Größter Frauenkampftag seit Jahren

12.03.2014, Lesezeit 5 Min.
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// Mehr als 3.000 Menschen demonstrieren in Berlin am internationalen Frauenkampftag //

Letztes Jahr am 8. März hat es in Berlin geschneit – zur Demonstration anlässlich des internationalen Frauenkampftags 2013 kamen nur einige Hundert Menschen. Dieses Jahr gab es strahlende Sonne – es wird nicht nur am Wetter gelegen haben, dass über 3.000 Menschen demonstrierten. Den Aufruf des Bündnisses „Frauen*kampftag 2014“ hatten mehr als 80 Organisationen unterzeichnet. „Vergleichbares gab es seit 20 Jahren nicht mehr in Deutschland“, sagt Ines Schwerdtner aus dem Bündnis.

Junge und alte Frauen, aber auch nicht wenige Männer, versammelten sich am Bahnhof Gesundbrunnen im Norden der Stadt. Ihre Schilder machten auf die Vielfalt feministischer Forderungen aufmerksam: für die rezeptfreie Abgabe der „Pille danach“, gegen sexualisierte Gewalt oder für gleiche Löhne. Denn Frauenrechte sind eine Klassenfrage: Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft kam mit einer Sambatruppe und einem Transparent der „GEW-Frauen“, das aus Putzlappen gebastelt worden war.

Der 8. März, so das Bündnis, habe in den letzten zwei Jahrzehnten eher ein Schattendasein gefristet. An den Internationalen Frauentag werde höchstens vereinzelt mit Nelken oder Rosen erinnert. „Der Frauen*kampftag ist eine neue feministische Offensive, mit der wir den 8. März repolitisieren und eine Öffentlichkeit für feministische Anliegen und Forderungen schaffen wollen“, so Josephine Michalke aus dem Bündnis. Der Frauentag wurde auf Anregung der deutschen Sozialdemokratin Clara Zetkin erstmals am 19. März 1911 in Deutschland und in Nachbarländern organisiert. Seit 1921 wird der Frauentag jährlich am 8. März gefeiert.

An den vielen grünen Luftballons und roten Fahnen war die starke Präsenz der Parteien Grüne sowie SPD und Linke zu erkennen. Die rot-grüne Bundesregierung hatte mit der Agenda 2010 und Angriffskriegen Frauen in Deutschland in Armut gestürzt, während sie Frauen in Afghanistan mit Bomben umbrachte. Vielleicht ist es als kleine Entschuldigung zu sehen, dass die SPD nach Angaben ihrer Mitglieder Geld an das Demobündnis spendete. „Viel Beschissenes“ in Bezug auf Frauenrechte habe es von der SPD gegeben, so gestand ein Aktivist der JuSos, aber auch gute Momente wie die Einführung des Frauenwahlrechtes im Jahr 1919.

„Mein Körper, meine Entscheidung“ hieß es auf T-Shirts der Europäischen Linkspartei. Diese plant im Zusammenhang mit der kommenden Europawahl eine internationale Kampagne für die Selbstbestimmung der Frau über ihren eigenen Körper – und das in der gesamten EU. Zu Gast war auch Cristina Simó von der Kommunistischen Partei Spaniens, die von den Angriffen auf das Abtreibungsrecht berichtete.

„Bürgerliches Anti-Atomkraft-Gedöns“ kritisierte eine Schülerin, und tatsächlich wirkte die Demo über manche Strecken mehr wie Wahlkampf als Frauenkampf. Am Ende des Demonstrationszuges liefen jedoch mehrere Dutzend junge SpanierInnen, die sich lautstark gegen das „Ley Gallardón“ aussprachen. Das Gesetz der konservativen spanischen Regierung soll das Recht auf Abtreibung stark einschränken. „Nicht die Kirche, nicht der Staat – Frauen müssen ihr Schicksal selbst entscheiden“, riefen die SpanierInnen. „Das Verbot ist auch eine soziale Frage, denn eine solche Regulierung trifft insbesondere ärmere Frauen“, sagt Sonia Ruiz, eine junge spanische Demonstrationsteilnehmerin, von der Bühne.

Im Demonstrationszug bildeten Sexarbeiterinnen einen weiteren Block, um die Anerkennung ihres Berufes zu fordern. „Wir müssen nicht gerettet werden“, hieß es auf roten Regenschirmen als Antwort auf den Aufruf, Prostitution – vermeintlich im Sinne der Frauen – zu verbieten. „Eine Frau von der Linkspartei hat uns bespuckt“ erzählt Stefanie Boulila, eine feministische Forscherin, die sich mit dem Block der Sexarbeiterinnen solidarisierte, „aber sonst haben alle Leute geklatscht.“ Weiter vorne gab es auch einen Block von Prostitutionsgegnerinnen: „Wir wollen keine ‚Bio-Prositution‘, wir wollen gar keine“ hieß auf auf ihrem Flyer. Weil sie sich mit Perücken und Playboy-Bunny-Ohren verkleidet hatten, fühlten sich die Sexarbeiterinnen karikiert und herabgewürdigt. Sie umzingelten die Gruppe der Kritikerinnen und ließen sie nicht weiterlaufen. Manche der Sexarbeiterinnen übersprühten die gegnerischen Schilder mit Farbe, andere diskutierten sachlich, in ruhigen Gesprächen, weiter. Das Ganze führte dazu, dass der hintere Teil des Demonstrationszuges fast zehn Minuten stehen bleiben musste. „Kein Feminismus ohne Rechte für Sexarbeiterinnen“, so resümierte Boulila die Auseinandersetzung.

Vor der Volksbühne endete die Demonstration mit einem Konzert der feministischen Rapperin Sookee. Dort wurde ein Text verteilt, den Rosa Luxemburg genau 100 Jahre davor, am 8. März 1914, über „die Proletarierin“ veröffentlicht hatte. Luxemburg erkannte, „dass die Gleichberechtigung der Frauen den Staat noch nicht umstürzt, die Herrschaft des Kapitals nicht antastet.“ Sie schlussfolgerte: „Die proletarische Frau kann nur der Bahn des Arbeiterkampfes folgen“, um „diese Gesellschaftsordnung unter Trümmern zu begraben“. In Zeiten, in denen immer mehr Frauen weltweit unter prekären Arbeitsverhältnissen leiden, klingen Luxemburgs Worte aktueller denn je.

In diesem Sinne waren auch Mitglieder der marxistischen Unigruppierung „Waffen der Kritik“ dabei, die mit Flugblättern und einem Transparent „einen klassenkämpferischen Feminismus“ forderten. Nur die Unterstützung von Kämpfen der ArbeiterInnen gegen Prekarisierung oder der Refugees gegen Rassismus kann die Gleichberechtigung der Frauen vorantreiben. Deswegen gründet sich eine neue Frauengruppe in Berlin mit revolutionär-sozialistischen Positionen. Inspiration kommt von der internationalen Frauenorganisation Pan y Rosas („Brot und Rosen“), auch wenn noch keine Organisation dieser Art in Deutschland besteht.

dieser Artikel im Neuen Deutschland

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