Hochschulaktionstag in München: „Polizei­gewerkschafter“ bedrängt solidarische Studierende

21.11.2023, Lesezeit 5 Min.
1
Bild: KGK

An der Streikdemonstration der Länderbeschäftigten am Hochschulaktionstag nahm in München auch das Unikomitee für Palästina teil. Das passte der sogenannten „Gewerkschaft der Polizei“ nicht. Einer ihrer Vertreter versuchte vergeblich, die Studierenden zu vertreiben.

In rund 50 Städten wurde am Montag an den Hochschulen gestreikt. Unter dem Motto „Schluss mit prekärer Wissenschaft“ gingen studentische Beschäftigte, Wissenschaftler:innen und nicht-wissenschaftliches Personal gemeinsam für bessere Studien- und Arbeitsbedingungen auf die Straße. Die studentischen Beschäftigten kämpfen für einen eigenen Tarifvertrag, einen TVStud – das wäre auch in Bayern eine neue Errungenschaft. 2.500 Menschen beteiligten sich nach Angaben der Gewerkschaft ver.di an der Abschlusskundgebung vor der Technischen Universität.

Unterstützt werden sie dabei von studentischen Initiativen. Dazu gehörte in München auch das Unikomitee für Palästina, das sich erst in der Vorwoche mit rund 50 Teilnehmer:innen gegründet hat. Auf Schildern brachten die Studierenden ihre Solidarität mit den Streikenden zum Ausdruck. „Für gerechte Bedingungen für alle akademischen Beschäftigten“ war darauf zu lesen.

Das passte nicht allen Teilnehmer:innen auf der Demonstration. Neben den Universitätsangehörigen streikten in München etwa auch die Beschäftigten der Staatstheater sowie des Landesamtes für Denkmalpflege. Am Residenztheater fiel am Abend die Vorstellung von „Peer Gynt“ aus. Auch Mitglieder der sogenannten „Gewerkschaft der Polizei“ (GdP) sind vom Tarifvertrag der Länder (TVL) betroffen und so nahmen auch einige Angehörige der Polizei mit ihren grünen Mützen an der Demonstration teil.

Das wäre Grund zur Aufregung genug. Schließlich sind Polizist:innen keine Arbeiter:innen. Ihre „Gewerkschaften“ sind demnach bestenfalls politisch rechtsstehende Interessenvertretungen. In Deutschland hat zuletzt der Hafenstreik in Hamburg vergangenes Jahr deutlich gezeigt, auf welcher Seite die „Kolleg:innen von der Polizei“ im Zweifel stehen. Dort gingen sie mit brutaler Gewalt gegen eine Streikdemonstration vor.

Doch obwohl es sich bei dem Streiktag um einen bundesweiten Hochschulaktionstag handelte, entschied sich die Münchner Gewerkschaftsbürokratie um den ver.di-München-Geschäftsführer Heinrich Birner, der die Versammlung leitete, dass die GdP-Abordnung die Demonstration anführte. Die Hochschulbeschäftigten, die an diesem Tag eigentlich im Fokus stehen sollten, folgten erst viel weiter hinten. Das allein zeigt bereits, wie wenig demokratische Kontrolle die Bürokratie in den Gewerkschaften den Kolleg:innen an der Basis zu gewähren bereit ist.

Auch in manchen Medien konnte man deshalb einen völlig falschen Eindruck von dem Streiktag gewinnen. So veröffentlichte der regionale Fernsehsender münchen.tv einen Videobericht von der Aktion und nannte sie einen „Warnstreik der GdP“. Zu Wort kamen ausschließlich Angehörige der GdP. 800 Tarifbeschäftigte der Polizei hätten sich vor dem Finanzministerium versammelt. Das ist eine dreiste Lüge. Von den hunderten Menschen, die sich auf dem Odeonsplatz zur Demonstration aufgestellt hatten, war nur ein Bruchteil von der GdP – wie selbst auf dem gesendeten Videomaterial deutlich zu erkennen ist.

Erfolglose Drohgebärden

Dass es sich bei der GdP nicht einfach um eine weitere Gewerkschaft im DGB handelt, die von den gleichen grundlegenden gewerkschaftlichen Werten getragen ist, wurde schließlich während der Abschlusskundgebung deutlich. Kilian Gremminger stand als Kollege der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) und studentischer Beschäftigter auf der Bühne. Er forderte angesichts von Kürzungen beim Bafög und fehlender Grundfinanzierung für die Universitäten: „Deswegen müssen wir ganz klar sagen: statt 100 Milliarden für die Bundeswehr, brauchen wir 100 Milliarden für Bildung und Gesundheit!“ Die Streikenden vor der Bühne antworteten mit Applaus, zustimmenden Rufen und Tröten – nur unter die Anwesenden in grün blieben stumm.

Ganz andere Töne schlug hingegen Reinhard Brunner in seiner Rede an. Der stellvertretende Vorsitzende der GdP Bayern forderte nicht nur höhere Entgelte. Er behauptete auch, dass bei so geringen Löhnen eine Erhöhung des Bürgergelds dazu führe, dass sich Leistung nicht mehr lohnt. Das sind Aussagen, die vielleicht auf eine Wahlkampfveranstaltung der FDP oder an einen CSU-Stammtisch gehören. Auf einer Gewerkschaftskundgebung hat ein so schamloses Nach-unten-Treten nichts verloren.

Ein weiterer Skandal jedoch blieb von der Mehrheit der Zuhörer:innen unbemerkt. Gleich zwei Mal kam ein Mann mittleren Alters in GdP-Jacke zu den solidarischen Unterstützer:innen aus dem Unikomitee für Palästina und forderte sie auf, das Plakat herunterzunehmen. Man wolle auf dieser Veranstaltung keine Politik. Einen Versuch, dem Studierenden das Plakat gewaltsam zu entreißen, brach er ab, als er damit die Aufmerksamkeit der Umstehenden auf sich zog. Als er nach einigen Minuten wiederkam, behauptete er, stellvertretender Versammlungsleiter zu sein. Dabei bedrängte er den Studierenden körperlich und drohte mit einem Ausschluss von der Versammlung, sollte dieser seiner Anweisung nicht sofort nachkommen. Nachdem sich einige Umstehende eingemischt hatten, zog er erneut ab.

Eine solche Provokation verurteilen wir auf das Schärfste. Nicht erst seit diesem Vorfall ist klar: Im Deutschen Gewerkschaftsbund haben Organisationen wie die GdP nichts verloren.

Die Gewerkschaften fordern in der Tarifrunde für die Beschäftigten der Länder 10,5 Prozent und mindestens 500 Euro mehr Lohn. In München ruft ver.di am Donnerstag und Freitag die Beschäftigten an den Unikliniken und dem Deutschen Herzzentrum zum Streik auf. Die dritte Verhandlungsrunde findet am 7. bis 9. Dezember 2023 in Potsdam statt. Davor ist auch mit weiteren Arbeitsniederlegungen an den Universitäten zu rechnen. Der nächste branchenübergreifenden Streiktag wird in München der 5. Dezember sein.

Mehr zum Thema