Griechenland: Die Rechte zurück an der Macht, das Zweiparteiensystem „wiederhergestellt“?

10.07.2019, Lesezeit 6 Min.
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Wird der klare Sieg der Rechten in einem Kontext rekordverdächtiger Enthaltung und einer noch immer sehr fragilen Wirtschaft ausreichen, um die von den griechischen Kapitalist*innen erträumte politische Stabilität zu gewährleisten?

Vor dem Hintergrund einer rekordverdächtigen Wahlenthaltung freuen sich die griechischen (und europäischen) Herrschenden über die Rückkehr der Rechten an die Macht, nachdem Syriza 2015 als „Unfall“ die Regierung übernommen hatte. Der klare Sieg der Rechten auf der einen Seite und die relative Niederlage von Tsipras auf der anderen Seite ermöglichen es, ein Regime in gewisser Weise wiederherzustellen, in der sich zwei Parteien an der Macht abwechseln, um die Durchsetzung der Sparpolitik zu gewährleisten.

Die vorgezogenen Parlamentswahlen markieren die Rückkehr der Rechten an die Macht: Die rechtskonservative Nea Dimokratia errang mit 39,85 Prozent der abgegebenen Stimmen einen großen Sieg – gegen 28,09 Prozent im September 2015 –, was einen starken Anstieg der absoluten Wähler*innenzahl widerspiegelt. Die Niederlage von Syriza ist jedoch mit 31,53 Prozent der Stimmen nicht so groß wie erwartet – im September 2015 waren es 35,46 Prozent –, auch wenn die absolute Stimmenzahl aufgrund der höheren Stimmenthaltung dieses Mal deutlich geringer ist. Diese Wahlen könnten daher eine neue politische Zweiteilung um diese beiden Parteien herstellen, die die ständige Links-Rechts-Abwechslung der Regierungen in der Zeit vor der Krise erneuert und für die Arbeiter*innen nichts Gutes ankündigt.

Diese Tatsache ist besonders auffällig angesichts der Schwäche der anderen Parteien, wie z.B. Kinal (Zusammenschluss der alten sozialdemokratischen Pasok und ihrer Verbündeten), die von Syriza endgültig als Pol der Sozialdemokratie verdrängt wurde. Ebenso verlor die neonazistische „Goldene Morgenröte“ (GM) die Hälfte ihrer Wähler*innen, weshalb sie aus dem Parlament herausfliegen, jedoch zugunsten einer neuen nationalistischen Partei, „Griechische Lösung“, die für die Öffentlichkeit annehmbarer war als GM.

Die Kommunistische Partei (KKE) gelangte mit 5,3 Prozent der abgegebenen Stimmen ins Parlament, hat aber ihren allmählichen Rückgang der letzten Jahre fortgesetzt. Hervorzuheben ist auch die Rückkehr von Yannis Varoufakis, ehemaliger Finanzminister von Syriza im Jahr 2015, in die griechische Politik. Er hat es mit seiner Partei MeRA25 (Teil von DiEM25) geschafft, die Drei-Prozent-Hürde für den Eintritt ins Parlament zu überschreiten.

Es sei auch darauf hingewiesen, dass die linksradikalen Parteien extrem geschwächt aus den Wahlen hervorgingen, wie beispielsweise im Falle von Antarsya, die nicht einmal 1 Prozent der abgegebenen Stimmen erreicht haben. Schließlich verdient die ehemalige Linke Plattform von Syriza, die im August 2015 in Richtung einer neuen Partei, „Volkseinheit“ (LAE), gegangen ist, eine besondere Erwähnung: Mit 0,2 Prozent der Stimmen ist diese Formation, die zum „Syriza der Ursprünge“ zurückkehren wollte und mit Euroskepsis und nationalistischen Positionen flirtete, völlig gescheitert.

Die fragile Wiederherstellung des Zweiparteiensystems und Syrizas Rolle in der Opposition

Die sehr starke Enthaltung von rund 42 Prozent relativiert den Eindruck einer Rückkehr zur Normalität in der griechischen Politik, über die sich die herrschenden Klassen so freuen. Seit Beginn der Krise hat die Wahlenthaltung weiter zugenommen, was zeigt, dass die Diskreditierung der Politik nach wie vor sehr groß ist.

Die Rückkehr der Rechten an die Macht, mit einer vereinfachten liberalen Agenda, kündigt eine Fortsetzung und Verschärfung der Angriffe auf die Arbeiter*innen an. Das Programm des neuen Premierministers Kyriakos Mitsotakis sieht eine Senkung der Kapitalsteuer, d.h. Geschenke an Unternehmen und Aktionär*innen, sowie eine Senkung der allgemeinen Steuern vor. Eine Rentenreform ist bereits im Gange.

Die Rechte an der Macht und die herrschende Klasse sind sich jedoch bewusst, dass mit dem Abtritt von Syriza die Gefahr einer Rückkehr des Klassenkampfes besteht. Denn Syriza war trotz all ihrer massenfeindlichen Politik sehr nützlich, um die Arbeiter*innenbewegung und die sozialen Bewegungen zu lähmen. Das erklärt die rechte Zeitung Kathimerini sehr deutlich: „Der Wandel muss schnell erfolgen, wenn Herr Mitsotakis das Zeitfenster nutzen will, das ihm sein überzeugender Sieg bietet. Sein Wunsch, Investitionen zu fördern und Recht und Ordnung wieder herzustellen, indem er gegen Anti-Establishment-Gruppen in Athen und an den Universitäten kämpft, wird starke Reaktionen hervorrufen, was starke Nerven und Unterstützung in der Bevölkerung erfordert. Hier kann die Rolle von Syriza als wichtigste Oppositionspartei entscheidend sein. Herr Tsipras kann entweder beschließen, seine Partei zu einer Mitte-Links-Partei zu machen […] oder weiterhin politisches Kapital aus der Unzufriedenheit der Bevölkerung schlagen.“ In diesem Zusammenhang hat Mitsotakis bereits die Aussetzung der parlamentarischen Sommerferien angekündigt, damit er so schnell wie möglich mit der Umsetzung der Reformen beginnen und die Dynamik seiner Wahl nutzen kann.

Mit anderen Worten, die griechischen Kapitalist*innen wollen, dass Syriza – nachdem sie seit Beginn der Krise mehr Angriffe auf Arbeiter*innen und die Massen verübt hat, als jede andere rechte Partei – zu einer entscheidenden Kraft wird, um nicht nur die Reformen fortzusetzen, sondern auch die Unterdrückung des Widerstands von Arbeiter*innen und Jugendlichen oder der so genannten „Anti-Establishment-Gruppen“ zu verstärken.

Die Gläubiger sind von dem Sieg der Rechten nicht beeindruckt

Angesichts der demagogischen Ankündigungen von niedrigeren Steuern und höheren Einkommen hat die Eurogruppe bereits an die Zusagen der vorherigen Regierung erinnert, dass die vereinbarte Austeritätspolitik in Griechenland unter ihrer Aufsicht weiterhin gelten muss.

Die Gläubiger des Landes sind sich durchaus bewusst, dass die griechische Wirtschaft nach wie vor instabil ist und dass weitere Schwierigkeiten die wirtschaftliche, aber auch die soziale Situation noch einmal verschlimmern könnten. Es sollte nicht vergessen werden, dass die offizielle Arbeitslosigkeit in Griechenland mit rund 18% nach wie vor sehr hoch ist, dass die Wirtschaft des Landes 20% unter dem Niveau von 2009 liegt, dass die Verschuldung über 180% des BIP liegt und dass das Land die „Rettungspakete“ der „Troika“ bis mindestens 2060 zurückzahlen muss. In diesem Sinne werden über die ideologische Propaganda zur „Wiederherstellung des Zweiparteiensystems“ und zur Rückkehr der „politischen Stabilität“ hinaus die Herausforderungen auf wirtschaftlicher und sozialer Ebene entscheidend sein, um die Zukunft der griechischen Situation zu bestimmen.

Für die Arbeiter*innen, die Jugend und die armen Massen, die von Syrzas Verrat an ihren Wahlversprechen im Jahr 2015 in großem Maße enttäuscht sind, besteht die Herausforderung nun darin, Widerstand gegen die aggressive Politik der herrschenden Rechten aufzubauen, ohne in geringstem Maße Syriza zu vertrauen, die jetzt in der Opposition sind. Die radikale antikapitalistische Linke, die in den letzten Jahren in einem sehr komplizierten sozialen und politischen Kontext große Schwächen gezeigt hat, könnte eine Gelegenheit finden, sich im Kontext eines möglichen Anstiegs des Klassenkampfes zu stärken – vorausgesetzt, sie zieht die Lehren aus der Vorperiode.

Dieser Artikel erschien zuerst Französisch bei Révolution Permanente.

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