Großangriff der Post AG

15.03.2015, Lesezeit 4 Min.
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// PREKARISIERUNG: Der ehemalige Staatskonzern nähert sich dem „Modell Amazon“. Wenn es zum Widerstand kommt, ist eine Zusammenführung der Kämpfe zentral. //

Die Deutsche Post AG plant eine massive Verschlechterung der Arbeitsbedingungen ihrer Belegschaft. „Wir müssen das Delta zwischen den Lohnkosten der Post und denen der Konkurrenz schließen“, äußerte sich Vorstandschef Frank Appel, „wir zahlen heute unseren Mitarbeitern teilweise doppelt so viel wie unsere Wettbewerber“. Diese Aussagen muss man vor dem Hintergrund der hohen Gewinne sehen, die die Deutsche Post einfährt. Ihre Aktien sind auf Rekordkurs, seit 2008 stieg der Gewinn pro MitarbeiterIn um 56 Prozent. Passend dazu wurden auch die Preise für KundInnen kontinuierlich erhöht.

Trend zur Prekarisierung

In den letzten Jahren stellte die Post immer mehr Beschäftigte befristet ein. Heute haben ein Drittel der PaketzustellerInnen nur befristete Verträge. Der aktuell geltende Haustarif und der relativ hohe Organisationsgrad der ArbeiterInnen verhinderten bisher weitere Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen. Das möchte die Post nun umgehen.

Deshalb gründete sie im Januar Regional­gesellschaften unter dem Namen „DHL Delivery GmbH“, deren im Handelsregister eingetragener Unternehmenszweck „die Erbringung logistischer Dienstleistungen, insbesondere Beförderung und Zustellung von Paketsendungen“ ist. Der geltende Haustarif soll also durch den Tarif der Speditions- und Logistikbranche ersetzt werden. Das bedeutet nicht nur bis zu 35 Prozent weniger Lohn, sondern auch flexible Arbeitszeiten von bis zu 10:45 Stunden pro Tag und die Pflicht zu Mehrarbeit an freien Tagen. Eine planbare Freizeit ist damit nicht möglich. Es gibt keinen Schutz vor Versetzungen und keinen tarifvertraglichen Kündigungsschutz. Das Ziel ist die massive Erhöhung des Drucks und der Flexibilisierung der gesamten Belegschaft.

Begonnen hat es bereits: Aktuell befristet angestellte PaketlieferantInnen werden gezwungen, in die Tochter­firmen zu wechseln. Entweder akzeptieren sie die schlechteren Löhne und Arbeitsbedingungen der Delivery GmbH oder ihre Verträge werden nicht verlängert. Die Agentur für Arbeit teilte einigen befristet Beschäftigten bereits mit, dass sie bei einer Ablehnung des Angebots mit einer Streichung von Leistungen rechnen müssten. Unter diesen Bedingungen, vor allem angesichts des fehlenden Kündigungsschutzes, wirkt die angebotene Entfristung beim Wechsel wie Puderzucker auf einem Haufen Scheiße.

Vorbild Amazon

Es ist wenig überraschend, dass das Produktionsmodell des Online-Marktführers Amazon auch auf andere Unternehmen ausstrahlt. Die Post als ehemaliges Staatsunternehmen befindet sich dabei zwar in einer völlig anderen Ausgangslage, kann sich dem Druck der Konkurrenz aber dennoch nicht entziehen. Bisher unterschied sie sich unter anderem durch die starke Verankerung der Gewerkschaft im Unternehmen und durch die lange bestehende Sozialpartnerschaft, die nun jedoch vor der endgültigen Aufkündigung steht.

Der massive Anstieg von Befristungen in den vergangenen Jahren auf zehn Prozent der Gesamtbelegschaft – also fast 15.000 Beschäftigte – zeigte bereits die neue Marschrichtung auf. Die jetzt angebotenen Langzeitverträge dienen dabei nur dem schnellen Aufbau der neuen Tochtergesellschaften. Für die Zukunft ist auch dort mit einer großen Zahl befristeter Stellen zu rechnen.

Weitere Elemente des „Modell Amazon“ könnten folgen: Insbesondere der massive Druck zur Selbstoptimierung der MitarbeiterInnen und die immer stärkere Erfassung und präzise Taktung jedes einzelnen Produktionsschritts sowie die damit einhergehende Tendenz zur Überausbeutung.

Gemeinsamer Kampf

Ver.di hat bereits Widerstand angekündigt, der Vorsitzende Frank Bsirske betonte sogar, es drohe „ein richtiger Großkonflikt in einem Bereich, der gewerkschaftlich sehr, sehr gut organisiert ist“. Dennoch sollten die tausenden betroffenen KollegInnen nicht darauf vertrauen, dass auf den harten Angriff automatisch eine energische Antwort folgt. Sie müssen selbst dafür sorgen, dass ihre Gewerkschaft es nicht bei symbolischem Protest belässt, sondern schlagkräftige Streiks organisiert und dabei alle Post-Beschäftigten miteinbezieht, inklusive der neuen Tochtergesellschaften. Darüber hinaus darf es eigentlich keinen Weg vorbei an der naheliegenden Allianz mit den Streikenden bei Amazon geben.

DHL ist in Deutschland immer noch mit Abstand Amazons größter Logistikpartner. Ein gemeinsamer Kampf würde also besonders gute Möglichkeiten eröffnen. Wenn die gut organisierten KollegInnen der Paketlieferdienste gleichzeitig mit Amazon-Beschäftigten streiken, dann könnte der US-Konzern auch mit noch so vielen StreikbrecherInnen massive Auswirkungen auf sein Kerngeschäft nicht mehr verhindern. Gemeinsam könnten die verschiedenen Belegschaften nicht nur aktuelle Angriffe zurückschlagen, sondern hätten auch die Kraft, die politischen Wegbereiter dieser Angriffe, wie die Agenda 2010, zu bekämpfen. Diese Chance darf nicht vertan werden.

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