Gilmore Girls und sexistische Maßstäbe, oder: Zwei Trotzkistinnen schauen Gilmore Girls

14.12.2016, Lesezeit 4 Min.
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Zehn Jahre nach Serienende kamen Ende November vier neue Folgen von Gilmore Girls bei Netflix heraus. Zwei Revolutionärinnen und (ehemalige) Fans schreiben eine Rezension.

Da sitzen wir also und freuen uns. Gleich werden wir wieder die bekannten Gesichter von Rory und Lorelai sehen, ihre schnellen Sätze hören. Auf Sookie freuen wir uns und auf Lane, die coole Schlagzeugerin, für die immer ein bisschen zu wenig Platz war. Wir werden in das kleine Städtchen Stars Hollow mit all den verschrobenen Charakteren eintauchen. Und gleichzeitig sind wir auch ein bisschen nervös. Denn die Serie war immer zu weiß, zu hetero, zu reich, als dass wir sie heute unkritisch und ohne einen gewissen Abstand genießen können. Schafft sie es, das zu ändern?

Natürlich nicht. Und dazu fällt uns noch einmal schmerzlich auf, was für eine schlechte Schauspielerin Alexis Bledel ist (sie spielt Rory), wie wenig Charakterentwicklung stattfindet und wie Geldprobleme immer wieder durch Zauberhand von den reichen Verwandten gelöst werden. Rory wird nie eine Revolutionärin sein, auch wenn genau zweimal in der Serie auf den Trotzkismus Bezug genommen wird, falls wir und unser Genosse, dessen Gedächtnis wir die zweite Erwähnung verdanken, uns richtig erinnern. Einmal, als Rory absurde Optionen für die Zukunft aufzählt und ein anderes Mal, als ein singender Fisch mit Leo Trotzki verglichen wird – naja. Der Uni-Aktivismus von Rory und ihrer Freundin Paris dauert genau eine Folge – damit sie sich dann wieder mit voller Kraft dem eigenen Vorankommen widmen können. Die „Planned Parenthood“-Plakate in Rorys Studizimmer freuen uns kurz, aber sie sind doch nur Ausstattung. Ja, alles nicht cool.

Aber: Popkultur ist im Kapitalismus nun mal meistens nicht besonders fortschrittlich. Und während wir uns für „typisch weiblichen“ kapitalistischen Müll schämen sollen, sollen wir das viel weniger für den männlich konnotierten Müll. Dabei ist der genauso wenig revolutionär und nimmt genauso wenig die Perspektive der Unterdrückten ein. Es ist aber – auch unter Linken – sozial sehr viel akzeptierter, diese Serien und Filme zu mögen, auch wenn in ihnen zum Beispiel Übergriffigkeit gegen Frauen normalisiert wird (Han Solo ist echt kein Vorbild…) und männliche Rollen gefeiert werden, die nicht weniger schädlich sind als weibliche Rollen. Es steckt auch immer eine ganze Menge Frauenfeindlichkeit in der Abwertung von „weiblicher Kultur“: Coole Mädchen sind die, die lieber Macho-Action-Filme schauen statt Frauenkram und nie Pink tragen. Star Wars ist immer besser als Gilmore Girls – dahinter steckt neben der Ablehnung der weiblichen Rolle durch die Zuschauerin selbst auch die Abwertung der Frauen durch die patriarchale Ideologie.

Und es sprach immer auch einiges für die Serie: Die Beziehung zwischen den Frauen spielte – bei allem Liebes-Hin-und-her – doch immer die Hauptrolle – und zwar nicht nur die zwischen den Hauptfiguren, sondern auch die Beziehungen unter Freundinnen. Rory ist nicht in erster Linie schön, sondern vor allem eine nerdig-intelligente Bücherliebhaberin. In den neuen Folgen wird die Ziellosigkeit der gut ausgebildeten Anfang Dreißigjährigen gezeigt und wir merken, dass die Krise auch vor den Gilmore Girls nicht halt gemacht hat, wenn auch noch so oberflächlich dargestellt. Und vor allem: Es gibt nun mal keine hunderttausend guten Serien zur Auswahl mit coolen weiblichen Hauptfiguren, und es gab sie erst recht nicht vor zehn Jahren.

Während wir für den Kommunismus kämpfen – und die ganzen fortschrittlichen Serien, die es dann geben wird – entspannen wir uns deshalb weiterhin ab und zu bei Gilmore Girls. Ja Netflix, die nächste Folge auch noch.

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