Hooligans gegen Salafisten: Was steckt hinter der Randale?

13.12.2014, Lesezeit 8 Min.
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// Hooligans mobilisieren gegen Salafismus, „patriotische Europäer“ hetzen gegen Geflüchtete. Dahinter steckt eine tiefere Entwicklung. //

Plötzlich: Die Kölner Bahnhofsgegend liegt in Trümmern. Durch die Innenstadt ziehen marodierend annähernd 5.000 Gestalten, viele am helllichten Tag sturzbetrunken. Viele Festnahmen gibt es an diesem Tag nicht. Denn hier findet nicht etwa eine linke Demonstration statt, nein, „Deutschland den Deutschen!“, „Hasta la vista, Salafista!“ und ähnliches ist zu hören. Es sind Hooligans, einige als organisierte FaschistInnen bekannt. Sie demonstrieren an diesem 26. Oktober angeblich gegen den Salafismus – „HoGeSa“ betritt die Bühne.

In der Folge versuchen sie, genau so wie viele TrittbrettfahrerInnen, ihren „Erfolg“ im Bundesgebiet zu wiederholen. In Hamburg wollen sie am 15. November aufmarschieren. Nach Warnungen lokaler Hools vor dem Mobilisierungspotenzial der Antifa-Szene in der Hansestadt oder den Ultras des FC St. Pauli lassen sie das aber lieber bleiben. Also Berlin, schon am 9. November. Auch ein Griff ins Klo, am Ende taucht nur eine Handvoll organisierter FaschistInnen am Berliner Alexanderplatz auf, die sich aber letzten Endes wieder unter Polizeischutz in die S-Bahn vor den antifaschistischen GegendemonstrantInnen flüchten müssen.

Also ein erneuter Versuch, am 15. November kommen sie dann tatsächlich in Hannover zusammen. Hier sind sie nur noch knapp 3.000. Doch hier liegt die Initiative wieder auf Seiten der Gegenproteste: es gibt eine Kundgebung eines bürgerlichen Bündnisses, Aktionen der radikalen Linken können den Aufmarsch teilweise empfindlich stören.

Doch wie konnte sich das alles eigentlich entwickeln?

Aus den Stadien…

Machen wir eine Reise in die Vergangenheit. Im Deutschland der 1980er Jahre werden die Kurven der Bundesligisten nicht länger von den sogenannten Kutten dominiert – aus England schwappt die Subkultur der Hooligans über. Für sie wird die leidenschaftliche Unterstützung ihrer Vereine erweitert, wenn nicht ersetzt, durch exzessiven Alkoholkonsum und Schlägereien. Einige Gruppen machen besonders von sich reden, beispielsweise die „Löwen“ des HSV oder die „Borussenfront“ um den Dortmunder BVB. Gerade letztere ist berüchtigt für ihre Jagden auf Nicht-Deutsche: Ihr Anführer Siegfried Borchardt bekommt nicht umsonst bald den Spitznamen „SS-Siggi“ verpasst.

Nicht wenige Fanszenen im deutschen Fußball sind in der Folgezeit für ihre Gewalt und ihre Verbindung zu faschistischen Kreisen bekannt. Doch das hält sich nicht für immer: In den 90ern wird es für die Hooligans immer schwerer. Zum Teil werden ihre Auftritte in den Stadien durch Repression wie Stadionverbote schwächer. Vor allem gewinnen Kurve um Kurve Andere die Hegemonie: Die Ultras bringen, wie auch ihre Vorbilder in Italien, organisierte Strukturen in die Fanszenen und richten den Fokus von der Gewalt auf eindrucksvolle optische und akustische Unterstützung ihrer Mannschaften. Während sie sich in wenigen Jahren zu einer der wichtigsten und größten Jugendkultur im Land entwickeln, übernehmen sie zwar bis auf wenige Ausnahmen den unpolitischen Anspruch von den Hooligans – allerdings eint viele von ihnen ein antirassistischer Konsens.

…über die Wälder auf die Straßen

Die Hooliganszene in Deutschland ist seitdem mit wenigen Ausnahmen weitestgehend aus der Bundesliga verschwunden. Man prügelt sich nun nicht mehr in und um die Stadien, sondern organisiert, teilweise europaweit: Gruppenschlägereien beispielsweise in Wäldern, fernab der Öffentlichkeit. Doch in den letzten Jahren versuchen gerade faschistische Hoolgruppen die Schwächung der Ultra-Bewegung durch fortdauernde Repression zu nutzen, um wieder in die Stadien zu drängen. Sie nutzten die Bildung rechtsoffener Ultragruppen. Die „Bandidos“ aus Dortmund entwickelten Kontakte zu der alten Borussenfront, die neuerdings wieder in Erscheinung tritt. In Aachen konnte die „Karlsbande“ die antidiskriminatorischen Aachen Ultras (ACU) aus dem Stadion drängen und baute Kontakte zu der Aachener Kameradschaftsszene auf. Gemeinsam haben sie mit einigen anderen Gruppen aus dem Bundesgebiet, dass sie eine wichtige Rolle bei der Reintegration von rechten Hoolgruppen in die deutschen Fußballfanszenen spielen.

Unter dem Namen „GnuHonnters“ vernetzten sich die brauen SchlägerInnen zuerst im Internet, um gegen linke, antirassistische Ultras vernetzt vorzugehen. Schnell entdeckten sie aber ein erfolgsversprechenderes Ziel: Auf Grundlage von antimuslimischen Rassismus wurde der Versuch unternommen, Anschluss an breitere gesellschaftliche Sektoren zu finden.

HoGeSa war dabei offensichtlich nie eine spontane, „unpolitische“ Entwicklung unter Fußballfans. Organisierte Reaktionäre und FaschistInnen nahmen von Anfang an bestimmende Positionen ein. Die HoGeSa-Demonstration in Köln beispielsweise wurde von einem Funktionär der antimuslimischen Organisation Pro NRW angemeldet. Auch Siegfried „SS-Siggi“ Borchardt war wieder mit von der Partei. Er hat nicht nur als graue Eminenz der rechten Hoolszene eine Rolle bei der Bildung von HoGeSa gespielt, er ist auch mittlerweile einer der AnführerInnen der faschistischen Partei „Die Rechte“, für die er einige Zeit im Dortmunder Stadtrat saß.

Reaktionäre Auswege?

Das Phänomen „HoGeSa“ ereignet sich vor einem bestimmten politischen Hintergrund in der Bundesrepublik. Angesichts der noch neuen deutschen Hegemonie in Europa und des Siechtums des politischen Regimes außerhalb der CDU, insbesondere der FDP, beginnt das Kleinbürgertum nach reaktionären Antworten auf die Krise zu suchen. Die Erfolge der AfD bei Europa- und Landtagswahlen sind nur ein Zeichen dessen. Nicht nur mit Sportevents wie den Fußballweltmeisterschaften kann die deutsche Bourgeoisie immer mehr offene patriotische und nationalistische Positionen wieder als Konsens in breiten Bevölkerungsschichten durchsetzen.

Auch angesichts der Barbarei der Kämpfer des Islamischen Staates kann an einen weit verbreiteten antimuslimischen Rassismus angeknüpft werden. Das nutzt nicht nur die Bundesregierung, um von links nach rechts um Unterstützung für Militäreinsätze im Nahen Osten zu werben. Auch die FaschistInnen hinter HoGeSa profitieren von dieser Grundstimmung. Nationalismus und Islamfeindlichkeit finden ihre so hässliche wie logische Folge. In diesem Sinne sind diese Hooligans alles andere als eine Ausnahmeerscheinung, sondern lediglich die konsequentesten VertreterInnen einer allgemeinen Bewegung im Lande des aufstrebenden Hegemon Deutschland.

Eine neue Dynamik?

Andererseits muss gesehen werden, dass die außergewöhnliche unkontrollierte Gewalt in Köln bisher relativ einzigartig ist. HoGeSa konnte ihren Erfolg bisher nicht wiederholen, trotz mehrerer vergeblicher Versuche. Dennoch gibt es seitdem weniger brutale Phänomene, die an die neugewonnene Aufmerksamkeit anzuknüpfen versuchen. Da ist nicht nur die offen faschistische Veranstaltung „SaGeSa“ (Saarländer gegen Salafismus), sondern auch und vor allem die „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida), die in Dresden regelmäßig Demonstrationen organisieren. Im Oktober noch relativ klein, wuchsen die Demonstrationen schnell an. Am 1. Dezember waren 7.500 „patriotische Europäer“ auf der Straße. Dort machten sie relativ offen klar, dass es mitnichten gegen die Barbarei des IS oder den reaktionären Salafismus geht – es wurden ebenfalls härtere Repressionen gegen Geflüchtete oder die Bewahrung einer „deutschen Identität“ gefordert.

Dabei ist auch nicht zu vergessen, dass momentan ein Wiederaufkommen von Bewegungen gegen Geflüchtete zu beobachten ist, wie z.B. in den Berliner Stadtteilen Marzahn, Buch und Köpenick. FaschistInnen hetzen wöchentlich als „AnwohnerInnen“ gegen sogenannte „Asylantenheime“ oder „Asylmissbrauch“ auf. Auch hier können sie breitere Bevölkerungsschichten mit rassistischer Hetze ansprechen, nachdem bürgerliche Medien und PolitikerInnen über Jahre mit Hetze und Angriffen das Feld vorbereitet hatten.

Was kommt?

Angesichts der erwähnten Probleme von HoGeSa, ihren Auftritt in Köln zu wiederholen, ist es wohl legitim, davon auszugehen, dass es sich dabei weniger um eine neue Bewegung handelt als viel eher ein einzelnes Phänomen einer allgemeinen Dynamik. Als solches konnte es auch weniger neue Schichten erreichen, sondern brachte die Hooliganszene wieder an das Licht der Öffentlichkeit, vor dem sie lediglich zeitweise verborgen war. Allerdings besteht die Tatsache, dass dies unter der Klammer einer politischen Thematik geschehen ist. Offen bleibt deswegen die Frage, ob dieses Ereignis beispielsweise durch das Zusammengehen mit dem existierenden militanten Faschismus eine neue Qualität und Dynamik der faschistischen Straßengewalt in Deutschland verursachen kann.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen steht möglicherweise die Entstehung eines neuen antifaschistischen Potentials unter Jugendlichen. Nach einer Krise, die die Antifa-Bewegung in der letzten Zeit durchmachte, in deren Rahmen sich mehrere wichtige Gruppen auflösten oder in breiteren Organisationen aufging, könnte sich hier möglicherweise eine neue Dynamik antifaschistischer Gruppen und Aktionen entwickeln.

MarxistInnen müssen angesichts solcher Bewegungen die konsequenteste Front gegen die neuen rassistischen Phänomene aufbauen, aber dabei auch die Grenzen der autonomen Militanz der klassischen Antifa-Bewegung aufzeigen. Eine klare antiimperialistische und antirassistische Positionierung ist notwendig, um neuen reaktionären Bewegungen entgegen zu treten. Allein die ArbeiterInnenklasse kann effektiv faschistische Massenaufmärsche verhindern, ganz zu schweigen von der Beseitigung des Systems, dass den Faschismus hervorruft.

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