Hunderte Bergarbeiter in der Türkei gestorben
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Am Dienstag, den 13. Mai, kamen in Soma/Türkei mehrere hundert Minenarbeiter aufgrund der Explosion eines Umspannwerkes zu Tode, Dutzende weitere sind schwerverletzt. Immer noch befinden sich hunderte Arbeiter eingeschlossen in der Grube rund 400 Meter unter Tage. Die Zahl der Toten wird deshalb noch steigen. Aufgrund der hohen Zahl illegal Beschäftigter im türkischen Bergbausektor gibt es keine konkrete Zahl über die eingeschlossenen Minenarbeiter. Klar ist dennoch: Es ist eines der größten Massaker an der ArbeiterInnenklasse in der türkischen Geschichte. Wir betrachten diese Tragödie nicht als ein Arbeitsunfall, sondern als Massaker. Der Ministerproäsident Erdogan relativierte die Toten als Opfer eines normalen Unfalls, forderte die Menschen zu beten auf und erklärte eine dreitätige Staatstrauer. Kurz darauf wurde sein vorbeifahrendes Auto von DemonstrantInnen mit Fäusten und Füßen angegriffen und er musste vor der wütenden Masse in einen Supermarkt fliehen.
Die neoliberale Politik des türkischen Regimes findet ihren Ausdruck in höchst prekären Arbeitsverhältnissen und einem breiten Niedriglohnsektor. Durch fehlende Arbeitssicherheit starben vergangenes Jahr 1203 Menschen bei Arbeitsunfällen,darunter schon einmal neun Minenarbeiter in Soma. Eine Anfrage um die Arbeitssicherheit in Soma von oppositionellen Parteien im April dieses Jahres im Parlament wurde von der Regierung als unbegründet abgelehnt. Das einst staatliche Unternehmen wurde im Zuge der neuen neoliberalen Privatisierungs- und Prekarisierungswelle immer arbeiterfeindlicher. In diesem Bergwerk in Soma gibt es 14 Leiharbeitsfirmen. Viele Minenarbeiter haben über Leiharbeitsfirmen für weniger als den Mindestlohn von umgerechnet 300 Euro gearbeitet. Auch ein illegal beschäftigter 15-jähriger Minenarbeiter war unter den Toten. Die Türkei befindet sich mit den schlechtesten Arbeitsbedingungen in Europa auf dem ersten und weltweit auf dem dritten Platz. Sie bietet den ArbeiterInnen nur katastrophale Bedingungen. Aber man darf sich auch nicht der Illusion hingeben, dass ein „humanerer“ Kapitalismus den ArbeiterInnen bessere Bedingungen bieten würde, vor allem nicht in einem halbkolonialen Land wie der Türkei. Solange die Arbeitsbedingungen bloße Kostenfaktoren für die KapitalistInnen bleiben, werden ArbeiterInnen für die Profite der KapitalistInnen sterben. Nur durch den Sturz des Kapitalismus werden die ArbeiterInnen wirklich würdige und sichere Arbeitsbedingungen erlangen können.
Am Mittwoch fanden in mehreren Städten der Türkei Sutreiks an Universitäten und Demonstrationen gegen die Regierung statt. Die zentrale Forderung der Protestbewegung ist der Rücktritt der Regierung als Verantwortliche des Massakers. Die großen Gewerkschaftsverbände DİSK(Konföderation der revolutionären Arbeitergewerkschaften), Türk-İş (Konföderation der Arbeitergewerkschaften der Türkei), KESK (Konföderation der im öffentlichen Dienst beschäftigten Arbeiter), TMMOB (Gewerkschaft der Architekten und Ingenieure) und TTB (Türkische Ärztegewerkschaft) haben zur Demonstration und für den Donnerstag, den 15.5., zu einem eintägigen landesweiten Streik aufgerufen. Die heuchlerische türkische Regierung hat aufgrund der Ereignisse in Soma eine dreitägige nationale Trauer beschlossen, während sie eigene Hände im Blut der hunderten Bergarbeiter badet.
Die Krise des türkischen Regimes spitzt sich angesichts der ungelösten sozialen Fragen, der harten Arbeitskämpfe und der Konflikte innerhalb der Bourgeoisie zu. Wir unterstützen die Protestbewegungen, die sich gegen die Regierung richten. Wir sind aber der Ansicht, dass die Gewerkschaften über symbolische eintägige Streiks hinaus die Aufgabe haben, zum politischen und ununterbrochenen Generalstreik aufzurufen, bis die Bergwerke unter ArbeiterInnenkontrolle verstaatlicht werden und die verantwortlichen MinisterInnen und der Ministerpräsident zurücktreten. Die Gewerkschaftsbürokratie hat bei den sich verschärfenden Arbeitskämpfen in den letzten Monaten eine bremsende Rolle gespielt. Das bedeutet: Die heroischen Kämpfe der unterdrückten türkischen Massen seit dem Beginn des Gezi-Aufstands in den Straßen und Fabriken erreichten deshalb ihre Grenzen, weil weder innerhalb der Gewerkschaften eine revolutionäre antibürokratische Politik durchgeführt worden ist, noch die Teilnahme der ArbeiterInnenbewegung an den Massenbewegungen über die sporadische Ebene hinaus ging.
Dagegen ist es angesichts der Krise der Regierung, die aufgrund ihrer neoliberalen, antidemokratischen und proimperialistischen Politik immer unbeliebter wird nötig, dass die ArbeiterInnenklasse sich mit den Jugendlichen des Taksimplatzes vereint, mit ihren eigenen Methoden von Streiks, Blockaden und Fabrikbesetzungen, um eine antibürokratische und revolutionäre Alternative der ArbeiterInnen aufzubauen, die die Regierung stürzen und für einen Ausweg der ArbeiterInnen und der Massen aus der Krise kämpfen kann.