Gewerkschaftsdemo vom 25. März: Kämpferische Stimmung und verschenktes Potential
Über 1000 Menschen gingen am Samstag in Berlin auf die Straße, um die Streiks im öffentlichen Dienst und anderen Bereichen zu unterstützen. Viele Teilnehmer:innen fragten sich jedoch, warum an diesem Tag nicht zum Streik aufgerufen wurde, obwohl es eine viel größere Beteiligung ermöglicht hätte.
Dem Aufruf von ver.di, EVG, dem Berliner Mieterverein und weiteren Initiativen folgend, versammelten sich am 25. März mehr als 1000 Streikende und solidarische Unterstützer:innen, um für gute Tarifabschlüsse, einen Inflationsausgleich, sozial gerechte Energiepreise, bezahlbaren ÖPNV, die Umsetzung des Volksentscheids Deutsche Wohnen & Co enteignen und die Rückführung landeseigener Töchter in die Mutterunternehmen zu demonstrieren. Motto der Demo: “Wir zahlen nicht für eure Krise”!
Die Stimmung war kämpferisch. Das ist auch angebracht, angesichts der Tatsache, dass sich Regierung und Arbeitgeber zusammentun, um die Dynamik und die Ergebnisse der aktuellen Streikbewegung möglichst klein zu halten. Ganz deutlich stechen dabei Aussagen wie die von Boris Pistorius hervor, der als Verteidigungsminister Streikende dazu auffordert, niedrigere Abschlüsse zu akzeptieren, im Dienste der Aufrüstung. Während der Demo-Aufruf das Thema Aufrüstung ausklammerte, haben mehrere kämpferische Redebeiträge den Zusammenhang zwischen der Aufrüstung im Dienst der Herrschenden und der Verschlechterung der Lebensverhältnisse für die breite Masse der Menschen hergestellt. So positionierte sich auch der Kollege Moritz vom Virchow-Klinikum der Charité in seiner Rede gegen das 100 Milliarden Euro Sondervermögen für die Bundeswehr.
Ein weiteres wichtiges Anliegen der Demonstration war die Umsetzung des Volksentscheids Deutsche Wohnen & Co enteignen. Der Kampf für die Vergesellschaftung der großen Immobilienkonzerne ist umso notwendiger, schaut man sich den rasanten Anstieg der Mieten in Berlin an: Berlin ist die deutsche Stadt mit den am heftigsten steigenden Mietpreisen und belegt im Ranking der teuersten Städte Deutschland mittlerweile Platz 2. Besonders dazu gesprochen hat auf der Demonstration Katalin Gennburg von der Partei DIE LINKE. Es ist natürlich zu begrüßen, dass Linkspartei-Politiker:innen und Mitglieder an solchen Mobilisierungen teilnehmen und sie unterstützen. Doch die Linkspartei hat bisher keine wirkliche Bilanz aus der Tatsache gezogen, dass sie in ihrer jüngsten Regierungsverantwortung in Berlin entscheidenden Anteil an der Verschleppung und möglichen Beerdigung des Volksentscheids durch Einberufung der Expert:innenkommission hatte.
Die Demonstration bot aber auch eine besondere Chance: Es ist zentral, dass sich die Gewerkschaften dem Volksentscheid annehmen und für dessen Umsetzung kämpfen. Eine wirkliche Bilanz der Regierungsbeteiligung der Linkspartei muss nämlich beinhalten, dass nicht die Verwaltung des bürgerlichen Staates, sondern nur Mobilisierungen auf der Straße und vor allem der Kampf der Arbeiter:innenklasse den Volksentscheid durchsetzen können. Die Umsetzung der Enteignung der großen Immobilien-Unternehmen muss also eine Streikforderung werden, wenn sie umgesetzt werden soll.
Warum war der 25. März kein Streiktag?
Es ist ein wichtiger Schritt, dass überhaupt eine aus den Gewerkschaften heraus organisierte Solidaritätsdemo stattgefunden hat, die auch weitere politische Forderungen aufgestellt hat. Jedoch hätte – wenn alle Streikenden Arbeiter:innen in Berlin zu einer gemeinsamen Streikdemonstration aufgerufen worden wären – die Beteiligung um einige Tausend größer sein können. Letztendlich gab es jedoch keine flächendeckenden Streikaufrufe und die Beteiligung aus den Betrieben hielt sich in Grenzen.
Auch viele der teilnehmenden Kolleg:innen fragten sich, was die Argumentation dahinter ist, dass es keinen Streikaufruf gab. Um auch solidarische Unterstützer:innen einzubeziehen, wurde die Aktion auf einen Samstag gelegt. Das allein ist jedoch kein guter Grund, auf einen Streikaufruf zu verzichten. Schließlich wird sowohl in den Kliniken als auch bei der BSR und bei der Bahn am Wochenende gearbeitet. Und es sollte keine Überraschung sein, dass die Beteiligung seitens der Belegschaften bei Streiktagen immer höher ist als bei reinen Demonstrationsaufrufen. Allein am vergangenen Donnerstag gingen noch über 5.000 Kolleg:innen zur Streikdemo für Verbesserungen im TVöD.
Es ist jedoch auch nicht das erste Mal, dass diese starke Trennung zwischen tariflichen Streiks und politischen Demonstrationen zum Ausdruck kommt. Die Regierung und Arbeitgeber üben ihrerseits ständig im Rahmen der Sozialpartnerschaft Druck auf die Gewerkschaften aus, dass es an Streiktagen nicht “zu politisch” werden dürfe. Es lässt sich vermuten, dass die Entscheidung, keine politische Streikdemonstration durchzuführen, auch dadurch zustande kam.
Jedoch ist genau diese Politisierung notwendig. Denn nur flächendeckende Streiks und Streikdemonstrationen können genug Druck für die Umsetzung der politischen Forderungen wie den Inflationsausgleich für alle Sozialleistungen, den Mietenstopp, die Umsetzung des Volksentscheids oder die Einführung einer Vermögenssteuer. In Frankreich sehen wir ja aktuell, was eine politische Streikbewegung auf die Beine stellen kann.
Daher gilt es, sich vor politischen Demonstrationen an Streiktagen nicht zu scheuen, sondern eben aktiv den politischen Kampf mit dem tariflichen Kampf zu verbinden. Es braucht in allen Kämpfen Streikversammlungen, in denen sowohl über die Streiktage als auch über die Forderungen solcher politischen Demonstrationen debattiert und abgestimmt wird.
Eine weitere Notwendigkeit, die bei der Demonstration am Samstag zu kurz kam, ist die branchen- und gewerkschaftsübergreifende Zusammenführung der Streiks. Aktuell streiken seit über einem Jahr Lehrkräfte in Berlin für kleinere Klassen, und insbesondere im Sozial- und Erziehungsdienst werden Kolleg:innen schwer von der Inflation getroffen. Die GEW hätte also ebenfalls zu der Demonstration aufrufen sollen, so wie generell gemeinsame Streiktage von ver.di und GEW in Berlin stattfinden sollten. Darüber hinaus braucht es Diskussionen in allen Betrieben, um Druck auf alle DGB-Gewerkschaften aufzubauen, sodass politische Aktionstage gegen Inflation, Krieg und Wohnungsnot an Streiktagen organisiert werden.