersten Blick friedlich. In der Region Jujuy im Norden Argentiniens geht die Polizei seit Wochen massiv gegen Massenmobilisierung vor, die sich gegen Fracking, umweltschädlichen Abbau von Lithitum und autoritäre Maßnahmen zur Wehr setzen.

Dies macht deutlich, dass die Autoindustrie, das Herzstück des deutschen Kapitals, bei der IAA keine nachhaltige Alternative präsentieren kann. Auch nicht, wenn es um die Arbeitsplätze der in der Automobilindustrie beschäftigten Kolleg:innen geht: In den  nächsten 15 Jahren sollen 30 Prozent der Stellen in diesem Sektor abgebaut werden. Die Grünen wollen die Arbeiter:innen und Verbraucher:innen für den Strukturwandel bezahlen lassen, mit teuren E-Autos und höheren CO2-Steuern. Die Rechten von Union, FDP und AfD nutzen den berechtigten Unmut dagegen aus, um Stimmung für den Erhalt der fossilen Wirtschaft und Mobilität zu machen.

Sie wollen den Verbrennermotor mit synthetischen Kraftstoffen (E-Fuels) beibehalten. Sie behaupten, dass diese nicht umweltschädlich seien, eine Lüge, um die Profite der Konzerne zu schützen. Damit würde auch die Belastung durch Abgase weiter steigen, durch die in Deutschland circa 30.000 Menschen jährlich vorzeitig sterben. Für das Image der Autoindustrie wendet der Staat Repression gegen Klimaaktivist:innen an, während Bild und andere Medien die Stimmung gegen die Letzte Generation so aufgeheizt haben, dass selbst Mordfantasien auf breiten Zuspruch treffen. Wir verurteilen jegliche Repression gegen Aktivist:innen, wie wir sie auf der IAA 2021, in Lützerath und gegen die Klimabewegung insgesamt beobachten. Wir fordern die Freiheit für alle politischen Gefangenen und werden uns die Straße nehmen – egal, mit welchem Polizeiaufgebot sie sich uns entgegenstellen werden!

Für eine sozialistische Planwirtschaft

Unsere Perspektive besteht in einer sozialistischen Planwirtschaft, in der nach den Bedürfnissen von Mensch und Natur produziert wird. Wir kämpfen gegen Schließungen, Auslagerungen und Stellenabbau und für die Enteignung der Autokonzerne unter Kontrolle der dort arbeitenden Kolleg:innen. Es gilt, die bisherigen Privatgewinne für die Allgemeinheit zu nutzen und Produktionsprozesse so umzustrukturieren, dass der Aufbau eines klimafreundlichen Verkehrssystem möglich wird. Beispielhaft dafür ist etwa der Automobilzulieferer GKN in Florenz. Seit Juli 2021 besetzen Beschäftigte dort ihr Werk und verbinden die soziale Frage des Erhalts der Arbeitsplätze direkt mit der ökologischen Krise und der Notwendigkeit der nachhaltigen Umstellung der Produktion. Wir fordern: Züge, Trambahnen und Fahrräder statt Verbrenner, E-Autos und Panzer bauen!

Denn die Mobilität, die wir für unsere Zukunft brauchen, beinhaltet nicht noch mehr Förderung des motorisierten Individualverkehrs, sondern einen kollektiven öffentlichen Verkehr, der kostenlos ist und auch tatsächlich funktioniert: in der Stadt und auf dem Land! Dazu müssen die Unternehmen des Nah- und Fernverkehrs erneut verstaatlicht und von Arbeiter:innen kontrolliert werden. Neuerdings fordert die Monopolkommission, die die Regierung in Wettbewerbsfragen berät, die Zerschlagung und Teilprivatisierung des Bahnkonzerns. Entgegen den Behauptungen würde sich dadurch das Chaos auf der Schiene nur noch vergrößern. Zudem würde der daraus resultierende Konkurrenzdruck die ohnehin schon am Limit arbeitenden Beschäftigten noch stärker belasten. Diesen Überlegungen stellen wir die Arbeiter:innenkontrolle über Planung, Organisation und Betrieb gegenüber!

Statt auf die Regierungen und Großunternehmen zu vertrauen, die die Forderungen der Klimabewegung seit Jahren ignorieren und die Klimakrise weiter verschärfen, sind wir davon überzeugt, dass die Umweltfrage nur mit den Kolleg:innen in der Autoindustrie, bei der Bahn und weiteren Branchen zu lösen ist. Die schlechten Arbeitsbedingungen, unter denen die Beschäftigten in den Zuliefererindustrien und globalen Lieferketten für das deutsche Autokapital schuften müssen, zeigen zugleich die Notwendigkeit von international koordinierten Streiks auf. Klimaschutz heißt internationaler Klassenkampf!

In den Gewerkschaften: Für Verstaatlichungen statt konzernfreundliche Politik

Dies bedeutet auch, die Gewerkschaften und vor allem ihre Bürokratie herauszufordern. So will beispielsweise die Führung der IG Metall die von ihr geforderte sozial-ökologische Wende gemeinsam mit den Konzernen durchführen. Sie unterstützt damit E-Auto-Produktion, Stellenabbau und globale Konkurrenz. Währenddessen hat die Führung der Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) um Claus Weselsky erst vor Kurzem durch die Gründung der „Fair Train e.G.“ eine Form der Selbstdemontage bewiesen: Sie sieht ihre Rolle nicht im bedingungslosen Kampf für die Interessen der Beschäftigten, sondern versucht, sich in den Verhandlungen mit den Kapitalist:innen lieber selbst ihr kleines Stück vom Kuchen zu sichern.

Dieses Muster haben wir ebenfalls bei den unterschiedlichen Tarifverhandlungen gesehen, bei denen Reallohnverluste in Kauf genommen wurden, obwohl eine hohe Streikbereitschaft herrschte. Diesbezüglich waren die gemeinsamen Streiks von Fridays for Future und ver.di im Verkehrssektor ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Doch ist es auch notwendig, Streiks nicht nur solidarisch zu begleiten, sondern auch für ihre Ausweitung zu kämpfen, indem die sozialpartnerschaftliche Politik in Frage gestellt wird. Wir müssen daher innerhalb der Gewerkschaften antibürokratische Strömungen aufbauen und für die Selbstorganisierung der Arbeiter:innen kämpfen! Darüber hinaus brauchen wir kollektive Debatten zwischen Schüler:innen, Studierenden und Beschäftigten über gemeinsame Forderungen, Ziele und Kampfpläne. Als Schüler:innen und Studierende müssen wir die Beschäftigten auf ihren Streikposten besuchen und in ihren Kämpfen solidarisch unterstützen. Zugleich müssen wir Vollversammlungen in Schulen und Unis einberufen und die arbeitenden Kolleg:innen hierzu einladen!

Dafür gehen wir am 10. September in München gemeinsam auf die Straße – kommt mit Klasse Gegen Klasse, KGK Workers und Waffen der Kritik gemeinsam mit REVOLUTION in den revolutionären Klassenkampfblock! In einem Workshop auf dem Klimacamp, das vom 5. bis zum 10. September stattfindet, werden wir außerdem darüber diskutieren, welche Strategie wir gegen die Klimakrise brauchen.

Gegen die Messe des Kapitals und ihre Greenwashing-Party! Für eine demokratisch geplante Verkehrswende und Klimagerechtigkeit! Gegen die IAA und für einen internationalen Zusammenschluss der Arbeiter:innen, Unterdrückten, Ausgebeuteten und der Jugend!

Wir fordern:

  • Sofortige Beendigung und Rücknahme der Förderung der IAA aus öffentlichen Geldern! Keine weiteren Subventionen für die Automobilkonzerne!
  • Nein zum 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr! Geld für Soziales, Bildung und Gesundheit statt für Aufrüstung!
  • Enteigung von BMW, VW und allen anderen Großkonzernen der Automobilindustrie unter Arbeiter:innenkontrolle!
  • Streichung aller Auslandsschulden!
  • Kostenloses und unbefristetes Deutschlandticket für alle! Massive Investitionen in den öffentlichen Nah- und Fernverkehr!

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