Gewaltaufrufe und Morddrohungen: Wie weit gehen Zionist:innen noch?
Spucken, handgreiflich werden, stalken, Doxxing – scheinbar Alltag für eine Gruppe rechter Zionist:innen an der Freien Universität Berlin. Die bürgerliche Presse gibt ihnen eine Bühne, die von Unileitung und Polizei abgesichert wird. Unsere Antwort kann nur Selbstorganisierung sein, ohne Verlass auf Polizei und Präsidien. Die Geschehnisse der Besetzung und was seither passierte, schildert Baki, Autor:in bei Klasse Gegen Klasse, aus der eigenen Perspektive.
Bei der Hörsaalbesetzung an der Freien Universität (FU) Berlin am 14. Dezember kam es zu Provokationen und handgreiflichen Angriffen von rechten Zionist:innen. Nachdem zuerst Plakate außerhalb des Hörsaals abgerissen und die Ordner:innen an der Tür bedrängt wurden, kam es zu einer direkten Konfrontation zwischen einem der Zionist:innen und mir selbst. Die Person ist schon von vorherigen Kundgebungen und Aktionen an der Uni für solche Konfrontationen bekannt. Ich wusste eigentlich genau, was passieren wird. Ich wusste auch, ich darf mich unter keinen Umständen provozieren lassen, aber auch keinen Schritt zurückweichen, wenn ich bedrängt werde. Der Saal war gefüllt mit 70 Leuten, am Eingang bei mir standen ca. 5-10 weitere Personen, nur wenige davon Ordner:innen. Unsere Aufgabe war es, jegliche Provokationen und Störungen zu vermeiden. Was daraus resultierte, ist heute in etlichen Videos zu sehen. Ich wurde nicht nur bedrängt und bespuckt, sondern mehrfach auch herum gezerrt und mit voller Wucht nach hinten gestoßen. Am Ende bekam ich eine Anzeige wegen Körperverletzung – ohne auch nur eine einzige Person jemals geschubst oder angefasst zu haben. Dass wir uns keine Sekunde unseres Lebens auf die Polizei verlassen können, wurde nur umso deutlicher.
In einer anderen Situation, die in den Medien viral ging, ist die Situation ähnlich. Ein:e jüdische:r Student:in wurde von den Störern bedrängt und man versuchte, Plakate hinter der Person abzureißen. Mitten im Geschehen bin ich nach oben und wollte den Ordner:innen helfen. Als ich an dem provozierenden Typ, der mir schon beim Eingang Probleme gemacht hatte, vorbei wollte, packte er mich wieder und hat mich abermals zurück gedrückt und festgehalten, so dass ich gar nicht vorbei konnte. Natürlich habe ich Gegenwehr geleistet und auch versucht, ihn nach hinten zu schieben. Eine:r der Ordner:innen ist dann dazwischen, so dass wir uns losgelassen haben. Kurz darauf bin ich aus der Situation raus, um nicht weiter provoziert zu werden.
Was mir und allen anderen Ordner:innen und Personen bei der Besetzung nun vorgeworfen wird, ist Antisemitismus, Judenhass und Gewalttätigkeit. Dabei ist auf den Videos zu sehen, wer rumgeschubst und beleidigt hat. Ein älterer Mann kam rein und nannte uns allesamt „Nazis“. Die Antidiskriminierungsbeauftragte war damit beschäftigt, uns zu sagen, wir sollen einfach ruhig bleiben und die ignorieren, während neben und hinter ihr Beleidigungen durch die Zionist:innen herumflogen ohne Ende. Aber natürlich fokussiert man sich erstmal auf die „Antisemit:innen“, weil die ja ausrasten und eskalieren könnten, nicht wahr? Über die Rolle von Antidiskriminierungsstellen an der Uni bzw. die Rolle der Uni selbst und zur Frage, wieso Selbstorganisierung die Alternative ist, findet ihr hier einen ausführlichen Artikel.
Gegen 13 Uhr wurde zum ersten Mal die Polizei gerufen, als wir die Zionist:innen am Eingang daran hinderten, die Veranstaltung zu stören. Später wurde um 16 Uhr die Polizei erneut angerufen, um die Räumung zu beauftragen. Gegen 17 Uhr kamen dann auch über 200 Polizist:innen, um uns zu räumen. Die ersten 20-25 Personen wurden festgenommen, teilweise unter Schmerzgriffen. Zuvor sind bereits ein Dutzend der Student:innen, die im Laufe des Tages dazu kamen, gegangen. Die Organisator:innen haben mehrmals die Konsequenzen einer Besetzung erläutert und den Besetzer:innen die Wahl überlassen, ob sie bleiben oder gehen wollen.
Gegen 18 Uhr, nachdem ein Drittel der restlichen Besetzer:innen bereits geräumt wurden, ließ man uns die Wahl, ob wir freiwillig gehen oder bleiben wollen, wodurch wir ebenso geräumt worden wären und Anzeigen kassiert hätten. Nach kurzer Absprache entschlossen wir uns zu gehen und draußen noch eine Spontandemo anzumelden, um gegen die Räumung zu protestieren.
All das passierte am 14. Dezember, dem Tag der Besetzung selbst. Doch was passierte danach?
Videos von der Besetzung gingen viral auf Twitter und Instagram. Die Berichterstattung der bürgerlichen Presse war eine komplette Denunzierung und Diffamierung, voll mit verdrehten Tatsachen, rassistischen Narrativen und haltlosen Vorwürfen. Den längsten Artikel hat die ZEIT veröffentlicht. Für diesen Artikel wurden unsere Pressesprecher:innen einige Minuten interviewt – in den Artikel haben es aber nur zwei Sätze von einer der Sprecher:innen geschafft. Ansonsten wäre es wohl schwierig gewesen, die Antisemitismusvorwürfe aufrechtzuerhalten. Es ging hauptsächlich um angeblich angegriffene Jüd:innen und antisemitische Besetzter:innen. Dass zwei Ordner:innen und zwei Sprecher:innen selbst jüdische Student:innen sind, wird nirgendwo erwähnt. Auch dass einige jüdische Besucher:innen kamen, die erst im Laufe des Tages von der Besetzung hörten und sich für die Vorlesungen interessierten, bleibt komplett aus. In den Medien wird es so dargestellt, als wenn Menschen ausgeschlossen wurden, weil sie Jüd:innen waren. Das ist falsch. Es wurden Provokateure ausgeschlossen, die die Reden stören und randalieren wollten. Auch wird natürlich kein Wort darüber verloren, wie gewaltvoll die Polizei und in welcher Anzahl sie einmarschiert sind, um die friedlichen Besetzer:innen zu räumen. Etliche weitere Artikel von verschiedenen Zeitungen wie dem SPIEGEL, der BILD und der WELT folgten sehr schnell – und sie alle waren voller Falschinformationen, Verleumdungen und rassistischer Hetze.
Dass ich nicht der Angreifer war, sondern der Angegriffene, belegen nicht nur die Videos, sondern auch die Verletzungen an meinem Körper. Meine rechte Oberkörperhälfte war mit etlichen blauen Flecken versehen. Zudem war ich auch noch derjenige, der die Anzeige kassiert hat. All das wird einfach von der Presse ignoriert, um ihre Agenda der deutschen Staatsräson am Leben erhalten zu können.
Morddrohungen auf Social Media
Der Instagramaccount Redstreamnet, ein internationaler Nachrichtensender, veröffentlichte am folgenden Tag Videomaterial auf Instagram, das die Geschehnisse als einer der einzigen Sender genauestens darstellt. Dort ist genau zu sehen, wie die Auseinandersetzungen vor dem Eingang und im oberen Teil des Hörsaals zustande kamen und wie ich angegriffen wurde – nicht umgekehrt so wie es die bürgerliche Presse darstellt. Unter diesem Video kommentierte ich selbst, machte bemerkbar, dass ich der:die Ordner:in zu Beginn bin und dass wir als Ordner:innen nur versucht haben, unsere selbstorganisierten Veranstaltungen im Hörsaal vor Unterbrechungen und Störungen zu schützen.
Das Video wurde mehrfach aus dem Kontext gerissen von rechten Nutzer:innen auf Instagram und Twitter verbreitet. Ich wurde als Angreifer dargestellt und mein Gesicht wurde als Screenshot mehrfach im Netz verbreitet – mit Aufrufen zur Gewalt und sogar Morddrohungen. Mein Nachrichtenordner auf Instagram ist voll mit Anfragen von zionistischen Rechten weltweit, die mich beleidigen oder mir ihre Mordfantasien verraten. Hier ein paar Beispiele:
Nach diesen Hasstiraden und dem viralen Teilen meines Gesichts in verschiedenen sozialen Netzwerken wie Twitter und Instagram, wurde ich zu allem Übel auch am 15. Dezember, also einen Tag nach der Besetzung, nachts am S-Bahnhof Sonnenallee gegen 1 Uhr beim Aussteigen aus der Bahn von einem wildfremden Mann angegangen. Er lief an mir vorbei in die Bahn rein, drehte sich um und meinte: „Du bist doch der Typ vom Video, oder?“ Ich fragte ihn, welches Video er meine – wohl wissend, welches er meinte. Er zeigte mit dem Finger auf mich, sagte „Am Yisrael Chai“ und lief in die Bahn. Ich und eine Freundin, die mich begleitete, waren schockiert darüber, wie verbreitet mein Gesicht nun wohl ist. Auch wenn dieser Fall nur ein Einschüchterungsversuch war, so hinterließ er Eindruck. Eine gewisse Angst, alleine in Berlin unterwegs zu sein, bleibt. Ob die bürgerlichen Medien jemals davon berichten werden, dass sich pro-palästinensische Personen vor Angriffen und Morddrohungen fürchten müssen? Rhetorische Frage. Denn während all das – die Gefahr von Angriffen, Doxxing, Morddrohungen, etc. – seit der Besetzung zu meiner fast täglichen Realität gehört, verbreiten bürgerliche Medien noch immer ein verzerrtes Bild, das die Situation von pro-palästinensischen und antizionistischen Menschen in Deutschland komplett ignoriert oder sie zum Feindbild konstruiert.
Stalking und Belästigung am Campus
Doch es ist nicht nur das Internet, was mir und etlichen Student:innen und pro-palästinensischen Aktivist:innen Angst macht. Es sind die Mittel und Zwecke generell, die sie benutzen. So auch am 19. Dezember beim Treffen des Solidaritätskomitees für Palästina an der FU Berlin. Als wir unser zweites Treffen als Komitee abhalten wollten, wurden wir bereits vor dem Treffen von denselben Personen, die auch die Besetzung gestört und uns angegriffen haben, über den ganzen Campus verfolgt, bedrängt und belästigt. Sie ließen uns nicht in Ruhe und riefen sogar die Polizei wegen eines haltlosen Vorwurfs der Drohung. Die Polizei kam auch innerhalb weniger Minuten zu dritt – mit Blaulicht natürlich, wir könnten ja gemeingefährlich sein. Eine Person von uns wurde angezeigt, weil sie gedroht haben soll. Während die Cops die Anzeige noch aufnehmen, merken sie selbst, wie – selbst aus bürgerlicher Sicht – absurd es ist, dass sie überhaupt gerufen wurden, weil hier keine Drohung stattgefunden hat und weil der Zionist eigentlich derjenige war, der provozierte und belästigte. Er musste auch minutenlang von den Polizist:innen zurechtgewiesen werden, dass er nicht einfach wegen solchen Kleinigkeiten die Polizei rufen kann, vor allem wenn er selbst der eigentliche Schuldige ist.
Bereits zuvor ist dieselbe Person mit stalking-artigem Verhalten auf Instagram und auf dem Campus aufgefallen, um Genoss:innen von Waffen der Kritik und andere palästinasolidarische Aktivist:innen einzuschüchtern. Auch bei der Auseinandersetzung vor dem Hörsaal mit mir fragte er mich direkt nach ihr und einem weiteren Genossen und nannte beide bei vollem Namen.
All das soll uns einschüchtern. Aber wenn rechte Zionist:innen denken, dass sie uns damit kleinkriegen, können sie das gerne ihr Leben lang weiter praktizieren. Den Kampf gegen den israelischen Siedlerkolonialismus und deutschen Imperialismus werden sie so auf jeden Fall nicht aufhalten können. Aus ihnen spricht mehr der Frust als das Interesse, eine Debatte auf Augenhöhe zu führen, für die wir absolut offen wären. Sie kommen mit ihren Argumenten nicht weiter und das wissen sie. Deshalb greifen sie auf Taktiken zurück, die wir bereits zuvor aus rechten Kreisen kennen. Stalking, Belästigung, Doxxing, Mobbing und sogar Gewalt- und Morddrohungen. Als jemand, der bereits von sogenannten Antideutschen, also pro-israelischen deutschen Pseudo-Linken, zusammengeschlagen wurde in Leipzig, kann ich mich schon lange nicht mehr darauf verlassen, dass sie es nur bei Drohungen und Worten belassen. Es wäre nicht das erste und vermutlich nicht das letzte Mal, dass Zionist:innen und Antideutsche ihre Gewaltfantasien in die Tat umsetzen.