Hitzewellen: Auf dem Weg zu einem neuen Katastrophensommer?

17.07.2023, Lesezeit 6 Min.
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Während eine Studie erklärt, dass Hitzewellen in Europa im Jahr 2022 zu 60.000 Todesfällen geführt haben, treffen extreme Temperaturen die am meisten gefährdeten und ausgebeuteten Menschen auf der ganzen Welt hart. Ein klimatisches Inferno, das dringend gelöscht werden muss.

In einer aktuellen Studie, die im Nature Medicine erschien, wird anhand einer Datenanalyse die verheerende Wirkung der Hitzewellen des Sommers 2022 in Europa abgeschätzt. Auf der Grundlage von Temperatur- und Sterblichkeitsdaten aus 823 Regionen in 35 europäischen Ländern zwischen dem 30. Mai und dem 4. September 2022 schätzten die Forscher:innen die Zahl der Menschen, die in diesem Zeitraum in Europa an den Folgen der Hitze gestorben wären, auf 61.672. Darüber hinaus zeigt die Studie auch die Identifizierung der am stärksten betroffenen Bevölkerungsgruppen. Die höchsten Sterblichkeitsraten wiesen laut der Studie Menschen über 80 Jahre auf. Ebenso waren 56 Prozent der hitzebedingten Todesfälle Frauen. Darüber hinaus zeigt die Grafik die schrecklichen Folgen der extremsten Hitzewelle zwischen dem 18. Juli und dem 24. Juli 2022, als die Welt wieder mit extremen Temperaturen zu kämpfen hatte, auch in den Zielgebieten der Untersuchung.

Tatsächlich gehörten zu den europäischen Ländern mit der höchsten hitzebedingten Sterblichkeit Italien, Griechenland, Spanien und Portugal mit 295, 280, 237 beziehungsweise 211 Todesfällen pro eine Million Einwohner. Diese Länder, die häufig von Hitzewellen heimgesucht werden, haben bereits eine historische Winterdürre erlebt.
In Süd- und Mittelitalien lagen die Temperaturen zwischen 28 und 35 Grad Celsius, mit Spitzenwerten von über 40 Grad Celsius. In der italienischen Lombardei gab es in den letzten Tagen einen schweren Unfall. In Lodi in der Lombardei starb ein 44-jähriger Bauarbeiter an den Folgen einer Hitzeerkrankung, als er gerade dabei war, die Linien für eine Straße zu ziehen. Diese abscheuliche Situation könnte sich wiederholen, da in Sizilien und Sardinien laut der Europäischen Weltraumorganisation Rekordtemperaturen von über 48 Grad Celsius erwartet werden. In ähnlicher Weise erlebte Spanien mehrere Tage über 45 Grad Celsius in Andalusien, Griechenland erwartet schwierige Tage über 40 Grad Celsius in Zentralgriechenland, bevor Anfang der Woche eine neue Hitzewelle einsetzt.

Die Lage ist bei weitem nicht nur in Europa kritisch, sondern auch in Nordafrika, Amerika und Südasien. Von Algerien bis Tunesien erlebten einige Regionen Nordafrikas in den letzten Tagen Temperaturen von fast 50 Grad Celsius. In Tunesien wurden Migrant:innen in der Nähe von Libyen ausgesetzt und von der tunesischen Regierung, die als Grenzschutz der Europäischen Union fungiert, bei diesen extremen Temperaturen ihrem Schicksal überlassen.
In Nordamerika sind einige Bevölkerungsgruppen noch immer von den laufenden historischen Bränden in Kanada betroffen, die bislang 10 Millionen Hektar Wald vernichtet haben, aber auch von den Überschwemmungen in Vermont. Andere erleben Hitzewellen im Südwesten der USA, wo am Wochenende bis zu 56 Grad Celsius erwartet werden. Ähnlich in Mexiko: In der New York Times berichten Bewohnerinnen von Hermosillo im Nordwesten Mexikos von ihrem Martyrium. So erklärt beispielsweise die Tankwartin Isabel Rodríguez: „Es ist, als würde man mich mit Feuerbällen bewerfen“. María Ángeles López, eine Hausfrau und Mutter eines Mädchens, sagte aus: „Es ist so heiß, dass es sich anfühlt, als würde es deine Haut garen“. Sie fügt hinzu, dass sie versucht, den Gebrauch von Klimaanlagen einzuschränken, um die Stromrechnung zu senken. In China könnten die Stromnachfrage und die Stromrechnungen auch aufgrund von Hitzewellen mit Temperaturen von bis zu 50,7 Grad Celsius im Turpan-Becken, der höchsten jemals in China gemessenen Temperatur, explodieren. Laut AP soll eines der größten Unternehmen am Montag einen Rekord bei der Stromerzeugung vermeldet haben. In Städten wie Wuhan und Hangzhou wurden zudem Luftschutzbunker als Notkühlungszentren eröffnet.

Eine Zukunft als klimatisches Inferno, das wir so schnell wie möglich löschen müssen

Über die aktuellen Hitzewellen hinaus wird die globale Erwärmung mit den Arbeitgeber:innen und Staaten an den Schalthebeln der Macht nicht aufhören oder sich verlangsamen. Sie verursacht nur immer mehr Todesfälle unter den am meisten Ausgebeuteten und Unterdrückten. Laut der Untersuchung des Nature Magazine wird der „Hitzetod“ tendenziell weiter zunehmen, wobei für 2030 in Europa 68.000 hitzebedingte Todesfälle und bis 2040 bis zu 94.000 prognostiziert werden. Nach einem Juni, der als der heißeste Monat aller Zeiten gilt, spitzt sich die Lage für Millionen von Menschen weiter zu, vor allem für die am stärksten gefährdeten Bevölkerungsgruppen und die Menschen in den beherrschten Ländern. Die wiederholten Hitzespitzen verschärfen die strukturellen Ungleichheiten von Ausbeutung und Imperialismus für die am stärksten benachteiligten Menschen auf der ganzen Welt: Stadtplanung und Qualität der Wohnungen, Energiestabilität, Grünflächen und Zugang zu Kühlungsmöglichkeiten, aber auch die Einstellung der nicht notwendigen Produktion bei extremen Wetterereignissen werden zu lebenswichtigen Maßnahmen, die errungen werden müssen, um das Leben von Millionen von Menschen zu schützen.

Eine notwendige Anpassung an die aktuelle Krise, um zu verhindern, dass die Ausgebeuteten und Unterdrückten die Kosten mit ihrem Leben bezahlen, muss gleichzeitig die Verantwortlichen für die Krise treffen. Andreas Malm erklärt diese Verantwortung in dem Text “Theorie und Praxis der Carbongewalt” folgendermaßen: „Wer ist für die Planung dieser potenziellen Quelle der Massenvernichtung verantwortlich? Ist es der normale motorisierte Stadtbewohner in den USA oder in Frankreich? Oder eher die Eigentümer von Total und der politisch-industrielle Komplex, der sie unterstützt? Wie dem auch sei, eines ist klar: Die aus der Erde geförderten fossilen Brennstoffe müssen als Projektile betrachtet werden, die wahllos auf die Menschheit abgefeuert werden, hauptsächlich auf den Teil der Menschheit, der im globalen Süden lebt“. In einer Zeit, in der sich die wissenschaftliche Gemeinschaft fragt, ob wir nicht einen „Kipppunkt“ in der Klimakrise erreicht haben, in der Anfang Juli an sieben aufeinanderfolgenden Tagen absolute Temperaturrekorde gebrochen wurden, muss alles unternommen werden, um das Feuer zu löschen.

Während Patrick Pouyanné, Vorstandsvorsitzender von Total Energies, vom französischen Staat einen Orden verliehen bekommt, der die massiven Plünderungen und Umweltverschmutzungen des Unternehmens im Dienste des französischen Imperialismus belohnt, muss das Problem an der Wurzel gepackt werden. Indem die Bosse bekämpft werden, die den Planeten und die Staaten, die ihnen zu Diensten sind, ruinieren. Dieser Kampf kann nur frontal geführt werden, wenn wir uns um die Arbeitnehmer herum organisieren, die aufgrund ihrer zentralen Stellung im Produktionssystem in der Lage sind, der Zerstörung, die es für die Interessen einiger weniger hervorbringt, Einhalt zu gebieten.

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