Interview mit Students for Palestine Köln

18.06.2024, Lesezeit 7 Min.
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Bild: Jonas Rela

Mit Protestcamps in Köln, Münster, Bonn, Dortmund, Düsseldorf, und Aachen wächst der Widerstand gegen die deutsche Beteiligung am Gaza-Krieg und der Besatzung Palästinas unter Studierenden auch in NRW weiter.

Am 26.05.2024 verkündete eine Gruppe Studierender der Universität zu Köln, ein neues Protestcamp in Solidarität mit den Menschen in Palästina aufzubauen, nachdem ein erster Versuch anderer Gruppen und Einzelpersonen gescheitert war. Überraschenden Besuch bekamen die Aktivist:innen des Camps kürzlich von Greta Thunberg, die einen Tag zuvor an einer Kundgebung in Bonn teilgenommen hatte. Auch dort existiert seit Anfang Mai ein Protestcamp, dessen Aktivist:innen zuletzt Hörsäle besetzt hatten, die daraufhin erneut gewaltsam von der Polizei geräumt wurden.

Die Universität zu Köln hat sich in der Vergangenheit nicht nur in Bezug auf den Gaza-Krieg erschreckend reaktionär positioniert. Über diese Themen sprachen wir in folgendem Interview mit gewählten Sprecher:innen des Camps an der Uni Köln am 07.06.2024.

Klasse Gegen Klasse: Was sind die Forderungen Eures Protestcamps?

Students for Palestine Köln: Wir fordern unsere Universität auf, den fortlaufenden Genozid in Palästina anzuerkennen und sich öffentlich für dessen Beendigung auszusprechen, sowie die vorhandene diplomatische, finanzielle und akademische Unterstützung Israels einzustellen. Dadurch soll Druck auf die deutsche und die israelische Regierung ausgeübt werden, welche ultimativ für ein Ende des Genozids und der Besatzung sorgen müssen.

Außerdem sehen wir Grund zur Sorge, dass Forschungskooperationen für militärische oder Dual-Use Technologien bestehen und pochen darauf, dass diese überprüft werden und unabhängig von tatsächlicher oder möglicher Anwendung durch die IDF unverzüglich eingestellt werden. Wir verweisen die Universität auf die am 25. März 2015 in die neue Grundordnung der Uni aufgenommene Zivilklausel und mahnen, diese ernst zu nehmen und auch alle weiteren akademischen Kooperationen mit israelischen Universitäten einzustellen, um politischen Druck auszuüben. Des Weiteren fordern wir die Uni auf, sich am Wiederaufbau der zerstörten Bildungseinrichtungen in Gaza zu beteiligen, insbesondere durch Wissenschaftskooperationen und Entsendung von Lehrenden. Das Angebot und die Finanzierung von Psychotherapien und anderen Maßnahmen für das Wohlbefinden der vom Krieg traumatisierten palästinensischen Studierenden gehören auch zu unseren Forderungen.

Mit Entsetzen haben wir die Einladung der Rüstungslobbyistin Marie Agnes Strack-Zimmermann an die Uni Bonn zur Kenntnis genommen und erwarten von unserer Uni, dass sie diesem Beispiel nicht folgen wird und Kriegspropaganda auf ihrem Boden unterlassen wird. Zudem ist uns wichtig, einen zensurfreien Raum für einen freien und kritischen Diskurs über die Geschichte Palästinas, die Besatzung und den Genozid zu schaffen. Die zunehmende Polizeigewalt gegen palästinasolidarische Bewegungen und der Polizeigewalt in deutschen Universitäten alarmieren uns und wir sehen die Uni Köln in der Pflicht, die Freiheit der Forschung vor staatlicher Einflussnahme zu schützen und uns Studierende vor Polizeigewalt zu schützen. Die Repressionen gegen Palästina solidarischen Mitgliedern der Universität zu Köln müssen sofort gestoppt werden. In diesem Zusammenhang verurteilen wir die Ausladung der amerikanischen Philosophin Nancy Frasers und das Aussprechen von Hausverboten gegen Studierende während des Auftritts des israelischen Botschafters Ron Prosor. Die Universität zu Köln tut nicht nur nicht genug zum Schutz ihrer Studierenden, sondern legt diesen auch noch Repressionen auf, um ihr Recht auf freie Meinungsäußerung einzuschränken.

KGK: Gab oder gibt es Kontakt zum Allgemeinen Studierendenausschuss der Uni Köln? Und falls ja, wie schätzt Ihr ihn ein?

SfP-Köln: Wir haben den AStA mit unseren Forderungen kontaktiert und bisher keine Antwort bekommen. Wir gehen auch nicht davon aus, dass eine Antwort kommt.

KGK: Wie ist die Haltung der Unileitung und hat sie sich im Laufe Eures Protests verändert?

SfP-Köln: Die Unileitung ist bisher nicht auf unsere Forderungen und auch nicht auf ein Gespräch mit uns eingegangen. Stattdessen haben sie ihr Bedauern geäußert, keine rechtliche Handhabe zu haben, unser Camp räumen zu lassen, weil wir uns auf städtischem Grundstück befinden. Und Ihre Haltung dazu hat sich auch nicht verändert.

KGK: Gibt es Austausch oder sogar Zusammenarbeit mit Beschäftigten inner- oder außerhalb der Uni? Zum Beispiel zu den Kölner Unterzeichnerinnen des FU-Berlin Statements?

SfP-Köln: Einige Beschäftigte der Uni Köln haben uns gegenüber ihre Solidarität geäußert. Aus Angst vor Repressionen halten sie sich aber mit öffentlichen Solidaritätsbekundungen zurück – bis auf die Unterzeichnung des Briefes.

KGK: Gibt es offene lokale Versammlungen im Rahmen der palästina-solidarischen Protestbewegung?

SfP-Köln: Ja, es gibt eine Vielzahl von öffentlichen Versammlungen, organisiert von Palästina Solidarität Köln. Außerdem gibt es auch eine Vielzahl an öffentlichen Veranstaltungen in Bonn, und wir können dabei beobachten, dass es immer mehr Zulauf für diese Demonstrationen gibt.

KGK: Was denkt Ihr, sind die Perspektiven der Bewegung nach einer Räumung oder dem Ende des Camps?

SfP-Köln: Im Rahmen des Camps konnten wir uns mit einigen Partnerorganisationen vernetzen und Strukturen aufbauen. Und sollte es zu einer Räumung des Camps kommen, welche wir versuchen werden mit allen Mitteln zu verhindern, werden wir unsere aufgebauten Strukturen und unsere Kontakte nutzen, um unseren Kampf für Gerechtigkeit neu zu organisieren und fortzusetzen.

KGK: Wie ist die Stimmung unter den Studierenden zu dem Hausverbot gegen einige Aktivistinnen, das vor Gericht gekippt wurde.

SfP-Köln: Wir sind sehr besorgt über solche Maßnahmen, wie die Hausverbote anlässlich des Besuchs der Uni von Ron Prosor. Wir sehen sie als Bedrohung der Meinungsfreiheit an, weil solche Maßnahmen darauf abzielen, kritische Stimmen zu unterdrücken und uns signalisieren, dass die Universität keine abweichenden Meinungen toleriert. Aus unserer Perspektive wird die akademische Freiheit und die Meinungsäußerung zensiert, um politische Beziehungen zu schützen.

KGK: Wie schätzt Ihr die lokale Berichterstattung über eure Aktionen ein?

SfP-Köln: Wir haben alle relevanten Lokalmedien kontaktiert und eine Pressemitteilung rausgeschickt. Darüber wurde bisher noch nicht berichtet. Stattdessen zitierten lokale Medien wie T-Online oder der Kölner Stadtanzeiger, Vereine wie Omas gegen Rechts und reproduzierten dabei frei erfundene Vorwürfe gegen unser Camp.

KGK: Gab oder gibt es Versuche von Gruppen oder einzelnen Akteur:innen, Euren Protest zu vereinnahmen?

SfP-Köln: Wir haben in der Vergangenheit eine Einflussnahme von der Partei Team Jürgen Todenhöfer wahrgenommen und möchten uns klar dagegen wehren, von jeglicher Partei für politischen Wahlkampf instrumentalisiert zu werden.

KGK: Weshalb entscheidet Ihr Euch dafür, überhaupt keine Parteilichkeit zuzulassen?

SfP-Köln: Zum einen, weil wir nicht für politischen Wahlkampf missbraucht werden wollen, um Wählerstimmen zu generieren und zum anderen, weil unsere Bewegung von unten kommt und wir nicht vom Parlamentarismus vereinnahmt werden wollen, so wie es bei Fridays For Future durch die Grünen passiert ist.

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