Hunderttausende Metaller:innen im Warnstreik
In der laufenden Tarifrunde in der Metall- und Elektroindustrie haben flächendeckende Warnstreiks begonnen. Sie müssen mit dem Kampf gegen Schließungen in der Industrie zusammengeführt werden.
216.000 Beschäftigte haben nach Angaben der IG Metall in den vergangenen Tagen in der Metall- und Elektroindustrie ihre Arbeit niedergelegt. Seit Mitte September laufen dort Tarifverhandlungen. Nun hat die IG Metall zu bundesweiten Warnstreiks aufgerufen, nachdem es in den ersten beiden Verhandlungsrunden nicht zu einer Einigung gekommen war. „Zu spät, zu lang, zu wenig“ kommentierte die größte Einzelgewerkschaft der Welt das Angebot der Gegenseite. In der Nacht auf Dienstag, den 29. Oktober 2024 endete die Friedenspflicht, sodass Streiks wieder möglich wurden.
Die IG Metall verhandelt vor allem um mehr Entgelt für die 3,9 Millionen Beschäftigten in der Branche. Sie fordert sieben Prozent mehr Lohn innerhalb eines Jahres und eine pauschale Erhöhung um 170 Euro pro Monat für Auszubildende. Das Hauptargument für die Lohnsteigerungen sind die Kaufkraftverluste der Beschäftigten nach vielen Jahren hoher Inflation. Die „Arbeitgeber“ bieten stattdessen ab Juli 2025 eine Erhöhung um 1,7 Prozent und ab Juli 2026 weitere 1,9 Prozent mehr, bei einer Vertragslaufzeit von 27 Monaten. Sie begründen dies mit der schwachen wirtschaftlichen Konjunktur und fehlenden Aufträgen in der Industrie.
Ungeachtet der Warnstreiks gehen die Verhandlungen in elf Regionen parallel weiter: Die dritte Verhandlungsrunde für die Metall- und Elektroindustrie läuft bis zum 5. November. Für die vierte Verhandlungsrunde der Bezirke Bayern und Küste am 11. November habe sich die dortige Gewerkschaftsspitze vorgenommen, zusammen mit den Arbeitgebern „eine Lösung zu finden“, teilte Gewerkschaftschefin Christiane Benner mit.
Tarifrunde und Kampf gegen Schließungen zusammenführen
Volkswagen als größter deutscher Autohersteller fällt mit mehr als 120.000 Beschäftigten nicht unter den Flächentarifvertrag. Dort gilt der VW-Haustarifvertrag, über den derzeit ebenfalls verhandelt wird. Die IG Metall hat dort dieselben Forderungen aufgestellt. Die Friedenspflicht endet am 30. November.
Überschattet wird die VW-Tarifrunde aber von der Ankündigung eines Generalangriffs der Konzernspitze auf die Beschäftigten. Der VW-Vorstand will dabei drei der zehn deutschen Werke schließen und auch bei den übrigen VW-Werken sollen etliche Arbeitsplätze wegfallen. Noch dazu sollen die Löhne drastisch gesenkt werden – um 10 bis 18 Prozent. Wie das Handelsblatt am vergangenen Donnerstag berichtete, will der Vorstand mit den Lohnkürzungen die Hälfte des Sparziels erreichen. Die IG Metall nannte die Forderungen der Konzernspitze eine „Giftliste„.
Von der Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Daniela Cavallo kamen widersprüchliche Äußerungen. Bei einer Informationsversammlung für die Belegschaft des Standorts Wolfsburg gab sich Cavallo kämpferisch. „Ich kann nur alle Vorstände und alle an der Unternehmensspitze warnen: Legt Euch nicht mit uns, mit der VW-Belegschaft an“, rief Cavallo den anwesenden Beschäftigten zu. „Ihr steht ganz kurz vor der Eskalation!“ Nach einem weiteren Verhandlungstermin klang sie versöhnlicher. Sie sprach von einem „Marathon“, bei dem nun endlich beide Seiten verstanden hätten, dass sie gemeinsam durchs Ziel müssen.
Dabei haben die VW-Bosse längst klargemacht, welches Ziel sie verfolgen: Die tiefe Krise des Autobauers auf die Beschäftigten abzuladen. Der Drohung mit der Eskalation müssen Taten folgen. Besonders gilt es, die Lohnrunden in der gesamten Metall- und Elektroindustrie mit einem entschlossenen Kampf gegen Schließungen zu verbinden. Mit Warnstreiks wird es dabei nicht getan sein, schon jetzt müssen Erzwingungsstreiks vorbereitet werden.
Einen entsprechenden Vorschlag bringt die Revolutionäre Internationalistische Organisation (RIO) auf der Konferenz der Vernetzung für kämpferische Gewerkschaften (VKG) ein, die an diesem Wochenende in Mainz tagt. Damit die Krise nicht auf die Belegschaften abgewälzt werde, brauche es kürzere Arbeitszeiten bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Komme es zu Schließungen, müssten Standorte entschädigungslos enteignet und unter Kontrolle der Beschäftigten gestellt werden.