Haushalt 2025: Die Rechnung für den Krieg kommt erst noch
Die Spitzen der Ampel-Regierung haben sich auf die wesentlichen Posten des Bundeshaushalts 2025 geeinigt. Das Verteidigungsministerium erhält kaum mehr Geld – könnte man meinen. Tatsächlich kommt der Großteil der Ausgaben für neue Waffen erst auf die nächste Regierung zu.
80 Stunden in 23 Sitzungen verhandelten Scholz, Habeck und Lindner über den kommenden Haushalt. Er stellt eine zentrale Prüfung dar, ob sich die Ampel-Koalition für den Rest ihrer Legislaturperiode auf den finanziellen Rahmen für eine gemeinsame Politik einigen kann. Noch ist der Haushalt nicht in trockenen Tüchern. Am 17. Juli soll er im Kabinett abgestimmt und im Herbst oder Winter schließlich im Bundestag verabschiedet werden.
Angesichts der unterschiedlichen Vorstellungen in der Koalition, insbesondere zum Thema der Schuldenbremse, war in den Medien durchaus über ein Scheitern der Verhandlungen und damit einen Bruch der Regierung spekuliert worden. Tatsächlich besteht in der Regierungsfähigkeit die oberste Priorität der Ampel, wie auch Scholz unumwunden feststellte. Trotz schmerzhafter Kompromisse für SPD und Grüne dürfe man nicht vor der Verantwortung weglaufen. „Deutschland muss jetzt ein Stabilitätsanker in Europa sein“, so der Bundeskanzler. Angesichts der schwierigen geopolitischen Lage und schlechter Umfragewerte will die Ampel-Koalition ein vorzeitiges Auseinanderbrechen unbedingt verhindern.
Neoliberales Wirtschaftspaket
Als Siegerin der Verhandlungen darf sich die FDP sehen. Sie hat sich mit der Einhaltung der Schuldenbremse durchgesetzt, der Etat im nächsten Jahr soll mit 481 Milliarden Euro um acht Milliarden geringer ausfallen als 2024. Außerdem konnte sie zwei weitere Erfolge verbuchen: Die Stufen der Einkommenssteuer werden angehoben, was sich vor allem für Besserverdienende finanziell positiv auswirken wird. Auch wird es ein „Dynamisierungspaket“ für die Wirtschaft geben, das eine klar neoliberale Handschrift trägt. Steuererleichterungen und Unternehmensanreize statt direkte staatliche Investitionen stehen im Mittelpunkt. Zu den Maßnahmen zählen der Abbau bürokratischer Vorgaben, erleichterte steuerliche Abschreibungen für Unternehmen oder auch steuerliche Anreize für ausländische Fachkräfte, für Überstunden und Arbeit im Rentenalter. Geflüchtete sollen unkomplizierter einen Job anfangen können. Auch über neue Sanktionen für Bürgergeldempfänger:innen will die Ampel Druck machen, um mehr Menschen in Arbeit zu bringen.
Mit zwei Milliarden Euro sollen Betreuungsplätze in Kitas ausgebaut werden, was Eltern die Berufstätigkeit erleichtern soll. Zusätzliche Gelder für Soziales sind hingegen kaum vorgesehen. Das Kindergeld soll um satte fünf Euro pro Kind angehoben werden. Gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung äußerte sich Familienministerin Lisa Paus optimistisch: „Die jetzige Haushaltseinigung gibt Rückenwind für die Verhandlungen im Bundestag.“ Doch in der Realität dürfte von ihrem Vorschlag der Kindergrundsicherung als „größtem sozialpolitischen Reformprojekt der Ampelkoalition“ kaum etwas übrig bleiben.
Vom „Dynamisierungspaket“ erhofft sich Wirtschaftsminister Habeck tatsächlich 0,5 Prozentpunkte zusätzliche Wirtschaftsleistung. Die Regierung erwartet für dieses Jahr gerade mal ein Wachstum von 0,3 Prozent, einen der schlechtesten Werte unter den führenden Industrieländern. Die strukturellen Gründe für die Stagnation liegen aber tief: Das deutsche Exportmodell steht angesichts von hohen Energiepreisen durch den Ukraine-Krieg, einer protektionistischen US-Politik und starker Konkurrenz auf dem E-Automarkt aus China sowie dem Fachkräftemangel unter erheblichem Druck. Das Wachstumspaket der Ampel setzt zwar daran an, Standortnachteile auszugleichen und den Arbeitsmarkt zu stärken. Es ist aber schwer vorstellbar, dass die Maßnahmen eine umfangreiche Dynamisierung der Wirtschaft entfachen können, wie von Scholz versprochen. Ein „kraftloser Kompromiss“, wie die FAZ kommentiert:
„Der kleinteilige Kompromiss zum Haushalt und die aus 49 Punkten ebenso kleinteilig zusammengestrickte ‚Wachstumsinitiative‘ wecken allerdings nur gedämpfte Erwartungen an den Nutzen für das Land. Über allem steht das Bemühen, den Koalitionsfrieden zu sichern.“
Bundeswehr kauft weiter ein, bezahlt wird später
Lange Gesichter gibt es indes im Verteidigungsministerium. Dessen Etat wächst um 1,2 Milliarden auf insgesamt 52 Milliarden an, gefordert hatte Pistorius sieben Milliarden Euro extra. [Nachtrag: Mittlerweile haben Grüne und FDP schon angekündigt, über höhere Ausgaben nachverhandeln zu wollen.] Der überschaubare Zuwachs darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Aufrüstung mit enormen Beträgen fortgesetzt wird. Noch mitten in den Haushaltsverhandlungen verkündete das Verteidigungsministerium den Abschluss mehrerer Großaufträge: Für etwa 30 Milliarden Euro bestellt die Bundeswehr mehrere Millionen Schuss Artilleriemunition, 105 Kampfpanzer, Luftabwehrsysteme und tausende LKWs.
All das ist nicht durch das 100-Milliarden-Sondervermögen gedeckt, das bereits verplant ist. Die nächste Regierung wird per „Verpflichtungsermächtigung“ daran gebunden zu zahlen. Gegenüber der Bild meinte CDU-Haushälter Ingo Gädechens: „Anstatt eine solide Finanzierung der Bundeswehr in der Ampel durchzusetzen, will Pistorius jetzt nur noch mit ungedeckten Schecks arbeiten. Der Minister will einfach alle Probleme der nächsten Regierung in die Schuhe schieben – die soll dann gucken, wo das Geld herkommt. Das ist unseriöse Politik!“
Ganz falsch ist seine Aussage nicht, allerdings hat auch seine Partei im Haushaltsausschuss des Bundestages den Anschaffungen zugestimmt. Außerdem dürfte es der Union in einer möglichen nächsten Regierung gar nicht so ungelegen kommen, den Rotstift bei Sozialausgaben anzusetzen, um die Bundeswehr zu finanzieren. Bis 2028 soll der reguläre Militäretat auf 80 Milliarden Euro steigen. Bemerkenswert ist jedenfalls der Vorrang der Bundeswehr, die mit ihren Einkäufen Fakten schafft und die Gestaltungsspielräume von Bundestag und Regierung beschränkt. Hier zeigen sich Ansätze zu einer Sonderrolle von Armee und Rüstungswirtschaft, die durch ihren Finanzierungsbedarf die gesamte Politik beeinflussen, wenn für sie etwa Sozialkürzungen vorgenommen werden.
Mit ihrem Haushaltsentwurf fährt die Ampel weiter „auf Sicht“. Ihr fehlt eine klare Vision, wie sie die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft stärken kann, zumal die weltpolitische Lage nicht einfacher werden dürfte – besonders falls Donald Trump wieder ins Weiße Haus ziehen sollte. Die Rüstungsanstrengungen des Westens haben es vermocht, in der Ukraine eine Patt-Situation herbeizuführen. Aber ein Kriegsende ist nicht in Sicht und eine künftige Bundesregierung könnte sich veranlasst sehen, noch viele weitere Milliarden in die Front zu investieren. Der aktuelle Haushalt lässt sich noch ohne generelle Kursänderung mit einigen Taschenspielertricks schönrechnen. Wenn in einigen Jahren tatsächlich 30 Milliarden Euro zusätzlich in die Bundeswehr fließen, wird dies nicht mehr gehen. Die nächste Regierung wird dafür an andere Bereiche gehen: Ob mit Angriffen auf Arbeitszeiten, Renten, den öffentlichen Dienst oder Sozialleistungen – bezahlen wird die Arbeiter:innenklasse. Von Seiten der AfD wird sie für solche Vorhaben Unterstützung finden.