Hände weg vom Streikrecht: Branchenübergreifende Streiks vorbereiten
Im Zuge der gerade stattfindenden Tarifrunden in den verschiedensten Bereichen finden vermehrt verbale und mediale Angriffe auf Gewerkschaften und Arbeiter:innen statt. Wir stellen uns gegen jede Einschränkung des Streikrechts.
Bereits im Februar äußerte Verteidigungsminister Boris Pistorius Zweifel daran, ob die geforderten Lohnerhöhungen im öffentlichen Dienst mit der historischen Aufrüstung des deutschen Militärs durch das Sondervermögen überhaupt vereinbar wären. Inzwischen ruderte er durch öffentliche Kritik an seiner Aussage etwas zurück, betone jedoch, dass es einen „Kompromiss“ zwischen Lohnerhöhungen für Beschäftigte in so zentralen Bereichen wie beispielsweise im Krankenhaus oder bei der Stadtreinigung und der ungeheuerlich großen Summe, die in die Stärkung des deutschen Imperialismus investiert werden soll geben müsse.
Mediale Stimmungsmache gegen Streiks
Auch am 17. Februar, als der Streik der Flughafenbeschäftigten an sieben deutschen Flughäfen, darunter auch in München, sich wirkungsvoll auf die Anreise für die Münchner Sicherheitskonferenz auswirkte, wurde ver.di massiv durch den Münchner Flughafenchef Jost Lammers, ebenfalls Präsident des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft, kritisiert. Gitta Connemann, im Bundestag für die CDU und seit 2021 Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT), dem Lobbyverband innerhalb der CDU und CSU, forderte ein paar Tage später bereits eine Einschränkung des Streikrechts. Es müsse eine Reform geben, die genau in den zentralen Bereichen der kritischen Infrastruktur (also besonders wirkungsvolle Bereiche für Streik, die die Möglichkeit haben, Druck aufzubauen), Streiks einschränke. Dies wäre ein massiver Angriff auf die Rechte von Arbeiter:innen und ihre Perspektive, in Zeiten der Krise wirkungsvoll für eine Verbesserung ihrer Lage zu kämpfen.
Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa im Auftrag der MIT unter 1.003 Wähler:innen sprechen sich große Teile der Anhänger:innen aller im Bundestag vertretenen Parteien, insbesondere der Grünen mit 53 Prozent, dafür aus, dass Streiks in Bereichen kritischer Infrastruktur nur mit Schlichtungsverfahren und einer Ankündigungsfrist von mindestens vier Tagen durchgeführt werden dürfen. Bei der CDU sprachen sich 30 Prozent für ein vollständiges Verbot aus. Diese Umfrage dient jedoch offensichtlich der medialen Stimmungsmache. Sie richtete sich nur an bürgerliche Wähler:innen und nicht an alle in Deutschland lebenden Menschen. So wird die Meinung der Nichtwähler:innen und Menschen ohne Wahlberechtigung, also circa 43 Prozent der Einwohner:innen hierzulande, nicht berücksichtigt.
Nachdem die dänische Regierung beschlossen hat, einen Feiertag zu Gunsten von mehr Geld für Militärausgaben zu streichen, werden auch in Deutschland Stimmen laut, die die Streichung eines freien Tages für viele Arbeiter:innen befürworten, könne man so doch noch leichter Geld in Waffen stecken. Die Union lobt diesen krassen Angriff. Thorsten Frei, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, nannte die Entscheidung gegenüber den Sendern RTL/N-TV ein „starkes Signal“, „ein Beitrag dazu, deutlich zu machen, dass die Zeitenwende eine Veränderung der Prioritäten braucht“.
Wir sehen in Deutschland Streiks in verschiedenen Sektoren: im öffentlichen Dienst, bei der Post, im Nahverkehr, Flugverkehr, bei den Lehrer:innen in Berlin. In allen Bereichen wehren sich Regierung und Kapitalverbände gegen die Forderung der Gewerkschaften nach einem Inflationsausgleich. Die Kommunalen Arbeitgeberverbände behaupten, die Streiks würden auf Kosten von Familien oder Pendler:innen gehen. Aber sie wehren sich gegen höhere Löhne, die bessere Arbeitsbedingungen und damit auch eine bessere Versorgung ermöglichen würden. Zu den Verhandlungen des Tarifs im öffentlichen Dienst (TVöD), sagte Innenministerin Nancy Faeser zum Angebot von zusammengenommen gerade mal etwas über 3 Prozent – für einen drastischen Reallohnverlust bedeutet – es sei ein Zeichen des „Respekts“. Gleichzeitig fordert die Regierung, dass die Löhne in Krankenhäusern bis zu 6 Prozent gesenkt werden können, wenn die Kliniken sich in finanziellen Schwierigkeiten befinden.
Der Gesamtverband der Metallindustrie fordert die Rente mit 70, während Gesundheitsminister Lauterbach eine „revolutionäre“ Reform des Fallpaulschalensystems (DRGs) ausruft. Dies wird aber nichts für die Beschäftigten und Patient:innen in den Krankenhäuser verbessern, sondern noch mehr kaputt machen. Es wird befürchtet, dass nach dieser Reform weiterhin Krankenhäuser und Kreißsäle geschlossen werden. Bei den Lehrer:innen sollen Teilzeitmöglichkeiten begrenzt und Klassen vergrößert werden. Das alles sind Vorhaben, mit denen noch weniger Geld in die öffentliche Daseinsvorsorge investiert wird. Und warum? Damit noch mehr Geld in die Taschen der Großaktionär:innen fließen kann, weiterhin Großkonzerne steuerlich subventioniert und weitere Milliarden in die Aufrüstung investiert werden können.
Für politische Streiks auf allen Ebenen
Um dagegen zu kämpfen braucht es eine Politisierung der Streiks, die sich gegen das Abladen sowohl der Kosten der Aufrüstung auf die Schultern der Arbeiter:innen richtet, aber zugleich auch für eine politische Opposition zur weiteren Aufrüstung und der Fortführung des Krieges zu kämpfen.
Erst dieses Wochenende gab es bereits einen ersten Schritt in die Richtung bei der Zusammenlegung des Klimastreiks und den Streiks im öffentlichen Nahverkehr. Sie diente hierbei zur Erhöhung des Drucks auf die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst. Auf den sofortigen Angriff von Arbeitgeber:innen, dass der Streik durch das Aufgreifen von politischen Zielen rechtswidrig sei, reagierte Frank Werneke mit einem Video auf Instagram, in dem er betonte, dass streiken immer politisch sei und ver.di politische Themen wie eben den Klimawandel in Arbeitskämpfe tragen würde. Er versicherte jedoch, die Streikziele würden sich weiterhin zu 100 Prozent auf ökonomische Forderungen beziehen.
Und genau das ist die Hürde, die uns die Gewerkschaftsbürokratie auferlegt, die es für politische Streiks gegen Inflation, Krise, Krieg und Aufrüstung zu überwinden gilt. Es ist zu begrüßen, dass die Streiks der Beschäftigten im öffentlichen Nahverkehr mit dem Klimastreik zusammengelegt wurden. Genauso war es wichtig, die Aktionen zum Frauenkampftag, dem 8. März, mit bundesweiten Streiks im Sozial- und Erziehungsdienst zusammenzulegen, bedenkt man, dass gerade in den Bereichen Soziales, Gesundheit und Bildung vorwiegend Frauen beschäftigt sind, die wegen ihrer schlechteren materiellen Lage besonders unter der Krise leiden. Doch müssen die Forderungen der Streiks über rein ökonomische Forderungen nach mehr Lohn hinausgehen zu kämpferischen politischen Forderungen, die sich gegen die Angriffe auf die Arbeiter:innen und die Fortsetzung des Krieges richten.
Auch international werden ähnliche Streiks zeitlich geführt. Wir können uns ein Vorbild bei den Arbeiter:innen aus Frankreich und Großbritannien nehmen, die zu Zehntausenden auf den Straßen streiken. So kämpfen sie sektorenübergreifend gegen Inflation und für bessere Arbeitsbedingungen und in Frankreich gegen die neue Rentenreform.
Um das komplette Potenzial der Streiks auszunutzen, müssen kämpfenden Sektoren, der GEW, TVöD, Post und Flughäfen zusammengeführt werden. Weiterhin ist es notwendig, in den Gewerkschaften zu einer Urabstimmung für Erzwingungsstreiks aufzurufen. Denn wenn nicht weiterhin gestreikt wird, werden die Forderungen der Beschäftigten nicht umgesetzt werden.
Wir brauchen gemeinsame Erzwingungsstreiks von hunderttausenden für die vollständige Durchsetzung unserer Forderungen! Durch Streiks für mehr Lohn müssen wir auch Druck auf die Bundesregierung machen, damit das Renteneintrittsalter nicht erhöht wird, keine weiteren Kürzungen in Gesundheit und Bildung stattfinden und die 45 deutschen Unternehmerfamilien, die so viel Vermögen wie 40 Millionen Arbeiter:innen besitzen, zur Kasse gezwungen werden und ihr Milliardenvermögen für die Finanzierung unserer Forderungen verwendet wird.