Harris vs. Trump: Alter Wein in neuen Schläuchen
Neben Trumps rassistischen Tiraden zeigte sich Harris in der TV-Debatte als souveräne Verfechterin des Normalzustands. Keine:r der Kandidat:innen bietet eine Alternative für Arbeiter:innen und Unterdrückte.
Der Rücktritt Joe Bidens von der Präsidentschaftskandidatur und die Nominierung von Vize Kamala Harris haben für die Demokratische Partei wie ein Befreiungsschlag gewirkt. Das zeigte sich auch in der ersten TV-Debatte zwischen Harris und Donald Trump, die am 10. September ausgestrahlt wurde. In Umfragen gab eine große Mehrheit der Befragten an, Harris habe Trump übertroffen und ihre Beliebtheitswerte stiegen um 6 Prozent. In nationalen Umfragen liegt Harris mittlerweile ein paar Prozentpunkte vor ihrem republikanischen Kontrahenten, der Ausgang der Wahl im November ist aber immer noch völlig offen. Aufgrund des Wahlsystems sind in allererster Linie die Ergebnisse in den Swing-States wie Pennsylvania, Wisconsin und Michigan ausschlaggebend für den Ausgang der Wahl. Dennoch hat sich die Situation seit der Nominierung stark zugunsten der Demokratischen Partei gewandelt: Während sich die Republikanische Partei vor wenigen Monaten noch siegessicher wähnen konnte, scheint eine erneute demokratische Präsident:innenschaft nun wieder deutlich wahrscheinlicher.
In ihrem Auftreten unterscheidet sich die rhetorisch geschliffene, souveräne Harris tatsächlich meilenweit vom noch amtierenden Präsidenten, der in der vorherigen Debatte vor allem durch senile Gebrechlichkeit auffiel. Das darf jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Harris` Kandidatur alter Wein in neuen Schläuchen ist. In allen relevanten innen- und außenpolitischen Fragen steht die Vizepräsidentin für eine Weiterführung des Kurses der Biden-Regierung. Ein Kurs, der fatal für die Arbeiter:innen und Jugend ist, den israelischen Siedlerkolonialismus unterstützt, soziale Proteste und Migrant:innen unterdrückt und die Umwelt weiter zerstört.
Kein:e Kandidat:in für Arbeiter:innen und Arme
Trump wiederholte, wie auch schon in der Debatte mit Biden, immer wieder seine etablierten Parolen: Unter seiner Präsidentschaft hätte es „die beste Wirtschaft aller Zeiten“ gegeben, während die Biden-Harris-Regierung für die „schlechteste Wirtschaft aller Zeiten“ verantwortlich und ohnehin „die schlechteste Regierung der Geschichte“ sei. Damit versucht er auch, Wähler:innen aus der Arbeiter:innenklasse anzusprechen, die im Zuge der Inflation von massiven Reallohnverlusten, steigenden Mieten und der weit verbreiteten Verschuldung erdrückt werden. Dabei besteht seine ökonomische Agenda in erster Linie in weiteren Steuersenkungen für Konzerne und Milliardär:innen und einer weiteren Deregulierung des Marktes. Während seiner letzten Präsidentschaft setzte er neben diesen Maßnahmen auch zahlreiche Angriffe auf Gewerkschaften um und seine kapitalfreundliche Covid-Politik war für hunderttausende Tote verantwortlich. Anstatt die Lebensbedingungen der Arbeiter:innen und Armen zu verbessern, sollen die Kosten der Krise auf sie abgewälzt werden, während die Verursacher:innen in Schutz genommen werden.
Harris kritisierte, dass sich Trumps Wirtschaftsprogramm nur um „Steuersenkungen für die Reichsten“ drehen würde und versuchte, ihn als egoistischen Milliardär darzustellen. Im Gegensatz dazu betonte sie ihren „middle class“-Hintergrund und versprach, sich für Preissenkungen und Chancengleichheit einzusetzen. Trump bezeichnete seine Konkurrentin als „linksradikale Marxistin“. Schön wär’s!
Denn auch die Demokratische Partei hat Arbeiter:innen, Armen und Jugend nichts anzubieten und macht Politik im Interesse des Großkapitals. Ihr ökonomischer Plan ist extrem dünn, nicht einmal minimale Reformen, die Biden noch 2020 versprochen hatte, wie die Erhöhung des Mindestlohns auf mickrige 15 Dollar pro Stunde oder der Erlass von Studienkrediten bis zu 10.000 Dollar, haben es in das Programm der Harris-Walz-Kampagne geschafft. Harris schürt die Illusion eines Klassenfriedens, einer Politik, die gleichzeitig Arbeiter:innen und Unternehmen zugutekommt. Doch insbesondere in Zeiten der Krise und des Niedergangs der US-Hegemonie wird dies immer weniger haltbar. Um nicht schon wieder den Kürzeren zu ziehen, muss sich die Arbeiter:innenklasse unabhängig organisieren und gegen die Angriffe von Regierung und Kapital kämpfen, anstatt ihr Vertrauen in eine:n der beiden Kandidat:innen zu legen.
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Ein Tropfen auf den heißen Stein für Frauen und Queers
Harris konnte in der Debatte beim Thema Abtreibung punkten. Seit der Oberste Gerichtshof vor zwei Jahren mit dem Kippen von Roe v. Wade das Recht auf Schwangerschaftsabbruch aushebelte, herrschen Abtreibungsverbote in 27 US-Staaten. Trump war mit seiner Ernennung von rechtsextremen Richtern direkt für diese fundamentale Einschränkung der körperlichen Selbstbestimmung verantwortlich und hat damit geworben, der konsequenteste „pro-life“ (Anti-Abtreibung) Präsident zu sein. Trotz seiner teilweise schwankenden Aussagen zu dem Thema ist damit zu rechnen, dass eine kommende republikanische Präsidentschaft weitere reaktionäre Angriffe auf Frauen und queere Menschen bedeuten würde. Neben ihrer Einschränkung des Abtreibungsrechts zeichnet sich die Republikanische Partei auch durch eine extrem queerfeindliche Politik aus. Unter dem heuchlerischen Deckmantel des „Kinderschutzes“ hat sie in zahlreichen Staaten Gesetze auf den Weg gebracht, die etwa medizinische Transition für Minderjährige verbieten oder es Lehrer:innen verunmöglichen, im Unterricht auch nur die Existenz von LGBTIAQ+-Personen anzusprechen.
Die Vizepräsidentin klammerte das Thema der trans Unterdrückung völlig aus, stellte sich aber als Verteidigerin des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch dar: „Die Regierung und besonders Donald Trump sollten einer Frau nicht vorschreiben, was sie mit ihrem Körper zu tun hat“. Trumps Erwiderung, dass Harris nicht in der Lage sei, das Abtreibungsrecht wiederherzustellen, da dazu die nötige Mehrheit im Kongress fehle, weist tatsächlich auf ein reales Problem hin. Die Demokratische Partei weiß zwar, die Forderung nach reproduktiven Rechten für ihre Wahlkämpfe zu nutzen, ihr fehlt es aber an einer Perspektive, diese tatsächlich und vollständig umzusetzen. Selbst als sie über die nötige Mehrheit verfügte, weigerte sie sich, den juristischen Präzedenzfall Roe v. Wade gesetzlich zu verankern, wodurch die aktuelle Situation hätte verhindert werden können. Die Hoffnung auf Harris und die demokratischen Institutionen ist eine Sackgasse für die feministische Bewegung. Stattdessen muss sich diese mit der Arbeiter:innenbewegung verbinden und in den Betrieben, Schulen und Unis verankern um von dort aus für das vollständige Recht auf Schwangerschaftsausbruch sowie die flächende Versorgung mit Kliniken, die diese sicher durchführen, zu kämpfen.
Ein besonders widerwärtiges Element der Debatte war die Diskussion über Migration. Trump erklärte Einwander:innen zum Hauptproblem des Landes und verbreitete sogar die rassistische Lüge, haitianische Migrant:innen würden die Haustiere von US-Bürger:innen stehlen und essen. Er beschuldigte die Biden-Harris-Regierung, eine „Invasion von Millionen von illegalen Migranten aus aller Welt, die aus Gefängnissen und Irrenanstalten kommen und das Land in ein Höllenloch verwandeln“, zu organisieren.
Harris schlug zwar einen gemäßigteren Ton an, warb aber ebenfalls für ein brutales Vorgehen gegen Migrant:innen sowie die Militarisierung der Grenzen und versprach, darin effektiver zu sein als Trump: „Ich bin die einzige Person auf dieser Bühne, die grenzüberschreitende kriminelle Organisationen für den Handel mit Waffen, Drogen und Menschen strafrechtlich verfolgt hat.“ Sie kritisierte Trump dafür, einen parteiübergreifenden Gesetzesentwurf, der Asylrechtsverschärfungen und 1500 neue Grenzschutzpolizist:innen vorsah, durch seine Einflussnahme auf republikanische Abgeordnete sabotiert zu haben.
Die Verteidigerin von Recht und Ordnung
Auch bei anderen Themen zeigten sich große Überschneidungen zwischen den beiden Präsidentschaftskandidat:innen. So wetteiferten sie darum, wer eine härtere Politik gegenüber China fährt, ein Schlüsselthema in der US-Außenpolitik, dessen internationale Vorherrschaft durch China bedroht wird. Harris warf Trump vor, mit dem Verkauf von Chips zur Modernisierung des chinesischen Militärs beigetragen zu haben, während Trump sich mit hohen Zöllen brüstete und der Biden-Harris-Regierung Schwäche gegenüber dem chinesischen Regime unterstellte.
Ebenfalls verteidigten beide den israelischen Apartheidstaat, der seit elf Monaten einen Genozid in Gaza verübt. Trump, ein glühender Unterstützer Netanjahus, der sich in der Debatte mit Biden dafür aussprach, „Israel den Job erledigen zu lassen“, behauptete absurderweise: „Sie hasst Israel“. Harris erwiderte, sie habe „Israel ihr ganzes Leben lang unterstützt“ und betonte das israelische „Selbstverteidigungsrecht“. Auch wenn die Demokratische Partei sich in den letzten Monaten aus Angst vor dem Verlust von Wähler:innenstimmen und Eskalation in der Region formal für einen Waffenstillstand ausgesprochen und seichte Kritik an der Netanjahu-Regierung formuliert hat, stehen beide Parteien des US-Regimes weiterhin fest an der Seite des israelischen Siedlerkolonialismus. Vor allem durch die massive militärische und finanzielle Unterstützung des US-Imperialismus wurde Israel in die Lage versetzt, den Genozid am palästinensischen Volk begehen zu können und keine:r der Kanidat:innen möchte daran etwas ändern.
Harris erinnerte das Publikum immer wieder daran, dass Trump der erste strafrechtlich verurteile US-Präsident der Geschichte ist, um ihn als unpatriotischen Kriminellen zu zeichnen. In Berufung auf ihre Vergangenheit als Staatsanwältin inszenierte sie sich dagegen als Verteidigerin der Demokratie, amerikanischer Werte sowie Recht und Ordnung. Doch an dieser Ordnung ist nichts verteidigenswert. Sie hat den Aufstieg Trumps und der extremen Rechten erst möglich gemacht. Sie bedeutet die Ausbeutung von Milliarden Arbeiter:innen weltweit und die Zerstörung der Umwelt für den Profit imperialistischer Konzerne, Polizeimorde und rassistische Masseninhaftierung, Militärinvasionen, Unterstützung für Völkermord und steigende Tendenzen zum Weltkrieg. Es ist höchste Zeit, diese Ordnung zu überwinden.