#holmbleibt: Wie kann der Kampf gewonnen werden?

23.01.2017, Lesezeit 5 Min.
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Seit fünf Tagen ist das Institut für Sozialwissenschaften (ISW) der Humboldt-Univeristät zu Berlin nun besetzt. Welche Perspektiven hat die Besetzung und wie kann der Kampf gewonnen werden?

Hunderte Studierende protestieren seit Tagen für die Rücknahme der Entlassung des Stadtsoziologen Andrej Holm durch die HU-Präsidentin Sabine Kunst. Die Besetzung hat viele kreative Formen und noch mehr politische Diskussionen hervorgebracht: Neben der konkreten Forderung in Bezug auf Holm werden in fast jedem Plenum Forderungen zu einer Wohnungspolitik im Interesse der Mieter*innen, einem Ende der Kürzungen an den Universitäten, der Demokratisierung universitärer Strukturen und mehr Räumen für studentische Selbstorganisation, mehr kritischer Lehre sowie einem Ende prekärer Arbeitsverhältnisse an der Universität diskutiert und verabschiedet.

All diese Forderungen sind progressiv und Ausdruck einer graduellen Rückkehr einer Studierendenbewegung an den deutschen Universitäten. Doch leider fehlt eine Diskussion bisher fast völlig: Wie – und mit welchen Verbündeten – kann der Kampf gewonnen werden?

Der Kampf – das ist die Rücknahme der Kündigung Holms, doch das ist auch die Auseinandersetzung mit der rot-rot-grünen Regierung um eine andere Wohnungspolitik, mit dem Wissenschaftssenat um eine Ausfinanzierung der Hochschulen, mit den Präsidien und Akademischen Senaten der Berliner Universitäten um eine Demokratisierung der Universitäten, mit den Fakultäten und Instituten um mehr feste Stellen für Lehre, und so weiter und so fort.

Seit der Bildungsprotestwelle 2009-11 hat es keine längeren Instituts- oder Universitätsbesetzungen gegeben. Der Fall Andrej Holm ist ein politisch besonders aufgeladener Fall, der eine über das Institut für Sozialwissenschaften, an dem Holm lehrt, hinaus eine Signalwirkung hat. Zwar passiert es an deutschen Universitäten immer wieder, dass linke Dozent*innen aus fadenscheinigen Gründen abgesägt werden, doch die politische Brisanz bei Holm hat durch die Verbindung zur rot-rot-grünen Regierung eine andere Qualität.

Es wäre deshalb ein umso wichtigeres politisches Symbol, welches weit über Berlin hinaus Funken schlagen könnte, wenn die Besetzer*innen den Kampf um Holms Arbeitsplatz gewinnen – besonders, wenn sie eine Perspektive der Verbindung der Kämpfe in den Vordergrund stellen.

Auf der Ebene der Forderungen hat dieser Prozess längst begonnen: Stadt- und wohnungspolitische Forderungen stehen neben universitären Themen, soziale und gewerkschaftliche Forderungen reihen sich in Debatten über Demokratisierung und Selbstverwaltung ein.

Die ersten Schritte der Vernetzung über das Institut hinaus sind beispielsweise mit der Einladung an Mieter*innen-Initiativen zu Diskussionen im besetzten Institut schon getan. Lasst uns auch die Initiativen kämpferischer Beschäftigter in Berlin, die sich auch zum Teil schon mit der Besetzung solidarisiert haben, zu einem Austausch einladen.

Wir müssen uns mit den Beschäftigten an der Universität verbinden. Ihre Solidarität ist nicht nur eine moralische Stärkung des Protests, sondern geradezu eine Voraussetzung dafür, dass der Protest ausgeweitet werden kann. Nur gemeinsam mit ihnen können wir die Forderungen nach einem Ende der prekären Arbeitsverhältnisse, der Sparpolitik und für kritische Lehre und Forschung an der Universität durchsetzen.

Dazu brauchen wir dringend eine Diskussion um einen Kampfplan zur Erreichung unserer Ziele. Welche sind die Minimalforderungen zur Aufrechterhaltung der Besetzung? Welche Vorschläge machen wir potenziellen Verbündeten? Welche Schritte gehen wir für eine langfristige Organisierung für unsere Forderungen?

Die politischen Bedingungen für diese Diskussion sind gut: Es gibt einen breiten Support unter Studierenden, Uni-Beschäftigten und politischen Organisationen dafür, dass Holm an der HU bleiben kann. Der rot-rot-grüne Senat befindet sich mitten in seiner ersten handfesten politischen Krise, die durch Mobilisierungen auf der Straße ausgenutzt werden kann. Verschiedene gewerkschaftliche Kämpfe werden gerade vorbereitet: für einen Tarifvertrag für studentische Beschäftigte oder für eine Tariferhöhung im TVöD. Und im vergangenen Jahr haben verschiedene Betriebe im Verantwortungsbereich des Landes Berlins – wie die Charité und CFM, Vivantes, der Botanische Garten der FU Berlin, und weitere – Auseinandersetzungen geführt, die auf neue Kampferfahrungen und Kampfeswillen hinweisen.

Deshalb kann es nicht länger nur darum gehen, was das Programm der Besetzung an der HU ist, sondern wir müssen die Frage beantworten, wie wir die anstehenden Kämpfe ausweiten und miteinander verbinden können, und welche Schritte die nächsten für einen Kampfplan sind, der nicht nur das HU-Präsidium, sondern den rot-rot-grünen Senat unter Druck setzen kann.

  • Der Protest muss sich auch auf die Dozent*innen und sonstigen Beschäftigten des Instituts ausweiten. Rufen wir sie zu einem gemeinsamen Treffen auf.
  • Gehen wir auf GEW und ver.di an der HU zu und fordern wir sie auf, eine Versammlung aller Beschäftigten einzuberufen, um Aktionen zu diskutieren.
  • Die studentischen Hilfskräfte, die gerade eine Tarifkampagne beginnen, müssen in den Kampfplan einbezogen werden. Lasst uns ihren Kampf mit dem Kampf gegen Holms Entlassung verbinden.
  • Am Donnerstag findet ein Warnstreik des TVöD statt. Rufen wir alle Studierenden dazu auf, den Streik zu unterstützen, und gehen wir auf die Berliner Gewerkschaftsspitzen mit der Forderung zu, nicht nur Andrej Holm, sondern auch den Kampf gegen prekäre Lehre an der Universität mit uns zu kämpfen.

 

Diese Schritte könnten ein Anfang sein, um die Besetzung über sich selbst hinaus zu führen. Die Devise des Kampfes heißt Ausweitung auf andere Sektoren.

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