Grüne sind für Obergrenze

19.11.2017, Lesezeit 4 Min.
1

Am Samstag Abend wurde bekannt, dass die Grünen in der Frage der Obergrenze für die Aufnahme von Geflüchteten eingeknickt sind. Sie haben sich in einem „Kompromissangebot“ dazu bereit erklärt, dass in Zukunft die „Zahl von 200.000 Flüchtlingen pro Jahr als atmender Rahmen“ gelten soll.

Damit ordnen sie sich nicht nur der CSU und ihrer rassistischen Hetze unter, sie zeigen auch umso deutlicher, dass hinter ihrer kurzlebigen sozialen Wahlkampfrhetorik eben doch nur eine liberale, kleinbürgerliche Partei mit grünem Anstrich steckt. Dieses Bekenntnis zur Obergrenze wird begründet mit der Hoffnung, Union und FDP würden sich so kompromissbereit bei Themen wie dem Familiennachzug zeigen. Dieser wurde für Menschen mit subsidiärem Schutz (das betrifft z.B. die meisten Geflüchteten aus Syrien) von der großen Koalition zunächst für zwei Jahre ausgesetzt. Die anderen Parteien haben aber bisher keine Anzeichen gegeben, sich auf einen solchen Deal einzulassen.

Doch auch in diesem unwahrscheinlichen Fall, haben die Grünen mit einem solchen Schritt de facto auch die Forderung nach Familiennachzug aufgegeben. Eine Obergrenze, sei sie auch noch so „weich“ und „atmend“, wird unweigerlich zur weiteren Untergrabung und Aushebelung der Rechte von Gefüchteten führen, auch dem von den Grünen so oft beschworenen „Grundrecht auf Asyl“, das schon lange zu einer Farce verstümmelt wurde.

Wenn sie sagen, dass sie das Grundgesetz „weder infrage stellen noch aushöhlen“ werden und gleichzeitig für „schnellere Bearbeitung von Anträgen sind“, entlarven sie ihren Zynismus. Damit stimmen sie Eilverfahren zu, in denen einfach, schnell und ohne sauberen Prozess abgeschoben werden kann, mit denen das Grundgesetz formal eingehalten wird und trotzdem mehr Menschen abgeschoben werden können.

Denkt man an die vergangene Regierungspraxis im Bund und in den Ländern, überrascht dieses Fallenlassen einer vermeintlichen „roten Linie“ in der Migrationspolitik nicht mehr. In ihrer ersten Regierungsphase haben sie der Agenda 2010 samt Hartz 4, der Verschleppung des Ausstiegs aus der Atomenergie und dem ersten Auslandseinsatz der Bundeswehr seit dem Zweiten Weltkrieg zugestimmt. Die gelegentliche soziale Rhetorik ist nicht mehr als ein bisschen Zucker für ihre eigene Basis. Die Peitsche bekommen die Refugees an den europäischen Außengrenzen ab.

Regieren um jeden Preis

Die Grünen haben schon lange den Weg nach rechts beschritten – der CDU entgegen und in manchen Fragen auch mal stramm an ihr vorbei – und sich kontinuierlich von linken Inhalten getrennt, um ihre kleinbürgerliche Basis zu festigen und sich als verantwortungsvolle und wirtschaftlich kooperative Regierungsoption zu positionieren.

Letztendlich geht es der Führung der Grünen auch in diesen Verhandlungen um eine Regierungsbeteiligung um jeden Preis. Ein Scheitern der Jamaika-Koalition birgt das Risiko unberechenbarer Neuwahlen, nach denen Union und FDP möglicherweise auf die Beteiligung der „lästigen Grünen“ verzichten könnten. Mit dem Aufgeben von Wahlversprechen – auch in anderen Fragen, wie beispielsweise in der Klimapolitik – erhofft sich die Bürokratie der Grünen, Ministerposten zu sichern und so den Kapitalismus in bester bürgerliche Manier mit verwalten zu können. Von ihrem vermeintlichen Antirassismus bleibt nicht viel übrig, wenn Posten, Macht und Geld winken. Grünen-Bundesvorsitzender Cem Özdemir hat in der FAZ sogar „Patriotismus für das Land“ als Taktik gegen den stärker werdenden Rechtsruck in Europa und die weltweiten Krisen vorgeschlagen.

Gemeinsamer Kampf

Es braucht hingegen einen gemeinsamen Kampf aller linken Gruppen und Parteien gegen die Obergrenze, gegen Abschiebungen und den Rechtsruck. Die Linke muss dabei auch unbedingt über lokale Borniertheit hinauskommen. Um den lokal vereinzelten Widerstand zusammenzuführen, brauchen wir endlich eine bundesweit vernetzte Bündnisstruktur aller Linken. Nur so kann eine antirassistische Massenbewegung aufgebaut werden, die rassistische Maßnahmen wie die Obergrenze zu Fall bringen kann.

Gemeinsame Mobilisierungen, wie aktuell nach Hannover gegen den Parteitag der AfD, können ein Ansatz dazu sein.

Mehr zum Thema