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Gewerkschafter*innen fordern: Nein zum 12-Stunden-Tag und zur 60-Stunden-Woche!

13.04.2020, Lesezeit 8 Min.
Gastbeitrag

Tausende Gewerkschafter*innen fordern auf Change.org, die Einführung des 12-Stunden-Tages in der Corona-Krise zurückzunehmen. Wir spiegeln ihre Petition.

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Gegen die Einführung des 12-h-Tags und der 60-h-Woche! Mehr Personal und Entlastung in der Grundversorgung sind die Antwort

Am 06. April 2020 ging ein Referentenentwurf für eine Bundesverordnung an die Presse, mit der das bisherige Arbeitszeitgesetz ausgehebelt werden soll. Die Höchstarbeitszeit soll nicht nur auf zwölf Stunden pro Tag und 60 Stunden pro Woche angehoben, sondern gleichzeitig die Ruhezeiten von elf auf neun Stunden verkürzt werden können. Nach Verhandlungen mit dem ver.di-Vorsitzenden Werneke und DGB-Chef Hoffmann wurden Verkaufsstellen von Lebensmittel und Lieferdienste von dieser Regelung ausgenommen – dafür gilt sie bis Ende Juli, also einen Monat länger, als ursprünglich vorgesehen. Beide äußern dann im Gegensatz zu IG BAU und NGG keine grundlegende Kritik an der Anhebung der Höchstarbeitszeit. Der sogenannte Arbeitgeberverband zeigt sich aus nachvollziehbaren Gründen zufrieden, verlangen die Unternehmen doch schon lange kürzere Ruhe- und längere Arbeitszeiten. Deren Dreistigkeit nimmt jedoch kein Ende, denn sie hätten die Ruhezeiten gern noch in Blöcke aufgeteilt. Während in sozialpartnerschaftlicher Manier hier Gewerkschaftsspitzen die andere Backe für die nächste Ohrfeige hinhalten, nehmen die Forderungen der Unternehmen nach staatlicher Hilfe kein Ende. Die Beschäftigten sind die Leidtragenden und können sich mit diesem Angriff historischen Ausmaßes nicht zufrieden geben.

Zuviel Arbeit für zu wenig Personal

Die Verordnung der Bundesregierung wird unter dem Vorwand der Corona-Pandemie eingeführt. Es sollen angebliche Versorgungsengpässe in der Notlage vermieden werden. Während bereits über Lockerungen der Schließung von Einrichtungen und Betrieben nach Ostern diskutiert wird und VW bereits ab nächster Woche wieder die Produktion hochfährt, soll diese Ausnahmeregelung viele Wochen darüber hinaus gehen. Das ist auch ein Test, wie weit die Unternehmer in der Krise gehen können und einmal durchgesetzte Verschlechterungen bleiben möglicherweise bestehen. Da reicht auch nicht der Verweis darauf, von der neuen Regelung besonnenen Gebrauch zu machen, wie es aus der Pressemitteilung von ver.di zu vernehmen ist.

Deutschland, das sogar Lebensmittel exportieren kann, hat keine Engpässe in der Warenversorgung. Wenn es Verzögerungen gibt, liegt das am stockenden Warenfluss durch Grenzkontrollen. Sogar bürgerliche Wirtschaftsexpert*innen bezeugen, dass die Lager gefüllt sind. Dennoch gilt die Verordnung, wenn „Waren des täglichen Bedarfs“ hergestellt, verpackt und geliefert werden; ferner in der medizinischen Behandlung und Pflege, bei Feuerwehr und Rettungsdiensten und überhaupt „zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“. Dazu gehören die Energie- und Wasserversorgung sowie die Abfallwirtschaft, die Landwirtschaft, die Sicherheitsbranche (Geldtransporte, Bewachung von Betriebsanlagen), Apotheken und Sanitätshäuser sowie die Betreuung von Datennetzen und Rechnersystemen. Schließlich dürfen Unternehmen, die Produkte zur Bekämpfung der Pandemie herstellen, auch länger arbeiten. Dies lässt viel Spielraum für Interpretation und kann sicher auch von Krisengewinnern wie Amazon genutzt werden, um das bisherige Arbeitszeitgesetz außer Kraft zu setzen.

Selbst in der Gesundheitsversorgung oder im Lebensmitteleinzelhandel entsteht die Notlage nicht dadurch, dass zu viele Leute etwa zu kurz arbeiten. Im Gegenteil: Es ist zu wenig Personal da, das unter zu hohem Druck zu lange arbeitet. Die Folge sind Burnouts, Einbruch der Leistungsfähigkeit und gerade jetzt eine ungenügende Einhaltung des Gesundheitsschutzes. Dieser Situation kommt man nicht bei, in dem man die Leute länger arbeiten lässt, sondern unmittelbar das Personal aufstockt. Durch eine Streichung von Schichtzuschlägen durch den neuen „Normalarbeitstag“ werden möglicherweise schnell die Bonuszahlungen, die es zur Zeit in einigen Einrichtungen gibt, wieder aufgefressen.

Auf der einen Seite werden in der Krise Millionen erwerbslos und in Kurzarbeit geschickt, während andere bis zu zwölf Stunden am Tag arbeiten sollen. Das ist kalkulierter Wahnsinn! Die neue Regelung bringt die Leute nicht „hart an die Grenze der Belastbarkeit“, wie Werneke sagt, sondern sie arbeiteten bereits vor Corona über dem Limit. Im Gesundheitswesen wird die verstärkte Auspressung der Kolleg*innen nur den drohenden Zusammenbruch beschleunigen – längere Schichten stellen ein erhöhtes Risiko für die Ansteckung des Personals und die Versorgung von Patient*innen dar, wie sich in Wuhan gezeigt hat.

Die Schwierigkeit in der Produktion von medizinischen Geräten und Schutzausrüstung besteht nicht im Personalmangel – sondern in der profitorientierten und ungeplanten Produktion. Wären die notwendigen Produktionskapazitäten in staatlicher Hand und unter der Kontrolle und Verwaltung der Beschäftigten, könnte längst der Größte Teil der Versorgung planmäßig und bedarfsgerecht sichergestellt werden.

Mehr Personal, kürzere Arbeitszeiten

Die Antwort der Gewerkschaften muss jetzt die Forderung nach einer Aufstockung des Personals und einer Verringerung der Arbeitszeit bei vollem Lohn- und Personalausgleich sein. Die VKG hat auf ihrer letzten Konferenz im Januar 2020 die Forderung nach der 30-h-Woche wieder auf die Tagesordnung gesetzt. Das wäre die passende Antwort statt Kurzarbeit für die einen bei gleichzeitiger Mehrarbeit für die anderen. Das Geld und Personal ist zu Genüge da! Allein die drei großen Autokonzerne VW, Daimler und BMW verfügen über Gewinnrücklagen in Höhe von 180 Milliarden Euro und Schütten bis zu 7,5 Milliarden Euro an Aktionär*innen aus – in der Krise! Gleichzeitig schicken sie hunderttausende Arbeiter*innen mit Lohnverlust nach hause und schreien nach staatlichen Hilfen. Die Einführung von sechstündigen Schichten hat in China erst zu einer Verringerung der Ansteckung über das Personal in den Krankenhäusern geführt.

In der Industrie können die vorhandenen Kapazitäten bei bestehendem Personal genutzt werden, um medizinische Geräte und Schutzkleidung herzustellen, wenn die Produktion entsprechend umgestellt wird.

Verschlechterungen konsequent abwehren – Gewerkschaften reanimieren!

Gerade die Kolleg*innen in der Grundversorgung sind sich ihrer hohen Verantwortung bewusst und tragen die hohe tägliche Last oft über ihre Kräfte hinaus auf ihren Schultern. Zusätzlich sehen wir zur Zeit noch sie Einstellung weiter Teile der Produktion.

Doch es sind nicht alle krank geschrieben, oder im Urlaub. Wer ins HomeOffice geschickt wird, hält die Arbeitsleistung von dort aufrecht und in mehr Betrieben als gerade nötig wird noch gearbeitet. Gerade diese Bereiche haben eine hohe Durchsetzungskraft. Es gibt immer ein Element von Selbstlosigkeit, in der Krise nichts für sich zu beanspruchen, die Versorgung anderer sicherzustellen. Die Regierenden und Unternehmen zwingen die Kolleg*innen jedoch in eine Lage, in der die Arbeitsniederlegung die Form der Selbstverteidigung gegen unmenschliche Zustände annimmt.

Zwar lehnen IG BAU und NGG die neue Verordnung ab, aber es ist notwendig, dass der DGB und alle seine Einzelgewerkschaften an einem Strang ziehen, diese Verordnung ablehnen und eine Vorstellung davon geben, wie ein derartiger Angriff zurückgeschlagen werden kann. Unter dem Vorwand der Infektionseindämmung wurden alle Streiks von vornherein abgesagt. Dieses Argument sollte man nicht gelten lassen, da ein Streik in erster Linie in der Arbeitsniederlegung besteht und nicht darin, in einem Bierzelt in großen Mengen bei einander zu sitzen. Die Kolleg*innen würden schnell kreative Streiklösungen finden, die alle gebotenen Schutzbestimmungen berücksichtigen.

Dafür müssen sie jedoch einen Raum für Austausch haben. Seit Beginn der Corona-Pandemie ist jedoch das Leben der ehrenamtlichen Gewerkschaftsstrukturen weitgehend zu Erliegen gekommen. Mit dem Verweis darauf, dass die Technik nicht erprobt sei, werden keine Telefon- oder Videokonferenzen von Vorständen und Betriebsgruppen oder Vertrauensleuten mehr einberufen. Dabei arbeiten bereits viele mit modernen Kommunikationsmitteln oder stellen diese sogar bereit – das Wissen ist vorhanden und muss nur genutzt werden. Es darf nicht einer erlesenen Auswahl von Mitgliedern der Bundesebene oder dem hauptamtlichen Apparat vorbehalten sein, im Namen von Millionen von Mitgliedern zu sprechen, ohne dass diese sich positionieren können. Das fängt bei der betrieblichen und örtlichen Ebene an und geht bis in die höchsten Gremien.

Entscheidungen, die die Arbeiter*innenklasse betreffen, sollten auch von ihr gefällt werden, das betrifft nicht nur die Gewerkschaftspolitik, sondern alle Fragen der Organisation der Produktion nach gesellschaftlicher Notwendigkeit, Personalausstattung und Arbeitszeit.

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