Hamburg: Wir haben den Hafen noch nicht verloren

03.09.2024, Lesezeit 7 Min.
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Foto: KGK

Die Teilprivatisierung des Hamburger Hafens scheint unabwendbar, doch der Kampf ist damit noch nicht verloren. Das zeigte am Samstag die kämpferische Demonstration der Hafenarbeiter:innen.

Am vergangenen Samstag, den 31. August 2024 versammelten sich mehr als 1000 Menschen zum Abschluss der Aktionswoche gegen die Privatisierung des Hamburger Hafens zu einer Demonstration durch die Hamburger Innenstadt. Ein großes Polizei-Aufgebot mit Wasserwerfern weckte Erinnerungen an die skandalösen Repressionen beim Streik vor zwei Jahren. Beschäftigte verschiedener Sektoren, aus der Metallproduktion, den Krankenhäusern und des Bauwesens protestierten gemeinsam mit den Hafenarbeiter:innen gegen den Plan des Hamburger Senats, die Hälfte der Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA) an die Mediterranean Shipping Company (MSC) zu verkaufen. Mit dem Deal wird faktisch ein Großteil des Hafens unter die Kontrolle privater Konzerne fallen, denen es einzig um die Steigerung ihrer Profite geht. Es soll ein weitreichender Umbau des Konzerns stattfinden und die Angestellten befürchten in diesem Zusammenhang einen massiven Stellenabbau, Lohndumping sowie zusätzliche Belastungen durch die Zusammenfassung der Hafenarbeiter:innen zu einer Organisationseinheit ‘Umschlag’. Dies könnte einen ständigen Wechsel der Einsatzorte bedeuten und strategisch fiele es der Konzernleitung, die für Union Busting bekannt ist, so deutlich leichter, gewerkschaftliche Organisierung im gemeinsamen Kampf für bessere Arbeitsbedingungen zu bekämpfen und demokratische Kontrolle der Beschäftigten über den Betrieb zu erschweren. Der Hamburger Senat hat gerade einmal fünf Jahre herausgehandelt, in denen es keine betriebsbedingten Kündigungen geben darf. Diese fünf Jahre sind für ein Arbeitsleben von 40 Jahren und mehr extrem kurz und bieten somit keine ausreichende Sicherheit. Zudem sind tausende Arbeiter:innen im Hafen auch mit dieser Abmachung vor Kündigungen nicht geschützt. So gibt es viele Arbeiter:innen, z.B. beim Gesamthafenbetrieb (GHB), die zwar nicht durch die HHLA oder MSC beschäftigt sind, aber dennoch von den Umstrukturierungen betroffen sein werden. Zudem hat MSC schon in der Vergangenheit unbequeme Gewerkschafter:innen unter fadenscheinigem Vorwand gekündigt und für Union Busting bekannte Anwaltskanzleien engagiert.

„Privatisierungen sind einfach Müll für lohnabhängig Beschäftigte“

Auf den Kundgebungen während der Demonstration sprachen neben Hafenarbeiter:innen auch Beschäftigte anderer Sektoren den Kämpfenden ihre Solidarität aus und berichteten von ihren eigenen Erfahrungen mit Privatisierungen und dem gemeinsamen Kampf für bessere Arbeitsbedingungen. Ihre Reden zeigten: Privatisierungen bringen für die Arbeiter:innen keinerlei Verbesserungen – im Gegenteil: Sie führen zu Stellenabbau, Union Busting, verschlechterten Arbeitsbedingungen, Outsourcing u.v.m. Das erlebten die Redner:innen als Pflegekraft in einem von Privatisierung betroffenen Krankenhaus, als Beschäftigte in einer Schule oder als Arbeiter im griechischen Hafen von Piräus, der im Zuge der Troika 2016 an die chinesische Reederei Cosco verkauft wurde.

Viele Redner:innen machten deutlich, dass man im Kampf gegen die Privatisierung nicht in Wahlen oder bürgerliche Parteien – ob neoliberal oder progressiv – vertrauen kann. Stattdessen wurde die Kampfkraft der Arbeiter:innen im Hafen und darüber hinaus betont. Der MSC-Deal wird wahrscheinlich nicht mehr abwendbar sein. Doch der Kampf geht weiter, das war die einheitliche Parole.

Die Gewerkschaftsbürokratie will vermitteln, die Arbeiter:innen wollen kämpfen

Dass der Deal am Mittwoch wahrscheinlich beschlossen wird, ist nicht zuletzt auch auf die sozialpartnerschaftliche ver.di-Bürokratie zurückzuführen. Es wurde zwar immer wieder zu einzelnen Streiktagen aufgerufen, allerdings wurde die Kampfkraft bei weitem nicht ausgeschöpft. Statt vereinzelter Streiktage von Teilen der Belegschaft für einen Sozialtarifvertrag hätte es eine Urabstimmung über einen unbefristeten Streik gegen den Ausverkauf geben müssen. Zusätzlich hätten Solidaritätsstreiks in anderen Sektoren stattfinden können, eine solidarische Basis hätte es wohl dafür gegeben, wie die vielen Arbeiter:innen aus anderen Sektoren bei der Demo gezeigt haben. Die Demo am Samstag wäre schlagkräftiger gewesen, hätten die Arbeiter:innen an diesem Tag gestreikt und den Hafen und die ganze Stadt lahmgelegt.

Da wir uns auf die Führungen der Gewerkschaften nicht verlassen können, müssen wir in den kommenden Kämpfen kämpferische und antibürokratische Pole in den Gewerkschaften aufbauen. Wir brauchen Streikversammlungen, die darüber entscheiden, wie und wofür gekämpft werden soll. Die kämpferischen Hafenarbeiter:innen machten auch deutlich: Alles, was produziert wird, geht durch ihre Hände. Sie wollen damit nicht einfach die Milliardäre noch reicher machen. Die Politik der Regierenden hat keine Ideen, was sie mit dem Hafen machen wollen, die Arbeiter:innen aber sehr wohl. Der SPD gehe es bei dem Deal nur darum, sich Posten zu sichern und das Großkapital zu bereichern. Die Gewinne sollten stattdessen allen dienen und nicht nur den Milliardären.

Ein Hafen unter Kontrolle der Arbeiter:innen

Die Arbeiter:innen sollten selbst entscheiden können, was sie mit ihren eigenen Händen verschiffen. So wurde auf der Demo von verschiedenen Redner:innen immer wieder betont, dass der Senat, der über die Köpfe der Hafenarbeiter:innen hinweg und gegen ihren Willen diesen Deal beschließt, keinerlei Wissen über den Hafen und seine Funktionsweise besitzt. Der Hafen sollte weder von privaten Konzernen, noch von der Stadt, sondern von den Arbeiter:innen selbst demokratisch kontrolliert werden.

Dabei geht es auch darum, was die Arbeiter:innen mit ihren eigenen Händen verschiffen. Der Hafen nimmt eine strategisch wichtige Rolle für den deutschen Imperialismus ein, der gerade den Genozid an den Palästinenser:innen in Gaza aktiv unterstützt. Deutschland ist Israels zweitwichtigster Waffenlieferant. Rund 30 % der israelischen Waffenimporte kommen aus Deutschland. Im Hamburger Hafen allein operieren mehr als 90 Rüstungsunternehmen. Die Häfen spielen beim Kampf gegen die deutsche Komplizenschaft eine zentrale Rolle, denn mit Streiks in den Häfen können Waffenlieferungen blockiert werden. Das bewiesen die Hafenarbeiter:innen in Katalonien, Italien, Indien und Großbritannien, die Waffenlieferungen an Israel bestreikt haben und damit eine Vorreiter:innenrolle im Kampf gegen den Genozid in Gaza eingenommen haben.

Wie kann es weitergehen?

Es besteht auch nach dem Beschluss des Hafen-Ausverkaufs, die Möglichkeit, dass der Senat ein weiteres Gesetz vorlegt, den Deal wieder zurückzunehmen. Doch es darf nicht unser Ziel sein, der Stadt Hamburg, regiert von bürgerlichen Parteien im Interesse der Konzerne, die Entscheidungen über den Hafen und seine Beschäftigten zu überlassen. Wir müssen den Hafen und andere Schlüsselsektoren unter die selbstorganisierte Kontrolle der Arbeiter:innen bringen und ihn im internationalen Schulterschluss zu einer Bastion im Kampf gegen die Auswüchse des Kapitalismus und damit schließlich gegen ihn selbst machen. Die Hafenarbeiter:innen haben in den vergangenen Monaten gezeigt, dass sie sich nicht so leicht geschlagen geben. Lasst uns also als ein Bündnis der Studierenden und Arbeiter:innen aus anderen Sektoren mit den Hafenarbeiter:innen aufbauen und uns für den gemeinsamen Kampf gegen Privatisierungen, gegen die Macht der Bosse und Regierenden, gegen die Waffenlieferungen an Israel und für einen Hafen unter der demokratischen Kontrolle der Arbeiter:innen stark machen.

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