Harmonie und Naturzerstörung: Rick and Morty und die Dinosaurier

16.06.2023, Lesezeit 9 Min.
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Foto: William Tung // Wikimedia Commons

In der sechsten Episode der neuen Staffel "Rick and Morty" wird eine bürgerliche Utopievorstellung dargestellt. Ganz besonders interessant ist hier das Mensch-Natur-Verhältnis der Serie.

“Affen haben jetzt Glatzen?”: Mit diesem Satz verlassen hochentwickelte Dinosaurier in der sechsten Episode der neu erschienenen sechsten Staffel von “Rick and Morty” ihr Raumschiff. In der nächsten Szene erklären sie vor der UN, dass sie zwar von der Erde stammen, diese aber verlassen haben, nachdem ihre Technologie “planetar harmonisch” geworden sei, mit dem Nachschub, dass dies das Ziel von Technologie sei. Nachdem sie ein “perfektes Gleichgewicht mit Mutter Erde” erreicht haben, verließen die besten Dinosaurier den Planeten, um dieses Gleichgewicht auch auf anderen Planeten zu etablieren. In dieser Szene wird der Ton der Episode gesetzt: Die Menschheit nutzt Technologie falsch, zerstörerisch und egoistisch, und wird durch eine von außen kommende Dinosaurierzivilisation entmachtet und scheinbar gerettet. Im Anschluss sieht man eine Montage von Schlagzeilen, dass die Dinosaurier sämtliche Probleme auf der Welt lösen und Menschen nicht mehr arbeiten müssen.

Der restliche Plot der Episode lässt sich schnell zusammenfassen: Der US-Präsident unterbreitet Rick das Angebot , die Dinosaurier loszuwerden. Er findet heraus, dass die Planeten, auf denen sich die Dinosaurier vorher aufgehalten haben, von unglaublichen Katastrophen getroffen wurden. Diese wurden von einer Spezies lebendiger Meteoriten verursacht, die synchron dazu, dass sich die Dinosaurier laut Rick in “selbstlose vegane Gottheiten” entwickelt haben, zu einer “gleichermaßen hasserfüllten” Spezies wurden, mit dem einzigen Ziel, den Dinosauriern möglichst viel Schaden anzurichten, und deshalb bewusst in jeden Planeten eingeschlagen sind, den die Dinosaurier besucht haben. In Konsequenz verlassen die Dinosaurier die Erde, um sie zu schützen, versammeln sich aber auf dem Mars, um sich von der Meteoriten-Spezies vernichten zu lassen, da sie Pazifist:innen sind und sich nicht gegen die Meteoriten wehren wollen. Rick gesellt sich zu ihnen und provoziert sie so lange, bis sie den anrasenden Meteoriten mit Leichtigkeit vernichten. Sie verfallen daraufhin in wildes Fluchen und fliegen in ihrem Raumschiff davon (womit impliziert wird, dass die Erde zur “Normalität” zurückkehrt).

Die Folge vermischt sehr viele fortschrittliche und reaktionäre Elemente. Zunächst einmal ist es für eine so populäre Serie positiv, dass sich die Dinosaurier mit ihrer Anklage gegen die Versammlung der mittlerweile fast ausschließlich bürgerlichen Regierungen in der UN widmet, in der die USA durch ihren Imperialismus und das dadurch bestehende militärische Potenzial die Führung übernehmen. Im “Rick and Morty”-Universum wäre es durchaus möglich, auch den gesamten Planeten anzusprechen. Durch die Darstellung des US-Präsidenten wird auch die Anklage gegen die Regierung verschärft, indem dieser tatsachengetreu als rücksichtslos und machtbesessen gezeichnet wird. In einer Szene zitiert Morty außerdem zustimmend, dass es in einer Gesellschaft, die Produktionskapazitäten hat, um Diabetes als Zivilisationskrankheit zu verursachen, ein Unding ist, dass Menschen verhungern. Recht hat er.

Außerdem positiv hervorzuheben ist überhaupt die Möglichkeit der Vorstellung, dass eine Gesellschaft ohne den Zwangscharakter der Arbeit und der daraus folgenden Naturzerstörung möglich sein kann. Die Folge hebt sich damit schon von der durchschnittlichen Darstellung von den Möglichkeiten des Lebens in bürgerlichen Kulturprodukten ab, in der in der Regel vermittelt wird, dass jeder Versuch, eine andere Gesellschaftsform zu erreichen, unmöglich ist und in einer absoluten Dystopie endet. Auch wenn es in der von den von den Dinosauriern geschaffenen Gesellschaft Probleme gibt, erkennt die Folge richtigerweise an, dass die kapitalistische Gesellschaft (es wird in einem Gespräch zwischen Rick und dem US-Präsident explizit benannt, dass der Kapitalismus abgeschafft wurde) zu Lasten der Masse der Armen und Unterdrückten geht (der Präsident bemerkt, dass er von den Armen Massen gestürzt werden würde, würde er die Dinosaurier bekämpfen).

Marxismus und Naturverhältnis

Gegen diese positiven Elemente steht jedoch die gesamte ideologische Rahmung sowohl der Folge als auch der Ideologie der Dinosaurier. Mit ihrer Vorstellung, die Menschheit würde die Natur egoistisch beherrschen, anstatt wie sie in Harmonie mit ihr zu leben, repräsentieren die Dinosaurier eine Tendenz von bürgerlicher Kritik an der technologischen Entwicklung der menschlichen Gesellschaft und besonders der Klimakrise. Um dies zu erklären, ist ein kleiner Exkurs zu marxistischer Naturbetrachtung nötig.

Vor tausenden von Jahren gab es tatsächlich einen Zustand, in dem Menschen in “Harmonie” mit der Natur lebten, nämlich in dem Sinne, dass sie Teil der Natur waren. In der Steinzeit, im sogenannten Urkommunismus, hat sämtliche Arbeit nur zur Selbstversorgung, zur Wiederherstellung der Möglichkeit, am nächsten Tag zu arbeiten und sich eventuell fortzupflanzen, stattgefunden. Darüber hinausgehende Arbeit gab es nicht, “Harmonie” mit der Natur hat auch bedeutet, an den heutzutage lächerlichsten Krankheiten zu sterben und kein Dach über dem Kopf zu haben. Marxist:innen gehen davon aus, dass darauf folgende menschliche Gesellschaften sich durch die Art, wie in ihr Arbeit aufgeteilt wird, strukturieren. Menschen haben ab diesem Zeitpunkt nicht nur gearbeitet, um sich zu ernähren, sondern um darüber hinaus Güter herzustellen: Mit der Zeit immer bessere Behausungen, Kleidung usw. Diese Gesellschaften sind und waren jedoch weit entfernt von harmonischen Zuständen, sondern haben ganz im Gegenteil immer wieder Kämpfe und Gewaltherrschaft hervorgebracht, in deren Zentrum die Frage steht und stand, wer wie was produziert. Dies bedeutete die Beherrschung von Sklav:innen durch Sklav:innenhalter:innen, Bäuer:innen durch Feudalherren und, weshalb der vorherige Satz ganz bewusst im Präsens geschrieben ist, der Arbeiter:innen durch die Kapitalist:innen. Alle diese Gesellschaften beruhen auf der Interaktion mit der Natur, sie alle haben im Dienste der Produktion von Eigentum die Natur verändert. Der Arbeitsprozess hat also in allen Gesellschaften nach der Altsteinzeit in die Natur eingegriffen, anstatt harmonisch mit ihr im Einklang zu leben, als Voraussetzung zur Produktion eines gesellschaftlichen Mehrprodukts. Ein Beispiel dafür ist die historische Veränderung des Waldes in Mitteleuropa.

Naturzerstörung im Kapitalismus

Der Kapitalismus hat in dieser Aufzählung jedoch besondere Merkmale, die für die Charakterisierung des Naturverhältnisses und der Einordnung der Ideologie der “Rick and Morty”-Folge wichtig sind. Im Gegensatz zu vorherigen Gesellschaften bedeutet der Kapitalismus, dass jegliche Produktion Gegenstand allgemeiner Konkurrenz ist. Um sich in dieser Konkurrenz durchzusetzen, greifen die Kapitalist:innen auf die Zurichtung der zwei Quellen des menschlichen Reichtums zurück: der Arbeitskraft und der Natur. Sowohl die Zurichtung durch ihre Arbeitgeber:innen als auch die durch die rücksichtslose kapitalistische Produktion verursachte Klimakrise bekommen Millionen von Arbeiter:innen täglich zu spüren. Für die Natur bedeutet die kapitalistische Produktion eine Kette der Zerstörung.

Diesem Verständnis von Naturzerstörung steht jedoch sowohl die Ideologie der Dinosaurier als auch die Handlung der Folge entgegen. Zunächst einmal muss man sich fragen, von welcher Moralvorstellung ausgegangen wird, wenn am Anfang ein Dinosaurier behauptet, der Zweck der technologischen Entwicklung sei, möglichst große Harmonie mit der Natur zu erreichen. Derselben Auffassung, aber diese noch einmal besonders betonend, entspricht die synchrone Entwicklung von Dinosauriern und zerstörerischer Meteoritenspezies. Hier wird dargestellt, dass nicht nur die moralische Zwecksetzung der Entwicklung von Harmonie entspricht, sondern dass die Evolution schon real harmonisch, quasi in einem Yin und Yang abläuft. Dies stellt nicht nur einen fundamentalen Bruch mit einem wissenschaftlichen Verständnis von Evolution dar, sondern ist ein besonderer Ausdruck bürgerlicher Ideologie.

Verschleierung von Klassenverhältnissen

Zentrale Aussage ist hier, dass nicht die kapitalistische Klassengesellschaft und die ungelösten Widersprüche in ihr schuld an der Zerstörung der Natur seien, sondern stattdessen Technologie und deren falsche Verwendung durch den Menschen. Die Dinosaurier als vollkommene Spezies werden dem Menschen als unvollkommen gegenübergestellt, im Bild der synchronen Entwicklung hätte die Menschheit ganz genauso die Rolle der Meteoritenspezies übernehmen können im Rahmen der inneren Logik der Episode. Dies ist Ausdruck einer die realen Klassenverhältnisse überdeckenden Ideologie und schiebt das Problem der Naturzerstörung von einer kleinen, sich auf Kosten des Rests der Bevölkerung sich bereichernden Minderheit, der Bourgeoisie, zu einem Problem der Menschheit als Spezies. Weiterhin entspringt die Annahme eines ewigen Gleichgewichts der Natur auch aus einem strikten philosophischen Determinismus. Wenn unser Schicksal vorbestimmt ist, ist auch jeder Kampf sinnlos und jede Form von Ausbeutung und Unterdrückung Teil des Gleichgewichts.

Davon abhalten soll auch die Vorstellung, wie die Veränderung in der Welt der Episode durchgesetzt wird. Diese kommt nämlich grundsätzlich aus dem Weltall und nicht aus irgendeiner gesellschaftlichen Dynamik. Auch hier wieder die Lehre: Kämpfen lohnt sich nicht. Hätte man der Episode einen anderen Ton gegeben, hätte man gut die absurden Vorstellung von Kapitalist:innen persiflieren können, wie die Klimakrise noch zu stoppen sei: Hyperintelligente Dinosaurier kommen in einem Raumschiff auf die Erde geflogen, um die Welt wieder ins Gleichgewicht zu bringen. So demütig, ungefragt arbeitsam und pazifistisch wie die Dinosaurier dargestellt werden, stellen diese quasi ein Abziehbild bürgerlicher Moralvorstellungen dar. Genauso wie die Vorstellung der Rettung durch Dinosaurier jedoch offensichtlich absurd ist, braucht es einen Bruch mit der von ihnen verkörperten Ideologie, um tatsächlich gegen die Klimakrise kämpfen zu können.

Genauso wie uns „kein höheres Wesen, kein Gott noch Kaiser noch Tribun” rettet, retten uns auch keine Dinosaurier in Raumschiffen. Stattdessen ist es nötig, auf den realen Widersprüchen des aktuell bestehenden Kapitalismus zu operieren. Das bedeutet, dass die Schlüsselindustrie unter Arbeiter:innenkontrolle verstaatlicht und in Folge auf ökologische Produktion umgestellt werden muss. Um dies durchzusetzen, braucht es keinen esoterischen Pazifismus, sondern eine starke sozialistische und internationalistische Partei der Arbeiter:innen. Schließlich ist das Realste an der Episode, dass die bürgerlichen Staatschefs selbst mit der brutalsten Gewalt ihre Herrschaft aufrechterhalten wollen.

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