Helios-Klinik Pforzheim rühmt sich für hohe Gewinne: Warnstreiks gegen Profitgier
Am 18. Januar haben Beschäftigte aus dem Gesundheitswesen am Helios Klinikum in Pforzheim gestreikt. Die Gewerkschaft ver.di fordert eine Lohnerhöhung von 5,5 Prozent und eine Laufzeit von 12 Monaten sowie weiterhin Kinderbetreuungszuschuss. Der Stay-at-home-Warnstreik fand innerhalb der Tarifverhandlungsrunde zwischen der Gewerkschaft ver.di und den Helios-Kliniken statt.
Helios ist der größte private Krankenhauskonzern in Deutschland, mit ungefähr 60.000 Beschäftigten. Mehr als ein Drittel von ihnen sind von den momentanen Tarifverhandlungen um den Konzerntarifvertrag betroffen.
In einer Stellungnahme der Helios-Klinik Pforzheim als Antwort auf die vergangenen Streiks im Dezember wurde kritisiert, dass es ein schlechter Zeitpunkt wäre um zu streiken. Auch auf die jüngsten Streiks reagiert die Geschäftsführung in ähnlicher Art und Weise. Es ist allgemein eine umstrittene Frage, was die Grenzen eines Streiks innerhalb der Pandemie sind. Denn oft werden den Streikenden – vor allem in essentiellen Sektoren – Vorwürfe gemacht. Beispielsweise, dass sie ihre Patient:innen nicht verantwortungsvoll versorgen und die Tragweite der Situation nicht erkennen würden.
Aber genau, weil wir das tun und wollen, müssen wir streiken. Es gibt das wissenschaftliche und technische Potenzial und vor allem die Fähigkeiten und den Willen der Beschäftigten, eine angemessene Gesundheitsversorgung zu leisten. Wir Gesundheitsarbeiter:innen wollen unsere Patient:innen gut versorgen. Aber in diesem Gesundheitssystem werden wir davon abgehalten. Wir können so nicht weiterarbeiten, weil wir psychisch und physisch krank davon werden. Wir müssen die Möglichkeit haben zu entscheiden, wie wir arbeiten. Und um das zu erkämpfen, müssen wir streiken.
Wer profitiert von der Pandemie?
Der private Krankenhauskonzern Helios wirbt in seiner Stellungnahme für das eigene Unternehmen, hebt die Gewinne und die gute Dienstleistung hervor. Dabei verursacht die Privatisierung der Krankenhäuser eine Verschlechterung im gesamten Gesundheitssektor und ist verantwortlich dafür, dass überlastete Beschäftigte die Patient:innen versorgen. Durch die Profitorientierung des gesamten Sektors mit Sparmaßnahmen wie dem Fallpauschalensystem und zunehmender Privatisierung der Krankenhäuser werden Arbeiter:innen zu schlechteren Arbeitsbedingungen gezwungen. Es ist dreist, für das eigene Unternehmen zu werben, in dem Moment, in dem die Beschäftigten für bessere Arbeitsbedingungen streiken.
Eine Verschlechterung kommt selten allein. Zur neoliberalen Politik gehören neben Profitmaximierung und Sparmaßnahmen im lebenswichtigen Gesundheitssektor auch Privatisierungen in anderen Bereichen. Deshalb müssen wir dagegen kämpfen, so zum Beispiel auch gegen die Privatisierungen der bayerischen Hochschulen. Wir spüren täglich die Auswirkungen dieser Maßnahmen und wissen, wo die Probleme liegen. Nur wenn diese Institutionen verstaatlicht und unter Kontrolle der Beschäftigten gestellt werden, können sie wirklich im Interesse der Patient:innen, der Studierenden und der Beschäftigten betrieben werden.
Während Elon Musk von der Pandemie profitierte und zum reichsten Mann der Welt wurde, haben auch andere Kapitalist:innen wie Familie Voith, der Milliardär Benko oder die mit 9 Milliarden Euro staatlich unterstützte Firma Lufthansa zehntausende Arbeiter:innen entlassen. Alles reiche Menschen und Unternehmen.
Auch die Geschäftsführung der Helios-Klinik Pforzheim betont in ihrer Stellungnahme, wie viele Gewinne sie macht und wie toll ihr Unternehmen wäre, während die Arbeiter:innen des Krankenhauses eigentlich klar machen, wie schlecht es ihnen geht. Die Versuche der Arbeiter:innen, ihre Arbeitsbedingungen und Löhne in diesem Unternehmen verbessern zu wollen, werden von der Geschäftsführung abgelehnt. Die Beschäftigten sollen die Wirtschaft und den Gesundheitssektor kontrollieren, damit das Menschenleben vor den Profit einzelner wenigen Menschen gestellt wird.
Welche Aufgaben kommen auf Gewerkschaften zu?
Gewerkschaftssekretär Janus sagt, “ein Warnstreik wie dieser in Pforzheim sei immer die „ultima ratio“. In Corona-Zeiten setze man bei ver.di auf Kreativität: Schon bei der großen Tarifrunde im öffentlichen Dienst habe man gezeigt, dass ein Streik auch auf andere Weise möglich ist, unter anderem mit einem Basteltisch, der es den Streikenden ermöglichte, ihre Forderungen und Wünsche auf bunte Schilder zu schreiben.”
Außerdem rief ver.di in Pforzheim zum “Stay-at-Home”-Streik auf. Diese Einschränkungen geben dem Streiken einen individualisierten Charakter, aber gerade im Streik und im Arbeitskampf gibt es die große Chance, Klassenbewusstsein zu schaffen und somit Veränderungen zu bewirken. Zumindest gab es vor dem Klinikum einen Streikposten als Anlaufstelle.
Klar ist, dass mit dem Streik keine Ansteckungs- und Verbreitungsgefahr des Coronavirus einhergehen darf. Doch seit Beginn der Pandemie arbeiten viele Beschäftigte im Krankenhaus unter extremer Belastung und sind einem hohen Ansteckungsrisiko ausgesetzt, weil sie sich teilweise nicht ausreichend schützen können. Auch der Weg zur Arbeit ist für viele ein Risiko. Natürlich müssen Gesundheitsarbeiter:innen weiter arbeiten, aber es gibt für alle ein höheres Risiko der Ansteckung, wenn der ÖPNV voll mit Menschen ist, die unnötigerweise zur Arbeit fahren.
Es ist absurd, dass wir all das leisten müssen, aber nicht draußen mit Abstand vor Corona gesichert mit unseren Kolleg:innen streiken können, sondern zuhause bleiben sollen.
Im öffentlichen Dienst haben letztes Jahr bundesweit zehntausende Beschäftigte für bessere Arbeitsbedingungen und Lohnerhöhung gestreikt, unter anderem auch Beschäftigte aus dem Gesundheitssystem aus kommunalen Krankenhäusern. Die Auswirkungen und Belastungen der Coronakrise sind für sie besonders spürbar, weshalb es auch eine hohe Streikbereitschaft gab. Doch die Ergebnisse der TVÖD-Verhandlungen waren ein Angriff für diejenigen, welche die Folgen der Krise tragen.
Es waren Kompromisse zugunsten der Bosse, wovon die meisten Beschäftigten im öffentlichen Dienst wenig spüren. Merkliche Veränderungen gab es für das Pflegepersonal, was längst überfällig war. Dass es für unterschiedliche Sektoren unterschiedliche Behandlung ihrer Probleme gibt, ist wieder eine Maßnahme, die die Beschäftigten der einzelnen Sektoren voneinander spaltet.
Dieses Problem zeigt sich auf so vielen Ebenen. Zum Beispiel ist von den momentanen Tarifverhandlungen bei Helios ein Großteil der Beschäftigten gar nicht betroffen, weil sie nicht nach (diesem) Tarifvertrag bezahlt werden. Es sind Kolleginnen aus der Reinigung, Wäscherei oder Küche, die in outgesourcten Unternehmen angestellt sind. Sie arbeiten zu schlechteren Bedingungen und können nicht solidarisch mit ihren Kolleg:innen streiken, weil sie durch unterschiedliche Verträge von ihnen gespalten sind. Diese Spaltungen verursachen und verstärken auch Rassismus, denn vor allem in den outgesourcten Bereichen arbeiten migrantische Kolleg:innen.
Das schadet der Kampfkraft der ganzen Belegschaft. Außerdem werden die Kolleg:innen der Helios-Kliniken nach einem anderen Tarifvertrag bezahlt, als die Beschäftigten aus dem öffentlichen Dienst, da es eine private Krankenhauskette ist. Allein die Tatsache, dass die Verhandlungsrunden zu anderen Zeitpunkten stattfinden und es keinen gemeinsamen Streik geben darf, bedeutet eine gewollte Spaltung der Arbeiter:innen. Das sind Gründe, warum wir einen einheitlichen Tarifvertrag für alle Beschäftigten fordern, über die einzelnen Berufsgruppen, Sektoren und Betriebe hinaus.
Streiken ist das wirksamste Mittel, das wir als Arbeiter:innen haben, um in einem kapitalistischen System für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen.Wir können Druck machen, indem wir ihm unsere Arbeitskraft entziehen. Nur so können wir die Kontrolle darüber gewinnen, was uns täglich kaputt macht.
Momentan können Beschäftigte aus dem Gesundheitssystem und anderen essentiellen Bereichen nur bedingt streiken, weil die Krankenhäuser am Limit sind. Aber die Beschäftigten aus den nicht-essentiellen Bereichen können streiken. Sicher und zu guten Bedingungen zu arbeiten, bedeutet auch Schutz gegen das Coronavirus zu haben und sich erstens nicht auf der Arbeit anzustecken und zweitens dieses Risiko, für die ganze Gesellschaft und die Krankenhäuser, nicht herauszufordern um das Coronavirus weiter zu verbreiten.
Deshalb haben wir seit Beginn der Pandemie die Schließung von nicht notwendigen Betrieben gefordert, was momentan auch mit der Initiative #ZeroCovid immer mehr diskutiert wird. Obwohl die Initiative viele wichtige Forderungen und Fragen aufwirft, fehlen die Antworten für die Umsetzung. Sie ist an die Regierungen der deutschsprachigen Länder gerichtet, aber von oben werden die gewünschten Veränderungen nicht kommen.
Wie kann man diesen Wirtschafts-Lockdown durchführen, ohne Angst zu haben, dass die Arbeiter:innen darunter leiden? Während sie in der Corona-Krise entlassen werden oder mit Entlassung bedroht werden und weniger Geld zum Leben haben, profiliert sich die Bourgeoisie als Retter:in der Menschheit, als ob sie alle Menschen gleichermaßen wertschätzen würde. Allein die Tatsache, dass die Arbeiter:innen ihre Gesundheit riskieren müssen, um die Profite der Bosse zu verteidigen, wie in der Autoindustrie, überzeugt uns jedes mal, dass sie die Profite den Menschen vorziehen. Deshalb sollen die Arbeiter:innen die nicht lebensnotwendigen Betriebe durch Streiks bei voller Lohnzahlung schließen und nicht die Bosse von oben, womit eventuell noch Entlassungen oder Kürzungen die Folge für Arbeiter:innen wären.
Wir brauchen Gewerkschaftsführungen, die uns darin unterstützen und zu Streiks aufrufen, anstatt uns klein zu halten und den Streik als “letzte mögliche Chance” in Betracht ziehen. Und wir brauchen mehr Streikdemokratie. Das bedeutet, dass alle wichtige Entscheidungen von den Arbeiter:innen selbst getroffen werden oder mit einem klar definierten Auftrag delegiert werden, das gilt gerade gegen/bezüglich der Gewerkschaftsbürokratie. Deshalb ist die Demokratisierung des Streiks eine unausweichliche Voraussetzung für den Erfolg der Beschäftigten.