Haushaltsstreit: Lassen wir die Kapitalist:innen für die Krise zahlen!
Die Ampel-Regierung wird einen Nachtragshaushalt für das Jahr 2023 verabschieden und damit die Schuldenbremse erneut aussetzen. Die Kosten der Krise sollen wieder einmal auf die Arbeiter:innenklasse abgewälzt werden.
Bundeskanzler Olaf Scholz fand bei einer Regierungserklärung im Bundestag am Dienstag drastische Worte für die außenpolitische Lage. Deutschland stehe vor „Herausforderungen, wie unsere Republik sie in dieser Konzentration und Härte wohl noch nicht erlebt hat“, so die Begründung für eine Notlage, um den Haushalt für 2023 durchzubekommen. Am Tag zuvor hatte seine Koalition einen Nachtragshaushalt auf den Weg gebracht, der laut Finanzminister Lindner (FDP) „die in diesem Jahr getätigten Ausgaben verfassungsrechtlich absichern“ soll. Die im Grundgesetz festgeschriebene Schuldenbremse, welche die Neuverschuldung des Staates auf jährlich 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukt (BIP) begrenzt, wird damit zum vierten Mal in Folge ausgesetzt.
Eine Aussetzung der Schuldenbremse ist im Falle von „außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen“ zulässig. Als Begründung wird der Ukraine-Krieg herangezogen.
Dieses Manöver ist die Antwort der Ampel auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts, welches den von der Bundesregierung aufgesetzten Klima- und Transformationsfond in Höhe von 60 Milliarden, gegen den die CDU/CSU klagte, für rechtswidrig erklärte. Der aktuelle Bundeshaushalt wurde damit für nichtig erklärt. Das Urteil stürzte die Ampel in eine schwere Krise und hatte eine vorübergehende Haushaltssperre zur Folge.
An dem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr hatte die CDU/CSU hingegen nichts zu beanstanden. In der Frage der Militarisierung sind sich Regierung und Opposition einig. Auch die jetzige Aussetzung der Schuldenbremse für 2023 wird von der CDU/CSU geduldet, denn ein langes Anhalten der Haushaltssperre würde nicht nur dem Ansehen der Ampelparteien, sondern auch dem deutschen Kapital beträchtlich schaden.
Wie die Regierung den Haushalt 2024 gestalten will, ist weiter offen. Friedrich Merz kündigte bereits Klage an für den Fall, dass die Ampel für 2024 wieder versuchen sollte, die Schuldenbremse zu umgehen. Eine begründete Notlage sehe er für den Moment nicht. Christian Lindner erwartet harte Verhandlungen; es seien weitreichende Änderungen gegenüber dem ursprünglichen Entwurf aus dem Juli zu erwarten, der ohnehin bereits zahlreiche Einsparungen vorsieht. Die FDP dürfte darauf pochen, dass es zu noch weitreichenderen Kürzungen beim Sozialen kommt. Eine Ankündigung ist jedoch bereits bestätigt: Die Militärhilfen für die Ukraine sollen 8 Milliarden Euro umfassen, doppelt so viel wie in diesem Jahr.
Die Ampel will die Arbeiter:innenklasse für die Krise zahlen lassen
Schon vor dem Gerichtsurteil hatte die Bundesregierung eine Kürzungswelle eingeleitet: Für das Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) wird weniger Geld zur Verfügung stehen, das 49-Euro-Ticket wird teurer und von der groß angekündigten Kindergrundsicherung bleibt kaum etwas übrig. Der Mindestlohn soll um gerade mal 41 Cent steigen und das Bürgergeld unterscheidet sich kaum von Hartz IV. Die seit Jahren bestehende Sparpolitik bei Bildung und Gesundheit wird dafür weiter fortgesetzt.
Mit dem aktuellen Haushaltsstreit will Christian Lindner noch stärker den Rotstift ansetzen: Die Strom- und Gaspreisbremse, die ärmere Haushalte von den enorm gestiegenen Energiepreisen entlasten sollte, wird nun zum 31. Dezember 2023 auslaufen. Laut einer Rechnung des rbb belief sich die Ersparnis beim durchschnittlichen Verbrauch einer vierköpfigen Familie auf 220 Euro für Strom und 100 Euro für Gas aufs Jahr gerechnet. Diese Mehrbelastung könnte nun ungebremst auf Verbraucher:innen dazu kommen. Hinzu drohen steigende Preise im Supermarkt durch höhere Produktions- und Transportkosten.
Außerdem kündigte die Ampel an, die Mehrwertsteuer auf Restaurants von 7 auf 19 Prozent zu erhöhen. In der öffentlichen Debatte werden noch weitreichendere Kürzungen gefordert, so schrieb etwa die FAZ: „Es ist nicht mehr alles finanzierbar; die Politik muss lernen, Prioritäten zu setzen“. Aus der CDU/CSU wird die Forderung laut, das Bürgergeld abzuschaffen. Lindner beteuert, dass der Staat ein „Ausgabenproblem“ habe und sein Ministerium grundsätzlich an der Schuldenbremse festhalten möchte.
Die Ausgaben, die hier gemeint sind, sind selbstverständlich nicht die Hochrüstung der Bundeswehr oder die Verzehnfachung der Militärhilfen für den israelischen Staat. Gemeint sind Ausgaben im sozialen Bereich, in der Bildung, der Unterstützung von Geflüchteten und für den Klimaschutz. Die Angriffe auf den ohnehin schon bedrohten Lebensstandard der Arbeiter:innen, der Jugend und der Armen, insbesondere deren rassistisch und sexistisch unterdrückten Sektoren, werden also weiter zunehmen. Sie sollen für die Krise, die sich nicht selbst verursacht haben, aufkommen. Währenddessen tut der Staat alles, um die Profite des Großbkapitals zu verteidigen.
Weg mit der Schuldenbremse – her mit Vermögenssteuern und Enteignungen!
Da die aktuelle rechtliche Lage erst durch das Gelten der Schuldenbremse entstehen konnte, liegt die Forderung nahe, diese abzuschaffen, um den Kürzungen etwas entgegenzusetzen. So sprach sich etwa Wirtschaftsminister Habeck auf dem Parteitag der Grünen für ein „Update“ aus, das mehr Investitionen ermöglichen soll. Auch Janine Wissler, Vorsitzende der Partei DIE LINKE, nannte die Schuldenbremse eine „Investitionsbremse“ und möchte sie abschaffen. Tatsächlich ist die Verankerung der Schuldenbremse in der Verfassung nützlich für das Kapital, da so Kürzungen von Sozialausgaben gerechtfertigt werden können.
Sie abzuschaffen ist daher eine notwendige Forderung, auch wenn sich für sich allein genommen nicht ausreicht. Dem Appell, die Regierung solle einfach mehr Kredite aufnehmen, um Klima- und Sozialprogramme zu finanzieren, liegt häufig die Vorstellung zugrunde, der deutsche Staat würde im Klassenkampf eine neutrale Position einnehmen und könne für allerlei progressive Vorhaben genutzt werden. Im kapitalistischen System fungiert der Staat jedoch als Instrument der Herrschaft der Kapitalist:innenklasse über die Arbeiter:innenklasse. Es ist also nicht der ideologischen Verbohrtheit von CDU/CSU und FDP geschuldet, dass die Arbeiter:innen nun die Leidtragende der Haushaltskrise sind. Trotz des wiederholten Aussetzens der Schuldenbremse tat die Regierung nichts, um der fortschreitenden sozialen und ökologischen Krise etwas entgegenzusetzen. Schulden sind eben nur dann zulässig, wenn sie dem Kapital nützen. Dies zeigt sich, wenn für die Bundeswehr problemlos 100 Milliarden zur Verfügung gestellt werden können, aber heftig um 2 Milliarden für die Kindergrundsicherung gestritten wird.
Um tatsächlich soziale Verbesserungen zu erzielen, braucht es neben der Abschaffung der Schuldenbremse vor Allem umfangreiche Vermögenssteuern und die Enteignung des Kapitals. In unserem Sofortprogramm schreiben wir dazu:
Wir meinen, dass die Hauptlast der Steuern von den Reichen getragen werden muss: Sämtliche öffentliche Investitionen sollen aus den Taschen der Kapitalist:innen bezahlt werden. Unternehmen, die Entlassungen durchführen, Arbeitsplätze durch Schließung vernichten oder klimaschädliche Investitionen tätigen, müssen entschädigungslos enteignet werden. Es braucht eine staatliche Planung der Wirtschaft, demokratisch kontrolliert durch die Organe der Arbeiter:innen. Dafür ist es nötig, die Banken, Schlüsselindustrien und große Wohnungsgesellschaften zu verstaatlichen. Mit einem demokratisch geplanten Finanzwesen ließen sich wichtige Investitionen wie der Bau von günstigem Wohnraum, Sanierung und Ausbau von Schulen und Kindertagesstätten, soziale Projekte, günstige Kredite für Kleinunternehmer:innen, die Verbesserung von Gesundheitsversorgung-, Bildungsangeboten, der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, ökologische Maßnahmen und vieles mehr bezahlen.
Dieses Programm bietet auch eine Alternative zu der Klima- und Wirtschaftspolitik von Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen), der Kredite aufnehmen will, um sie als Subventionen den Konzernen für die Umstellung der Produktion zu überreichen und gleichzeitig steigende Preise für Verbraucher:innen willentlich in Kauf nimmt.
Um gegen die Auswirkungen der Krise zu kämpfen, müssen wir uns also unabhängig vom Staat und seinen Parteien organisieren. Umfassende Streiks und Proteste sind das wirkungsvollste Mittel, um sich gegen die Angriffe der Regierung zur Wehr zu setzen. Die aktuellen und kommenden Streiks, etwa bei TV-L und TV-Stud sowie bei der Bahn und im Einzelhandel, müssen sich gegen die angekündigten Kürzungen und die rassistischen Spaltungsversuche der bürgerlichen Parteien stellen und dabei auch die Abschaffung der Schuldenbremse fordern.