Heftiger Angriff auf das Streikrecht: Arbeitsgericht verbietet Kita-Streik
Der Streik der Berliner Erzieher:innen wurde gerichtlich untersagt. Er würde die Familien zu sehr beeinträchtigen. Doch in Wahrheit sind es der Normalzustand und die Politik des Berliner Senats, die schädlich für die Kinder sind.
Am heutigen Freitagnachmittag wurde bekannt, dass das Arbeitsgericht den Erzwingungsstreik der Berliner Erzieher:innen verboten hat, nachdem der Senat geklagt hatte. 91,7 Prozent der ver.di Erzieher:innen und 82 Prozent der Kolleg:innen der GEW hatten letzte Woche in einer Urabstimmung dafür gestimmt, so lange zu streiken, bis ihre Forderungen erfüllt sind. Am Montag hätte der unbefristete Streik starten sollen. Dieser ist mehr als notwendig.
Das Urteil des Arbeitsgerichts untergräbt nicht nur die interne Gewerkschaftsdemokratie, sondern ist auch ein fundamentaler Angriff auf die Arbeiter:innenklasse. Es ist bezeichnend und erschreckend, dass dies gerade in einer Zeit passiert, in der vermehrt über die Einschränkung des Streikrechts diskutiert wird.
Erzieher:innen haben durchschnittlich 10 Krankheitstage mehr pro Jahr, als Beschäftigte in anderen Berufen. Schon seit Jahren warnen Wissenschaftler:innen und Pädagog:innen davor, dass die Zustände in Deutschlands Bildungseinrichtungen unhaltbar sind. Immer mehr Kolleg:innen verlassen den Beruf oder werden durch die Belastung langzeitkrank, was die Lage nur noch mehr verschärft.
Das Gericht sagt, der unbefristete Streik würde Eltern und Kinder zu sehr beeinträchtigen. Wir denken nicht, dass dies so stimmt. Aktuell herrschen Zustände in den Berliner Kitas, in denen Erzieher:innen so unter Stress sind, dass sie es teilweise nicht einmal mehr schaffen, Kinder regelmäßig zu wickeln. Das Gericht untersagt es ihnen, für ihre eigene Gesundheit und die der Kinder zu kämpfen, damit der Berliner Senat nicht mehr in Bildung und Erziehung investieren muss.
Der Streik ist starker medialer Hetze ausgesetzt, es soll das Bild gezeichnet werden, von einem Konflikt „Erzieher:innen vs. Eltern“. Natürlich stellt es Eltern vor eine Herausforderung, wenn für mehrere Wochen am Stück die Kitas ihrer Kinder schließen. Sie haben nur begrenzte Urlaubstage, und nicht alle haben Familienmitglieder oder Freund:innen, die bei der Betreuung einspringen können. Der aus der Krankenhausbewegung bekannte Satz „Nicht der Streik gefährdet die Patient:innen, sondern der Normalzustand“ ist auch auf den Bildungsbereich anwendbar. Bei starken Personalengpässen ist in Kitas nur die absolute Grundversorgung möglich. Um Konflikte zu lösen, zu Forschen und zu Experimentieren, die Sprachförderung, Elterngespräche und so vieles mehr, bleibt in diesen Phasen wenig Zeit. Besonders die Kinder, die in prekären Verhältnissen leben oder erhöhten Förderbedarf haben, bleiben dabei auf der Strecke, wie wir an anderer Stelle schrieben.
Es braucht einen gemeinsamen Kampf der Eltern und Erzieher:innen für ein besseres Bildungssystem, denn nur so kann genügend Druck aufgebaut werden. Wie das aussehen kann, machen Elternzusammenschlüsse wie die Initiative „Einhorn sucht Bildung“ vor, die für heute eine Solidaritätskundgebung mit dem bevorstehenden Erzwingungsstreik angemeldet hatte.
Die Forderungen der streikenden Erzieher:innen könnten real einen Unterschied machen. Ein besserer Personalschlüssel würde für weniger Druck und Krankheit sorgen, den Beruf attraktiver machen, man könnte auf jedes Kind individuell eingehen. Eine höhere Qualität der Ausbildung würde dafür sorgen, dass sich Kolleg:innen die in den Beruf einsteigen sicherer fühlen, kompetenter sind, und es schwerer zu Überforderungen kommt. Dies sind nur ein paar der Forderungen, die die Erzieher:innen in einem Entlastungstarifvertrag (TV-E) erkämpfen wollen.
Ver.di kündigte an, gegen das Urteil zu klagen. Dies ist ein notwendiger Schritt. Das Gerichtsurteil zeigt, dass dieser Staat nicht in unserem Interesse handelt – das Gegenteil ist der Fall. Unsere Regierungen und Gerichte interessieren sich nicht für Arbeiter:innen und ihre Kinder, sondern stehen an der Seite der Bosse., Nicht der Streik ist unzumutbar, sondern der Stand des Bildungssystems und der autoritäre Berliner Senat.
Alle DGB- Gewerkschaften müssen jetzt Versammlungen und Mobilisierungen organisieren, um Druck aufzubauen für eine Rücknahme des Urteils und die Verteidigung des Streikrechts.