Grüne und FDP: Viel Lärm, aber am Ende steht Merkel

01.11.2017, Lesezeit 4 Min.
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Das Scheitern der Sondierungsgespräche wurde zuletzt von der CSU beschworen. Die kleinen Koalitionär*innen wollen nicht überall mitspielen. Aber haben sie eine Wahl?

Noch in der letzten Woche warfen die künftigen Regierungsparteien mit verbalen Drohungen um sich. Die CSU drohte mit dem Scheitern der Gespräche, falls die Grünen keine Kompromisse eingingen. Die Union stellte das Finanzministerium in Frage, um der FDP eins auszuwischen. Und Martin Schulz lachte sich vermutlich ins Fäustchen und forderte für den Fall des Scheiterns der Gespräche bereits Neuwahlen.

Doch Neuwahlen wollen Union, FDP und Grüne wohl lieber doch nicht erleben. Am Montag verkündeten sie grundlegende Übereinstimmung in der Bildungspolitik. Zwar sollen Studierende von der Aufstockung des Budgets profitieren und leichter an BAföG oder Stipendien kommen. Und auch in der Pflege kündigten die Parteien eine Aufstockung bei der Finanzierung und beim Personal an. Doch konkrete Pläne für die Umsetzung gibt es nicht. Besonders die prekäre Situation von Krankenhausbeschäftigten war erst mit Aktionen und öffentlichen Auftritten stärker in den Fokus des politischen Geschehens gerückt.

Auf eine Lösung durch die neue Koalition werden die Kolleg*innen wohl kaum hoffen können. Denn wenn die Koalition eines nicht ist, dann eine soziale. Schon in der letzten Woche haben sich die Parteien darauf geeinigt, keine neuen Schulden zu machen. Besonders die FDP hat bereits klar gemacht, dass ihr zentrales Projekt Steuersenkungen für Kleinkapitalist*innen sind. Aus den Reihen der Union wurde bereits angekündigt, das Renteneintrittsalter wieder anheben zu wollen. Projekte, die letztlich weitere Angriffe auf die Rechte von Beschäftigten darstellen.

Geld für innere Sicherheit

Auf der anderen Seite wird die Koalition die Militarisierung nach innen weiter vorantreiben. Datenüberwachung und -speicherung sowie Kameraüberwachung und Aufstockung der Polizei und der Geheimdienste sind dafür die Stützpfeiler. Vorgeblich, um besser gegen „islamistischen Terror“ vorgehen zu können. Doch dass all diese Maßnahmen vor allem gegen linke Aktivist*innen und Geflüchtete eingesetzt werden, haben wir nicht zuletzt im Juli in Hamburg und in den Wochen darauf erlebt, in denen Wohnungen durchsucht, Aktivist*innen vor Gericht gezerrt und die Website linksunten.indymedia.org verboten wurde. Und diese Angriffe gehen unvermittelt weiter. In München hat die Gewerkschaft der Polizei (erfolglos) versucht, den Antifa-Kongress im Gewerkschaftshaus zu verbieten. Die Berliner Behörden haben bereits angekündigt, die traditionelle Luxemburg-Liebknecht-Demonstration im Januar in Berlin mit stärkeren Auflagen zu belegen. All das geht einher mit einer Aufrüstung der Polizei. Dieses Wettrüsten nach innen wird von allen Parteien mitgetragen – nur das genaue Ausmaß ist noch unklar.

Die Kontinuität der FDP

Politisch krachen könnte es noch einmal in den kontroversen Fragen, die letzte Woche aufgeschoben wurden. Besonders die FDP hält dabei an ihrer Politik fest, die sie bereits in der Schwarz-Gelben Koalition vor acht Jahren gefahren haben. Eine Politik für einen kleinen Teil des Kapitals, den sie mit Steuergeschenken beglücken wollen. Eine weitere Kontroverse ist die Europapolitik. Die FDP hat bereits vor acht Jahren deutlich gemacht, dass sie gegen die Eurorettungsschirme ist. Sie war große Fürsprecherin eines EU-Austritts von Griechenland. Damals haben sie sich dem Druck der Union beugen müssen. In den jetzigen Sondierungsgesprächen taucht diese Frage erneut auf, worauf die Union mit der Abschaffung des Finanzministeriums gedroht hatte, damit die FDP diesen Posten nicht bekommt. Auch in der Klimapolitik sträuben sich die Liberalen gegen das Erneuerbare Energien-Gesetz (EEG) und damit gegen staatliche Beihilfen.

Kompromisse für die Regierungsbildung

Die Lösung dieser Kontroversen könnte zumindest noch einmal interessant werden. Besonders die Schwäche der Union erhöht den Druck auf CDU und CSU, stärkere Kompromisse mit FDP und Grünen einzugehen. Aber auch die außenpolitischen Krisen in Katalonien oder die Fragen des Brexits machen eine baldige Regierungsbildung für das deutsche Kapital notwendig, um als Hegemon in der EU weiter handlungsfähig zu bleiben. Die Grünen haben für Ende November ihren Bundesparteitag angesetzt, um dort über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen abzustimmen. Alles deutet darauf hin, dass die Grünen die rechte Politik der Unionsparteien im Äußeren und Inneren mittragen werden.

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