Hafen, Flughafen, LKW-Fahrer: Mehrere Sektoren rufen zum Streik in Martinique auf, die Repression verschärft sich
In Martinique schließen sich Sektoren der Arbeiter:innenbewegung der Mobilisierung gegen zu hohe Lebenskosten an und rufen am Donnerstag zum Streik auf. Trotz der Repression, die sich mit der Entsendung der Eliteeinheit CRS8 verschärft, wächst die Protestbewegung.
Weit davon entfernt, der Unterdrückung des Kolonialstaats Frankreich nachzugeben, hat sich die Bewegung gegen die prekären Lebensbedingungen in den letzten Tagen verstärkt und auf Martinique ausgebreitet. Während am vergangenen Mittwoch eine Ausgangssperre verhängt wurde, wurden in der Nacht von Donnerstag auf Freitag drei Blockaden in Le Lamentin und acht im Süden der Insel errichtet. Auch die Demonstrant:innen haben dem seit letztem Freitag wirksamen Demonstrationsverbot nicht nachgegeben: Am Tag nach der Veröffentlichung der Verbotsverordnung hat eine Demonstration gegen die teuren Lebenskosten und die Ankunft der Polizei-Eliteeinheit CRS8 aus dem Stadtteil Dillon heraus mehr als eine Stunde lang einen Teil der Autobahn A1 blockiert Die RPPRAC, die zu der Demonstration aufgerufen hatte, ist eine Organisation „zum Schutz der afrokaribischen Menschen und Ressorucen“ und eine treibende Kraft der Proteste auf Martinique. Am selben Tag wurde vor dem Carrefour Market du François, der zur Bernard Hayot-Gruppe gehört, eine Blockade errichtet, um die überteuerten Lebenshaltungskosten und die Verantwortung der großen Konzerne anzuprangern. Am Sonntag wurde die Autorität des Kolonialstaates erneut von mehreren hundert Demonstranten, die gegen die Lebenshaltungskosten protestierten, in Frage gestellt und angeklagt.
Eine Mobilisierung, die sich auf Sektoren der Arbeiter:innenbewegung erstreckt
Trotz des Ausmaßes der vom Kolonialstaat eingesetzten Repressionsmaßnahmen intensiviert sich die Mobilisierung gegen die prekären Lebensbedingungen und dehnt sich vor allem auf Sektoren der Arbeiter:innenbewegung aus. In einer am 20. September veröffentlichten Erklärung gab die Confédération Générale du Travail de Martinique (CGTM) bekannt, einen verlängerbaren Streik von zunächst 24 Stunden zu planen der zahlreiche Tätigkeitsbereiche in Martinique betrifft. Ein Streik, der an diesem Donnerstag beginnt.
Die Forderungen der Pressemitteilung lauten wie folgt: „Anhebung des Mindestlohns, der Altersrenten und der Sozialmindestbeträge auf 2.000 Euro netto pro Monat; Anpassung der Löhne, Renten und Sozialmindestleistungen an die Inflation; Einführung der Preisbremse für Grundbedürfnisse; Fallenlassen der staatlichen Anzeigen gegen Aktivist:innen.“
Die CGTM-Gewerkschaften (Samac, Servair, Transair) kündigten im Flughafengebiet an, sich der Mobilisierung anzuschließen. Youri Rogol, Gewerkschaftsvertreter der CGTM bei der Samac, prangerte in einer Pressemitteilung die vom großen Einzelhandel erzielten Gewinne und die Mitschuld des Staates bei der Auferlegung tödlicher Lebenskosten an und sagte: „Der Flughafen und der Hafen sind wirtschaftliche Lungen Martiniques. Wenn wir aufhören müssen zu arbeiten, um zu demonstrieren, werden wir es tun“.
Worte, die die strategische Bedeutung der Beteiligung der Arbeiter:innenbewegung an der Mobilisierung gegen die prekären Lebensbedingungen unterstreichen. Die in der Lage ist, wesentliche Sektoren der martinikanischen Wirtschaft zu blockieren. Eine Containerwirtschaft, die von einem Kolonialpakt und einer massiven Abhängigkeit von Importen aus Frankreich geprägt ist. Die Blockade des Flug- und Seehafens ist unter diesen Voraussetzungen ein zentrales Thema für die Bewegung.
Über die CGTM hinaus beginnt sich die Protestbewegung auch auf die Mitglieder der Transportarbeiter:innen-Gewerkschaft UNOSTRA auszudehnen. Ab Dienstag werden sie einen „Konvoi gegen das teure Leben“ organisieren und sie kündigen eine Reihe von Straßenblockaden in Lamentin, Robet, Saint-Joseph und Case-Pilote an.
Die Rückkehr der CRS: Der durch den Protest geschwächte Staat verschärft die Repression
Dass sich die Mobilisierungen gegen die Lebenshaltungskosten ausweiten, obwohl die Repression zunimmt, zeugt von der Unfähigkeit des französischen Staates, den Protest zu unterdrücken. Nach der Ankündigung einer Ausgangssperre in einigen Vierteln von Fort-de-France und Lamentin und der Veröffentlichung des Erlasses am vergangenen Freitag, der für einen Zeitraum von drei Tagen „Demonstrationen, Menschenansammlungen und andere organisierte Kundgebungen“ in Fort-de-France sowie in den Gemeinden Lamentin, Ducos und Robert verbieten sollte, hat der Staat an diesem Wochenende sein repressives Arsenal erneut erweitert.
Am Samstag kündigte der Präfekt die Entsendung der CRS8 zur Unterstützung der Groupe d’Appui de Nuit (GAN) an. Die achte Republikanische Sicherheitskompanie, eine Eliteeinheit, die sich auf den Kampf gegen „städtische Gewalt“ spezialisiert und in der „Aufrechterhaltung der Ordnung mit hoher Intensität“ ausgebildet ist, ist eine echte Kolonialbrigade, die die Proteste in den Vororten und in den Kolonien abschwächen soll. Sie wurde im Juli 2021 von Darmanin (damaliger Minister für Inneres und Übersee) gegründet und im April 2023 in Mayotte eingesetzt, um die militärische und koloniale Operation Wuambushu zu unterstützen.. Und auch in Kanaky war sie an der Seite der Polizeispezialeinheit RAID und der Armee im Einsatz. Sie intervenierte auch, um die Vorstadtrevolte nach Nahels Tod zu unterdrücken. Ihr Einsatzgebiet wurde nun auf Martinique erweitert, nachdem die CRS 65 Jahre lang auf dem Boden dieser Kolonie verboten wurde.
Die Entsendung der CRS8 nach Martinique ist historisch bedeutungsvoll. Die Compagnies Républicaines de Sécurité (kurz CRS, a. d. R.) waren aus dem Gebiet verbannt worden, nachdem sie im Dezember 1959 drei junge Martinikaner getötet hatten. Am 20. Dezember 1959 wird Frantz Moffat, ein Hafenarbeiter aus Martinique, auf einem Roller von einem weißen Autofahrer der Metropole überfahren. Dieser Verkehrsunfall eröffnete eine dreitägige Aufruhr zwischen der Nationalpolizei (einschließlich einer Einheit der CRS) und den Martinikaner:innen. Diese Revolte zeigte schwelende Spannungen und eine tiefe Wut der martinikanischen Jugend, die das allgemeine Elend anprangerte, das auf der Insel dreizehn Jahre nach dem offiziellen Ende des Status der Kolonie auf der Insel anhielt — trotz der Versprechen der sozialen und wirtschaftlichen Gleichheit mit Frankreich, die mit der Eingliederung der vormaligen Kolonie Martinique als französisches Département verbunden waren. Eine Revolte, die mit dem Tod von drei Martinikanern im Alter von 15, 19 und 20 Jahren durch die CRS endete. Einige Monate später begann die französische Behörde BUMIDON, systematisch martinikianische Jugendliche zur Migration auf das französische Festland zu bewegen, um künftige Aufstände der Jugend zu verhindern.
Als Reaktion darauf stimmte der Generalrat von Martinique bereits am 24. Dezember einstimmig für einen Antrag der kommunistischen Abgeordneten, dessen erster Punkt „die Entfernung aller CRS und unerwünschten rassistischen Elemente“ forderte. Um eine Revolte zu beruhigen, bei der sich die Stimmen der Unabhängigkeitsbewegung zeigten, die sich verstärken und die koloniale Herrschaft des französischen Staates in Frage stellten, folgte die Regierung dem Antrag des Generalrats, indem sie den ersten Punkt zum Rückzug der CRS von der Insel anwendete. Eine Entscheidung, die 65 Jahre lang respektiert wurde, bis sie am vergangenen Samstag endete.
Seit der Gründung der CRS8 wurde die Rückkehr dieser Repressionskräfte von einem Teil der in den Kolonien anwesenden Polizeikräfte sehnlichst erwartet, wie ein von der Polizeigewerkschaft ALTERNATIVE Police CFDT unterzeichnetes Flugblatt vom August 2021 zeigt. Dieses rief den Innenminister auf, einen Monat nach der Gründung der achten Kompanie dieses Verbot zurückzunehmen und erklärte: „Was nützt es, eine Schnellaktionstruppe (CRS8, a. d. R.) geschaffen zu haben? (…) Angesichts der extremen Gewalt der Demonstrationen in Übersee ist das Ministerium allein verantwortlich, wenn unsere Kollegen von der öffentlichen Sicherheit, die nicht in der Aufrechterhaltung der Ordnung ausgebildet sind, verletzt oder noch schlimmer werden!“
Diese Entsendung der CRS, 65 nach ihrem Verbot in Martinique, markiert somit einen Sprung in der Repression in einem Kontext, in dem eine mörderische Repression die kanakische Bevölkerung niederprügelt, die die französische Kolonialherrschaft in Frage stellt. Während die Regierung versucht, den Protest mit immer repressiveren Maßnahmen und einem Aufruf zum sozialen Dialog und zur Verhandlung mit den wichtigsten Gruppen, die für die hohen Lebenshaltungskosten verantwortlich sind, zu ersticken, ebnet diese soziale Mobilisierung – die sich auf Schlüsselsektoren der Arbeiter:innenbewegung erstrecken könnte – den Weg für eine Infragestellung der kolonialen Herrschaft, die seit vier Jahrhunderten auf dem Gebiet ausgeübt wird.
Ausgehend von einem solchen Eingreifen der Arbeiter:innenbewegung könnte ein echtes Arbeiter:innen- und Volksbündnis aufgebaut werden, um die koloniale und imperialistische Ordnung, die Martinique seit Jahrzehnten unterdrückt, in Frage zu stellen. Über die sozialen Forderungen und Forderungen im Zusammenhang mit den teuren Lebensbedingungen hinaus könnte eine solche Allianz ein zentraler Stützpunkt sein, um die Frage der Selbstbestimmung des martinikanischen Volkes wieder auf die Agenda zu bringen, indem sie den vollständigen Rückzug der französischen Polizei auf den Antillen, das Ende der gerichtlichen und kolonialen Repression und die Zerschlagung und Enteignung der großen Gruppen des großen Einzelhandels fordert.