Großbritannien und Deutschland unterzeichnen historisches Militärabkommen

25.10.2024, Lesezeit 5 Min.
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Britische Armeeangehörige. Foto: NATO / Flickr.com

Das zwischen Deutschland und dem Vereinigten Königreich unterzeichnete Abkommen sieht eine noch nie dagewesene militärische Zusammenarbeit zwischen den beiden Ländern vor, die gemeinsame Ausbildung und Waffenproduktion umfasst. Dieses neue Abkommen wird vor dem Hintergrund der Spannungen an der Ostflanke der NATO und der zunehmenden Militarisierung in Europa geschlossen.

Am Mittwoch haben Vertreter Deutschlands und Großbritanniens in London ein Abkommen über die militärische Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern unterzeichnet. Dieser historische Militärpakt – der erste nach dem Zweiten Weltkrieg – kommt inmitten wachsender Besorgnis in der Europäischen Union und der NATO über den Krieg in der Ukraine zustande. Deutschland und Großbritannien planen, ihre Truppen gemeinsam auszubilden, Anstrengungen bei der Entwicklung von Langstreckenraketen zu unternehmen, die militärische Präsenz beider Länder in Europa zu verstärken und schließlich eine gemeinsame Waffenproduktion aufzubauen.

In einer am Dienstag veröffentlichten Erklärung sagte der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius: „Russland […] steigert seine Waffenproduktion erheblich und hat wiederholt hybride Angriffe gegen unsere Partner in Osteuropa gestartet. Die NATO-Verbündeten sind sich der aktuellen Bedürfnisse bewusst… und mit dieser Vereinbarung zeigen wir dies.“

Das sogenannte Trinity House Agreement zwischen Deutschland und dem Vereinigten Königreich, die die zweit- bzw. drittgrößten Geber von Militärhilfe für die Ukraine sind, trägt den europäischen Befürchtungen Rechnung, dass die USA im Falle eines Siegs von Donald Trump in den US-Präsidentschaftswahlen weniger in die ukrainische Front investieren könnten. 

Der ehemalige US-Präsident forderte nämlich weiterhin, dass die europäischen Staaten einen größeren Teil ihrer Haushalte für die Verteidigung und den Erwerb von US-Militärgütern aufwenden. Andernfalls würden die USA bestimmte Klauseln des Atlantischen Bündnisses nicht umsetzen. 

Während diese Drohungen vor allem darauf abzielen, die Auftragsbücher des militärisch-industriellen Sektors der USA zu füllen und auf billige Weise ein paar Punkte in den Wahlumfragen zu gewinnen, zielen sie in Kontinuität zum letzten NATO-Gipfel auch darauf ab, die Unterstützung Washingtons für die Ukraine und die NATO zu monetarisieren. 

Denn im Gegenzug verlangen die USA, dass die europäischen Staaten in die Sicherheit im Indopazifik investieren, sich an der strategischen Strangulation der chinesischen Wirtschaft beteiligen und den Wiederaufbau ihrer Streitkräfte beschleunigen. Das von Deutschland und dem Vereinigten Königreich unterzeichnete Abkommen bietet die ersten Garantien in dieser Hinsicht.

Der deutsche Minister erklärte auf einer Pressekonferenz in London, dass das Abkommen „der Beginn von etwas sehr Wertvollem ist, und die in diesem Vertrag vorgesehenen Projekte werden uns vor allem mehr Sicherheit in Europa bringen“, so L’Express. Dasselbe gilt für den britischen Verteidigungsminister John Healey, der glaubt, dass das Abkommen „ein Signal an unsere Gegner sendet: Wir werden abschrecken und uns gegen jede Aggression verteidigen“. Mit der Ausweitung der Militärhilfe für die Ukraine beginnen die europäischen Großmächte also einen Prozess der zunehmenden Militarisierung durch dieses neue Abkommens zwischen Großbritannien, Deutschland und Frankreich, wobei letzteres an den Verhandlungen über das Abkommen „beteiligt“ ist.

Das Trinity House Agreement sieht auch eine Ausweitung des Aktionsradius der britischen und deutschen Streitkräfte vor. Der schottische Stützpunkt Lossiemouth soll deutsche Seeüberwachungsflugzeuge beherbergen, die zur Überwachung der Nordatlantikküste starten werden. In der neu eröffneten Marinekommandozentrale der NATO im deutschen Hafen Rostock soll britisches Personal stationiert werden. Zudem sollen britische und deutsche Streitkräfte eine gemeinsame Ausbildung erhalten, um sich auf einen etwaigen Einsatz an der östlichen Front vorzubereiten.

Ein wichtiger Punkt des Abkommens ist die Errichtung einer Fabrik des deutschen Rüstungskonzerns Rheinmetall im Vereinigten Königreich, in der Geschützrohre und Panzer aus britischem Metall hergestellt werden sollen, wodurch 400 Arbeitsplätze geschaffen werden sollen. Der Rüstungskonzern will sich nicht auf Gewehre beschränken, sondern auch die Herstellung von Schießpulver auf britischem Boden erkunden und bereitet sich auf die Zusammenarbeit mit britischen Unternehmen bei der Herstellung teurer Kriegswaffen wie Panzer, Hubschrauber und Drohnen vor.

Darüber hinaus will sich das Vereinigte Königreich, das durch die jahrelangen Spannungen nach dem Brexit ins Abseits gedrängt wurde, gemeinsam mit Italien, Polen, Frankreich und Deutschland an einem europäischen Projekt zur Entwicklung von Langstreckenraketen beteiligen. Diese neuen Raketen sollen eine größere Reichweite haben als die britischen Storm-Shadow-Raketen, um im Krieg weiter Kraft auszustrahlen. Derweil kündigte Pistorius an, 600 neue Taurus-Raketen kaufen zu wollen.Wenige Wochen nach der Veröffentlichung des Draghi-Berichts und den Forderungen der Europäischen Kommission nach einer koordinierten Militarisierung in Europa zeigt diese neue Vereinbarung die tödlichen Widersprüche der europäischen Militarisierung auf. Während die Kommission darum ringt, ihre Pläne durchzusetzen, beeilen sich die europäischen Länder unter dem Druck der Krise in den entwickelten Volkswirtschaften, der gedrückten Märkte und der unsicheren Versorgungsketten, ihre militärischen Fähigkeiten Stück für Stück wiederherzustellen. Ein Wettlauf der Militarisierung und Zerstörung, für den die arbeitenden Klassen Europas mit jahrelanger Sparsamkeit, sozialem Elend, Krieg und Tod bezahlen werden.

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