Gleiches Geld für gleiche Arbeit!

15.09.2013, Lesezeit 5 Min.
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// Angestellte LehrerInnen in Berlin gehen seit acht Monaten auf die Straße //

Seit Dezember letzten Jahres sind die angestellten LehrerInnen in Berlin zehnmal in den Warnstreik getreten. Im Mai fand eine ganze Streikwoche statt, und nach den Sommerferien gingen die Ausstände gleich weiter. Seit 2004 werden Lehrkräfte in der Hauptstadt nicht mehr verbeamtet. Mittlerweile sind 9.000 der insgesamt 29.000 LehrerInnen angestellt – und jedes Jahr werden es mehr. Mit den Streiks erheben sie eine ganz alte Forderung der ArbeiterInnenbewegung: Gleiches Geld für gleiche Arbeit!

Die Spaltung des Lehrkörpers zwischen Angestellten und BeamtInnen soll dazu dienen, Kosten zu sparen. Zusätzlich dazu gibt es auch viele prekäre Arbeitsverhältnisse an Berlins Schulen: So arbeiten LehrerInnen in der „Personalkostenbudgetierung“ (PKB) für etwa ein Drittel des normalen Lohns. Sie bekommen Verträge immer nur für einige Wochen oder Monate, weil sie offiziell nur kranke LehrerInnen vertreten. Doch in vielen Fällen unterrichten sie seit Jahren das gleiche Fach an der gleichen Schule. Neben den PKBlerInnen gibt es auch Ein-Euro-JobberInnen in der Verwaltung und MinijobberInnen in den privatisierten Cafeterias.

Der rot-schwarze Senat bietet nichts an – außer Provokationen. So kündigten zwei SenatorInnen „Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität des Lehrerberufs“ an, die eine Arbeitszeiterhöhung beinhalteten. Von allen Parteien im Abgeordnetenhaus geht nur die CDU (!) auf die Streikenden ein, und zwar mit der Forderung nach einer Rückkehr zur Verbeamtung. Doch genau das wollen viele junge LehrerInnen nicht – wer würde das Streikrecht wieder abtreten?

Statt zu verhandeln versucht der Senat, das Streikrecht einzuschränken. Vor dem Arbeitsgericht scheiterte er mit dem Versuch, den Warnstreik verbieten zu lassen. Doch die GEW bekam die Auflage, dass sie nur zu Fragen der tariflichen Eingruppierung und der „alternsgerechten Arbeitsbedingungen“ streikfähig sei, weil zu Fragen der Entlohnung eine Friedenspflicht herrsche. Doch viele LehrerInnen, auch Mitglieder der Gewerkschaft, verstehen diese alberne Rechtsprechung nicht und fordern schlicht: „Gleiches Geld für gleiche Arbeit!“ Diese Einschränkung des Streikrechts muss auch von der Gewerkschaft bekämpft werden!

Die ganze Protestbewegung wurde von Anfang an von der Initiative „Bildet Berlin!“ vorangetrieben. Junge LehrerInnen schlossen sich vor einigen Jahren zusammen, weil die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sich nicht um die Belange dieser neuen Berufsgruppe kümmerte. Nach ursprünglichen Überlegungen, eine eigene Gewerkschaft zu gründen, wurde die Initiative über die Jahre in die GEW eingegliedert und bildet jetzt den kämpferischsten Teil der Gewerkschaft. Die kleine GEW mit einer kleinen Bürokratie kann relativ leicht unter Druck gesetzt werden. Doch „Bildet Berlin!“ zeigt leider auch berufsständische Züge, da sie sich nur für LehrerInnen mit einem zweiten Staatsexamen, nicht etwa für „QuereinsteigerInnen“ im PKB-System einsetzt.

Die Bildungssenatorin versucht, die Bevölkerung gegen die LehrerInnen aufzubringen, indem sie betont, dass EinsteigerInnen schon 4.700 Euro verdienen. Die Zahl täuscht – weil das nicht die Grundschulen betrifft, weil Einstiegsgehalt auch Endgehalt ist, weil die Summe nicht tariflich abgesichert ist, weil viele LehrerInnen nur Teilzeit arbeiten. Dennoch ist die Bezahlung für Berliner Verhältnisse nicht schlecht. „Berlin ist eine verdammt arme Stadt“, sagte ein Lehrer, „und was können wir sagen, damit die armen Menschen dieser Stadt sich auf unsere Seite stellen?

Dabei können die Fragen der Schulqualität – Unterrichtsausfall und überfüllte Klassen sind überall an der Tagesordnung – SchülerInnen, Eltern und andere Sektoren für den Kampf gewinnen. Die Streikenden gewinnen nicht viel Sympathie, wenn sie sagen, dass sie nach Brandenburg ziehen, wenn sie nicht mehr als 4.700 Euro verdienen. Aber das sieht anders aus, wenn sie die Probleme im Schulsystem lösen wollen.

Dabei wäre es notwendig, auf die solidarische Mobilisierung der SchülerInnen zu setzen. Doch das hat die Gewerkschaft bisher gar nicht versucht (Ausnahmen gab es nur an einzelnen Schulen). Sie richten sich nur an die offizielle LandesschülerInnenvertretung (ein sehr wenig aktives Gremium aus KarrieristInnen), obwohl der Solidaritätsstreik von über 150 SchülerInnen im Mai deutlich machte, dass der Wille zum gemeinsamen Kampf vorhanden ist. Offensichtlich gibt es Angst davor, einen Kampf der SchülerInnen zu entfachen, weil dieser die Autorität der LehrerInnen untergraben könnte. Doch das beweist nur, dass nur LehrerInnen, die sich gegen das autoritäre kapitalistische Schulsystem stellen, sich mit gemeinsamen Mobilisierungen konsequent für ihre eigenen Interessen einsetzen können.

Die LehrerInnen müssen sich mit vielen anderen Sektoren verbinden. Dazu ist es notwendig, dass die Organisation des Streiks in die Hände der Streikenden selbst übergeht. Der kleine GEW-Apparat beschwert sich regelmäßig darüber, dass er nicht mehr Streiks organisieren kann – dabei ist die nahe liegendste Lösung, auf die demokratische Selbstorganisierung der LehrerInnen zu setzen. Jetzt gibt es zwar kleine gewerkschaftliche Treffen, aber immer nur abends – und wer hat Zeit für so etwas, wenn einE LehrerIn 50 Stunden oder mehr pro Woche arbeitet? Notwendig sind Streikversammlungen an den Tagen der Streiks, wenn alle da sind und alle frei haben. Solche Versammlungen können auch garantieren, dass die Gewerkschaftsführung den Kampf nicht mit einem faulen Kompromiss beendet, wie es schon in der Vergangenheit passiert ist.

Bei den weiteren Streiks werden wir uns bemühen, die breiteste Solidarität von SchülerInnen, Studierenden und anderen ArbeiterInnen zu organisieren, denn nur wenn die LehrerInnen ihren Kampf ausweiten, können sie ihre Forderungen durchsetzen. Dabei setzen wir auf die Einheit von Lernenden und Lehrenden im Kampf gegen Prekarisierung.

Eine Chronologie der Proteste mit Berichten von jedem Streiktag

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