Haushaltskrise: Außer Wagenknecht sind alle doof?
Sahra Wagenknecht meint, eine Antwort auf die Haushaltskrise der Ampelregierung zu haben. Dabei ist sie sich mit Habeck, Scholz und Lindner in mehr Fragen einig, als man glauben mag – bloß, dass die angeblich nicht mit Geld umgehen können.
Das kürzlich erteilte Urteil des Bundesverfassungsgerichts über den Klima- und Transformationsfonds stürzte die Bundesregierung in eine schwere Haushaltskrise. In seinem Urteil hatte das Gericht am 14. November entschieden, dass der Nachtragshaushalt für 2021, der 60 Milliarden Euro zur Pandemiebewältigung für den Klimaschutz umgewidmet hatte, verfassungswidrig war. Seitdem ringen die Bundesminister:innen und das Parlament darum, wo die bereits verplanten Milliarden nun herkommen sollen. Ganz oben auf der Liste der Kürzungen stehen bei Finanzminister Lindner jedenfalls Sozialausgaben und das Bürgergeld. Höchstwahrscheinlich wird ein Nachtragshaushalt die schon getätigten Ausgaben aus dem Jahr 2023 im Nachhinein absegnen.
Wie nicht anders zu erwarten war, meldete sich nun auch Sahra Wagenknecht zu Wort. Die hatte erst im Oktober mit ihrem Austritt aus der LINKEN und ihrem eigenen Parteiprojekt Schlagzeilen gemacht. In ihrer „Wochenschau“auf YouTube gab sie der Bundesregierung nun einige „Tipps, wie sie Milliarden sparen kann“. Was schlägt Wagenknecht in der aktuellen Situation vor? Und sind ihre „Tipps“ wirklich eine geeignete Antwort auf die sich stapelnden Krisen, mit denen wir heute konfrontiert sind?
Die Ampel: entweder dumm oder korrupt
Andauernd verschleudert die Bundesregierung Milliarden für überteuerte Militärtechnologie oder „Hobbyspielwiesen der Habeck-Staatssekretäre“. Wichtigen Zukunftsinvestitionen schiebt währenddessen die Schuldenbremse den Riegel vor und die USA und China hängen den Wirtschaftsstandort Deutschland immer weiter ab. Das ist jedenfalls das Bild, das Sahra Wagenknecht ihren Zuschauer:innen von der aktuellen Lage Deutschlands zeichnet. Dabei sei eigentlich genug Geld da, um das Haushaltsloch zu stopfen, wenn bloß eine „vernünftige Regierung“ besser mit den Steuergeldern ihrer Bürger:innen haushalten würde.
So kreidet Wagenknecht einen „Sumpf aus Lobbyismus“ in der Rüstungsbeschaffung an, der dazu führe, dass die Bundeswehr massenweise Ausrüstung zu völlig überhöhten Preisen einkaufe. Dabei beruft sie sich auf eine Studie des emeritierten Hamburger Professors Michael Brzoska. Dass diese von Greenpeace in Auftrag gegeben wurde, lässt sie übrigens unerwähnt – man will ja nicht für ökologisch bewegt gehalten werden. Dort wird bilanziert, dass für die Bundeswehr in den letzten Jahren „unnötige Zusatzkosten zwischen 35 und 45 Prozent anfielen“. Sahra Wagenknecht behauptet gar, im kommenden Jahr ganze 45 Milliarden Euro einsparen zu können, wenn die Bundeswehr ein bisschen genauer auf die Preise achten würde.
Bei aller Kritik an der Rüstungsbeschaffung ist es ihr aber ebenso wichtig, klarzustellen, dass „die Bundeswehr so ausgestattet sein [sollte], dass sie unser Land im Falle eines Angriffs von wem auch immer verteidigen könnte“. Außerdem sei klar, „dass es da offenbar erhebliche Defizite gibt“. Sie richtet sich also nicht deutlich gegen den Aufrüstungskurs der Bundesregierung, sondern bloß gegen deren verschwenderisches, ineffizientes Ausgabeverhalten.
Ganz ähnlich hält sie es mit der Wirtschafts- und Klimapolitik. Das unsoziale Heizungsgesetz der Bundesregierung, „das kein Mensch braucht und das auch klimapolitisch der größte Schwachsinn ist“, und die „völlig überdimensionierten“ Milliardensubventionen für die Intel-Ansiedlung in Magdeburg findet sie verschwenderisch und unnötig. Gleichzeitig erkennt sie an, dass der Klima- und Transformationsfonds, der vom Bundesverfassungsgericht gekippt wurde, einige „industriepolitisch sinnvolle Fördermaßnahmen“ beinhaltete. Die sollten, so ihr Vorschlag, durch eine Abänderung der Schuldenbremse bewahrt und erweitert werden. Dazu solle die Ampelkoalition gemeinsam mit der CDU die Schuldenbremse so reformieren, dass Investitionen in „Zukunftstechnologien“ von ihr ausgenommen werden. Die Schuldenbremse als solche will sie aber weder dauerhaft antasten, noch vorübergehend aussetzen.
Ihre klarste Differenz zur Ampelregierung besteht in der Unterstützung der Ukraine und den Sanktionen gegen Russland. Für sie sind beides Beispiele für Geldverschwendung, die dem deutschen Standort massiv schaden. Einerseits sei es nämlich nicht zielführend, den Krieg in der Ukraine weiterlaufen zu lassen und immer mehr Ausrüstung und Geld in den Konflikt zu investieren. Andererseits könnte man ihrzufolge durch die Aufhebung der Sanktionen gegen Russland allein im nächsten Jahr 120 Milliarden Euro einsparen, weil Gas und Öl wieder erheblich billiger und Maßnahmen wie die Strompreisbremse damit überflüssig würden.
Wagenknecht: nur das Beste für die Wirtschaft
An diesen „Tipps“, die Wagenknecht der Regierung und ihrem Publikum zuteilwerden lässt, wird vor allem eines deutlich: In ihrer politischen Zielsetzung gehen sie und ihre Konkurrent:innen in den Ministerien im Wesentlichen d’accord. Das wichtigste Gut der Politik ist für beide Seiten der deutsche Wirtschaftsstandort. Sie gehen lediglich darin auseinander, wie diesem hohen Gut am besten gedient wird.
Für die Ampelregierung ist eine starke Allianz mit den USA, beziehungsweise eine klare Einbindung Deutschlands in den NATO-Block der richtige Weg. In diesem Block will die Regierung Deutschland gleichzeitig einen gewissen Spielraum für souveräne Außen- und Wirtschaftspolitik ermöglichen. Darauf zielen ihre Rüstungspolitik und ihre Unterstützung der Ukraine ab.
Wagenknecht wünscht sich für die Bundesrepublik hingegen die Möglichkeit, zwischen den konkurrierenden Machtblöcken um die USA und um China und Russland changieren und vermitteln zu können. Deswegen will sie den Ukrainekrieg zügig beendet sehen und mit allen Mitteln „Zukunftsinvestitionen“ voranbringen, die Deutschland erlauben, wirtschaftlich und technologisch weiter China und den USA die Stirn bieten zu können. Ihre Politik zielt also in allererster Linie auf das Wohl des deutschen Kapitals ab. Kein Wunder daher, dass Kapitalist:innen wie der Millionär Ralph Suikat Wagenknechts neues Parteiprojekt unterstützen.
Wir haben nichts von alledem
Der soziale Anstrich, den Wagenknecht ihrer Politik gibt, dient folglich dazu, Arbeiter:innen und verängstigte Kleinbürger:innen vor den Karren der deutschen Kapitalist:innen zu spannen und in das politische Regime der Bundesrepublik zu integrieren. Dabei ist eine falsche Hoffnung, dass ein Aufschwung für „die deutsche Wirtschaft“, also das Kapital, auch gute Zeiten für jene bedeutet, die täglich für das Kapital schuften und trotzdem stets die letzten sind, die ein Stück vom Kuchen abbekommen.
Die Interessen dieser Menschen, der Arbeiter:innenklasse, sind denen der Reichen und Mächtigen hierzulande grundsätzlich und unversöhnlich entgegengesetzt. Sie haben nichts von Milliarden, die in die kriegstüchtige Bundeswehr fließen, damit deutsche Interessen bald wieder auf dem ganzen Globus „verteidigt“ werden können. Sie haben aber auch nichts von Wagenknechts Wirtschaftspolitik, die durch engere Beziehungen mit Russland höhere Profite für deutsche Unternehmen herausholen will. Sie müssen sich um ihre Interessen selbst kümmern, denn weder Robert Habeck noch Sahra Wagenknecht werden es ihnen abnehmen. Dazu brauchen sie eine unabhängige revolutionäre Alternative gegen die Misere der Ampelregierung und die falschen Versprechen von Wagenknecht, Linkspartei und Co. Während auch Wagenknecht die Profite der Kapitalist:innen nicht anrühren will, ist genau dies nötig, wie wir in unserem Sofortprogramm schreiben:
Wir hingegen meinen, dass die Hauptlast der Steuern von den Reichen getragen werden muss: Sämtliche öffentliche Investitionen sollen aus den Taschen der Kapitalist:innen bezahlt werden. Unternehmen, die Entlassungen durchführen, Arbeitsplätze durch Schließung vernichten oder klimaschädliche Investitionen tätigen, müssen entschädigungslos enteignet werden. Es braucht eine staatliche Planung der Wirtschaft, demokratisch kontrolliert durch die Organe der Arbeiter:innen. Dafür ist es nötig, die Banken, Schlüsselindustrien und große Wohnungsgesellschaften zu verstaatlichen. Mit einem demokratisch geplanten Finanzwesen ließen sich wichtige Investitionen wie der Bau von günstigem Wohnraum, Sanierung und Ausbau von Schulen und Kindertagesstätten, soziale Projekte, günstige Kredite für Kleinunternehmer:innen, die Verbesserung von Gesundheitsversorgung-, Bildungsangeboten, der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs, ökologische Maßnahmen und vieles mehr bezahlen.