Hafen: Kundgebung und Streiks gegen Privatisierung und miese Löhne

11.06.2024, Lesezeit 8 Min.
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Die Hamburger und Bremer Hafenarbeiter:innen streiken für Lohnerhöhungen und kämpfen gegen die drohende Privatisierung des eigentlich städtisch geführten Hafens. Wir rufen zur Teilnahme an der heutigen Kundgebung um 16:00 Uhr am Hamburger Rathausplatz auf, wo gegen den Ausverkauf des Hafens an die MSC-Reederei gekämpft wird.

Nach zwei Runden Tarifverhandlungen streikten am vergangenen Freitag die Beschäftigten im Hamburger Hafen HHLA. Heute streiken sie in Bremen. Unmittelbarer Anlass sind die vollkommen unzureichenden Angebote zur Lohnerhöhung der Hafenbosse. Insgesamt geht es in den Tarifrunden um etwa 11.000 Beschäftigte der norddeutschen Seehäfen. Doch den Hafenarbeiter:innen geht es nicht nur um Lohnerhöhungen. Sie kämpfen auch gegen die drohende Privatisierung des Hafens, die die Stadt Hamburg derzeit mit der Reederei MSC aushandelt. Bisher war die HHLA zu 70% in öffentlicher Hand. Nun sollen 49% der Anteile an die weltgrößte Containerreederei MSC zu Tiefstpreisen verscherbelt werden. Die Einnahmequellen werden der Stadt Hamburg fehlen und sich in öffentlichen Kürzungen niederschlagen.

Am heutigen Dienstag um 16 Uhr findet eine Kundgebung am Hamburger Rathausplatz statt, bei der die Beschäftigten den Hamburger Stadtabgeordneten einen offenen Brief überreichen werden. Darin begründen sie ihre berechtigte Wut und ihren Widerstand gegen die Übernahme des Hafens durch ein skrupelloses, zwielichtiges Großunternehmen, das Betriebsräte drangsaliert, die Löhne drückt und reihenweise Entlassungen verkünden könnte. Den Text des offenen Briefes veröffentlichen wir unten.

Wir rufen dazu auf, zur heutigen Kundgebung zu kommen und alle weiteren Arbeitskämpfe der Hafenarbeiter:innen gegen die Privatisierung und Unterbezahlung zu unterstützen!

Forderungen politisieren!

Wir denken, dass alle Arbeiter:innen aller zusammenhängenden Häfen gemeinsam streiken sollten; nicht nur gegen niedrige Bezahlung, sondern auch gegen die Privatisierung der HHLA. Es wäre falsch, den Kampf um die Lohnforderungen vom politischen Widerstand gegen die Übernahme der Hafenanteile durch die MSC-Reederei trennen. Der Arbeitskampf sollte sich deswegen nicht nur auf Warnstreiks zu den Tarifverhandlungen beschränken.

Denn so eine Trennung wäre künstlich und unangebracht. Eine private Teilübernahme durch MSC wird sich zweifelsohne auf die Arbeitsbedingungen auswirken und die ohnehin prekären Arbeitsplätze der Entlassungsgefahr noch weiter aussetzen. “Wenn Betriebsräte zu unbequem werden, wie bei der MSC-Tochter Medrepair, wird Ihnen gekündigt und es werden Anwaltskanzleien engagiert, die dafür bekannt sind, mit allen Ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln Gewerkschaftsstrukturen zu bekämpfen”, schreiben die Hamburger Beschäftigten im offenen Brief. Trotz der mangelnden Transparenz um die Verhandlungen zwischen Stadt und Unternehmen, scheint es so, dass MSC mit umfassenden Sonderrechten und Leitungsbefugnissen ausgestattet werden könnte.

Dagegen hilft nur eins: Streiken. Sollten sich die Streiks auf die Lohnforderungen beschränken, würde dem Widerstand gegen den Hafenausverkauf sein stärkstes Mittel genommen werden. Einen Umgang mit Formalitäten können dadurch gefunden werden, dass die Streikaufrufe mit Lohnforderungen gemacht werden, jedoch tausende Streikende an politischen Aktionen gegen die Privatisierung teilnehmen und die Streiks so lange weitergeführt werden (also keinen Abschluss unterschreiben) so lange die Privatisierung vom Tisch ist.

Die Beschäftigten sollten das Recht haben, selber darüber zu entscheiden, ob sie dem Ausverkauf zustimmen oder eben nicht. Sie müssen sowohl über ihre Arbeitsbedingungen bestimmen können, als auch darüber, was sie tagtäglich damit bewirken. Beschäftigte sollten jederzeit Einblick haben, was überhaupt in den Containern enthalten ist, die von ihren eigenen Händen verladen werden. Die Geschäftsbücher müssen offengelegt werden. In Zeiten der massenhaften Ermordungen von Zivilist:innen in Palästina sollten sie beispielsweise auch darüber entscheiden können, ob sie mit ihrer Arbeitskraft am Hafen Rüstungsgüter bewegen wollen

Als Gewerkschafter:innen, als Arbeiter:innen, als Hafenanwohner:innen, als Bewegung könnte eine Verbindung der ökonomischen Forderungen mit den politischen ein Schritt sein, sich gemeinsam aus der Deckung zu wagen. Wir müssen uns mit der herrschenden Politik und dem Unternehmertum anlegen und endlich offen für politische Forderungen streiken. Sei es gegen den Ausverkauf an das Großkapital, sei es gegen den Klimawandel – oder auch gegen den Genozid an den Palästinenser:innen in Gaza.

Hafenarbeiter:innen in Belgien, Spanien, Belgien, Italien, Indien und vielen anderen Ländern haben bereits bewiesen, dass dies möglich ist. Wir setzen uns für einen Stopp des Genozids in Gaza ein und fordern, die Kontrolle über die Waffenlieferungen an den israelischen Staat den Hafenarbeiter:innen zu übertragen! Klasse Gegen Klasse teilte dazu bereits einen Aufruf verschiedener Initiativen aus der Arbeiter:innen- und Palästinabewegung, den Gewerkschaften und politischen Gruppen.

Offener Brief der Hamburger Hafenarbeiter:innen an Nils Kahn (MSC-Chef Deutschland) und die Hamburger Stadtabgeordneten

Der vollständige Brief ist zur Unterschrift hier verfügbar und wird am Dienstag, 11.06.2024, am Hamburger Rathaus nach einer Kundgebung den Abgeordneten übergeben.

Sehr geehrter Herr Kahn,

sehr geehrte Abgeordnete der Hamburgischen Bürgerschaft,

auch wir haben Ihr Schreiben an die Abgeordneten der Hamburgischen Bürgerschaft erhalten. Ihre Beteuerungen und vagen Absichtserklärungen überzeugen uns jedoch nicht, und wir gehen davon aus, dass auch die Bürgerschaft sich davon nicht täuschen lässt. Sie sprechen davon, „Bedenken zu verstehen und ernst zu nehmen“. Gleichzeitig wirkt es so, als würden Sie die Menschen lediglich als Zahlen in Ihren Büchern betrachten, wenn Sie die Kolleginnen und Kollegen als „Vollzeitäquivalent“ bezeichnen.

Wenn Betriebsräte zu unbequem werden, wie bei der MSC-Tochter Medrepair, wird Ihnen gekündigt und es werden Anwaltskanzleien engagiert, die dafür bekannt sind, mit allen Ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln Gewerkschaftsstrukturen zu bekämpfen. Das zeigt deutlich, wie wenig Ihnen die Menschen dieser Stadt tatsächlich bedeuten und was uns vermutlich erwarten wird, wenn MSC das Sagen hat.

Ihr „Verstehen und Ernstnehmen“ bleibt eine leere Floskel, da Sie ebenfalls in keiner Weise auf die öffentlich geäußerten Bedenken der Beschäftigten, der Öffentlichkeit und der ExpertInnen eingehen.

Sie verweisen auf Ihre erfolgreichen Projekte in anderen Häfen. Es scheint allerdings so, dass Sie nicht nur darauf abzielen, die Tarifbindung in den Häfen spätestens nach fünf Jahren aufzuheben, sondern durch schlechte Bezahlung und Ausbildung Dumpingpreise für Ihre eigenen Lascher, Schlepper und Festmacher sowie Container-Reparaturbetriebe ermöglichen. Dadurch verdrängen Sie ortsansässige Betriebe, die gute Tariflöhne zahlen.

Sie behaupten, Ihr Engagement sei zusätzlich zur Beteiligung an anderen Häfen zu betrachten und die versprochenen Mengen könnten irgendwie „zusätzlich“ generiert werden. Sie erwähnen jedoch nicht, wie und woher dieses angebliche Wachstum kommen soll. Sie behaupten lediglich, dass Sie überzeugt seien, dass das Frachtaufkommen weiterwachsen werde. Zudem wissen wir seit der letzten Expertenanhörung in der Hamburger Bürgerschaft, dass MSC keinerlei Vertragsstrafen zahlen muss, falls bis 2031 ein Viertel der versprochenen TEU-Menge weniger erreicht wird.

Auch hier sind die herbeifantasierten Zuwächse nur leere Versprechungen. MSC ist als potenzieller neuer Teilhaber der HHLA nicht nur, wie in anderen Fällen, ein anteiliger Terminalbetreiber. Nach neuesten Erkenntnissen hat die Reederei innerhalb der HHLA perspektivisch sogar ein Vetorecht und kann somit trotz Minderheitsbeteiligung maßgebliche Entscheidungen treffen. Das ist für die HHLA und alle anderen Hafenbetriebe eine massive Verschlechterung ihrer Ausgangsbedingungen.

In einem Punkt lassen Sie immerhin langsam die Maske fallen und geben ehrlich zu, was wir von Anfang an vermutet haben: Ihnen geht es vor allem um den Zugriff auf die Metrans, was Sie so schön mit den Intermodalverkehren umschreiben. Dabei wird deutlich, dass der Wert des Unternehmens, der von verschiedenen ExpertInnen auf mindestens 1,5 Milliarden Euro geschätzt wird, nicht in die Bewertung des Kaufpreises der HHLA Aktien eingeflossen ist und somit ein Geschenk an MSC darstellt.

Sie sagen, Ihre Mitarbeiter seien Ihnen wichtig und Sie hätten auch während der Corona-Krise keine Mitarbeiter entlassen. Diese Aussage ist purer Hohn. Sie suggerieren, Corona wäre auch in Ihrer Branche eine Krise gewesen, obwohl Ihre Reederei Rekordgewinne verzeichnet hat, mit denen Sie nun auf Einkaufstour gehen, um Ihre globale

Lieferketten auszubauen und noch mehr Marktmacht zu erlangen.

Nein, Herr Kahn, für uns sind Ihre Worte wirklich nichts wert. Ihnen und Ihrem Unternehmen geht es ausschließlich um den eigenen Profit. Auch wenn die Stadt Hamburg einen geringen Anteil an der HHLA mehr besitzt, wird MSC diktieren, wohin es geht. Wir glauben Ihnen kein Wort und appellieren an die Bürgerschaftsabgeordneten, sich ebenfalls nicht täuschen zu lassen!

Gegen den Verkauf der HHLA an MSC!

Die Beschäftigten des Hamburger Hafens

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