Hebamme über Masken-Affäre: „Das ist eine Demütigung“

25.03.2021, Lesezeit 6 Min.
Gastbeitrag

Eine Münchner Hebamme erinnert sich zurück, wie lange sie bei der Arbeit mit dem Mangel an Masken zu kämpfen hatte. Sie sagt: „Dass Abgeordnete die Dreistigkeit besitzen, sich daran zu bereichern, macht mich unglaublich wütend.“

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Der Zugang zu Schutzausrüstung war und ist auch international ein Problem, hier am Beispiel einer Hebamme in England. Bild: mattyw1991 / shutterstock.com

Corona hat für mich, wie für alle, weitreichende Veränderungen gebracht. Als die ersten Fälle in Italien bekannt wurden, war ich gerade in der Einarbeitungszeit als Hebamme in einer Klinik. Auch für das medizinische Personal war und ist Corona ein sehr polarisierendes Thema, bei dem es vor allem zu Beginn sehr große Unsicherheiten und Zweifel gab. In einem der letzten Einarbeitungsdienste beendete die leitende Oberärztin dort für mich jegliche Zweifel: “Natürlich wird Corona auch zu uns kommen. Und es wird kein Spaß werden.”

Also bereiteten wir uns als Klinik darauf vor: Hygienekonzepte erstellen, Masken auf Lager haben, Desinfektionsmittelvorrat aufstocken – zu diesem Zeitpunkt gab es noch keinen bekannten Fall in Deutschland. Ich fühlte mich gut. Gut vorbereitet auf eine Krankheit, die keiner von uns richtig einzuschätzen wusste.

Kurze Zeit später erreichten uns Nachrichten wie: OP-Masken sind ausverkauft, FFP2-Masken nicht lieferbar, spart Desinfektionsmittel – das wird auch knapp! Und da gab es die Maskenpflicht noch nicht einmal. Als diese dann kam, erstmal nur für uns Mitarbeiter:innen, nähte mir eine ehemalige betreute Familie Masken, die sie teilweise auch der Klinik spendeten. Dort wurden diese aber belächelt und in einen Schrank gelegt, die Klinikhygiene befand es für unsinnig und wir würden erst einmal abwarten, ob es wirklich so gravierend wird. Dieselbe Familie stattete mich mit Handwerker-FFP2-Masken aus, die zwar aussahen, als könnte man damit auf dem Mond landen, aber: die Filter wechselbar, die Maske an sich desinfizierbar. Angesichts der Knappheit der medizinischen FFP2-Masken durchaus eine Alternative.

Getragen habe ich die Masken letztendlich aus Scham nicht. Meine Kolleg:innen fanden sie hässlich. Schon hier versagte die Politik in meinen Augen. Nur zu gut habe ich die Worte von Gesundheitsminister Jens Spahn im Ohr: „Wir sind gut vorbereitet. Im Fall der Fälle weiß jeder, was er zu tun hat.” Zu suggerieren, dass Corona eine nicht ernstzunehmende Bedrohung sei, hat dazu geführt, dass keiner oder jedenfalls nur wenige Corona von Anfang an wirklich ernst genommen haben. Ein Beispiel war eben, dass in meinem Team Masken aufgrund des Aussehens abgelehnt wurden.

In den kommenden Monaten waren die Masken in unserer Klinik so knapp, dass die OP-Pflege jeden Tag neu kalkulieren musste, wer einen Mundschutz tragen darf/kann und wer nicht. Jeder Mundschutz war für den ganzen Tag geplant. Praktikant:innen und Schüler:innen durften nicht mehr im OP eingesetzt werden. Und ich als Hebamme betreute die Frauen und Familien oftmals komplett ohne Maske. Auch die durch einen Kaiserschnitt geborenen Kinder habe ich nicht nur einmal ohne Mund-Nasen-Schutz entgegengenommen. Chirurgische Händedesinfektion, Haube, steriler Kittel, sterile Handschuhe, aber kein Mundschutz, obwohl ich direkt neben dem offenen Bauchraum stehe, wenn auch nur kurz. Ein äußert absurdes Gefühl.

Wozu man sagen muss: in diesem Beispiel haben die zu Operierenden das erhöhte Risiko, dass es im zeitlichen Zusammenhang mit der Operation zu einer Infektion kommt. Aber auch wir medizinisches Personal haben uns vor allem in dieser Zeit einem enormen Risiko ausgesetzt. Jeden Tag aufs Neue sind wir trotz dieser Umstände in die Arbeit gegangen und haben weitergemacht. Als Hebamme ist intensive Atmung der Gebärenden im Alltag inbegriffen, was den Aerosolanteil der Luft durchaus relevant erhöht.

Mein Vater hat eine Lungenvorerkrankung. Meine logische Konsequenz aus der Situation in der Klinik und dieser Tatsache: Der Papa wird nicht mehr besucht. Das Maximum an Kontakt waren in dieser Zeit Einkäufe, die ich ihm zweimal pro Woche morgens vor dem Dienst vorbeigefahren und vor die Tür gestellt habe und dabei vielleicht ein kurzes Winken. Mittlerweile ist er aufgrund seines Alters geimpft. Doch vor der Impfung habe ich ihn, seit Corona in Deutschland existiert hat, genau zweimal umarmt, als ich frisch getestet war.

Aber nicht nur für die Beziehung zu meinem Vater war die Situation extrem belastend: Jeden Tag hatte ich Kontakt zu geschätzt 40 Personen: Klinikpersonal, Gebärende, Begleitpersonen. Das alles eben eine ganze Zeit lang sogar ohne Mund-Nasen-Schutz, wo doch FFP2-Masken nötig gewesen wären, um mich adäquat zu schützen. Zeitgleich nahmen die Berichte der schweren Covid-19-Fälle, auch bei jungen Personen, immer mehr zu.

Nun zu erfahren, dass Abgeordnete die Dreistigkeit besitzen, sich an einem Element der Bekämpfung dieser Pandemie zu bereichern, hat mich im ersten Moment sprachlos und dann unglaublich wütend gemacht. Ich empfinde diesen Sachverhalt nicht nur als Demütigung (weil ich zum Beispiel keinen Cent des Corona-Pflegebonus bekommen habe), denn hier geht es nicht „nur“ um Geld. Man hat leichtfertig mit meiner und der Gesundheit meiner Angehörigen gespielt. Es ist so unfassbar respektlos gegenüber jedem Menschen, aber ganz besonders gegenüber den Bürger:innen, die keine Wahl hatten und haben, ob sie sich dem Risiko einer Infektion aussetzen und mit ihrer tagtäglichen Arbeit das Land am Leben erhalten.

Ich schließe mich der Forderung an, dass unabhängige Untersuchungskommissionen unter der Kontrolle der Arbeiter:innen und Gewerkschaften diese Verbrechen verfolgen und aufklären, damit die korrupten Abgeordneten schlussendlich hart bestraft werden. Über diese Schandtaten können eben nicht jene richten, die eventuell selbst in korrupte Geschehen verwickelt sind. Außerdem müssen diese Abgeordneten ihre Immunität verlieren und ihre Diäten umgehend eingefroren werden.

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