Gesundheitsdaten durchleuchten mit Palantir: Bundesrat fordert Analysesoftware für die Polizei

25.03.2025, Lesezeit 6 Min.
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Palantir Technologies (Foto: slyellow / Shutterstock.com).

Der Bundesrat will den bundesweiten Einsatz einer polizeilichen Analysesoftware. Dabei sollen auch Gesundheitsdaten durchleuchtet werden.

In einem am vergangenen Freitag beschlossenen Entschließungsantrag fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, für den schnellen Einsatz einer polizeilichen Analysesoftware in ganz Deutschland zu sorgen. Begründet wird dies unter anderem mit dem Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt vergangenen Dezember sowie dem Messerangriff in Aschaffenburg im Januar. Diesbezüglich meint der Bundesrat zu erkennen, „dass die Sicherheitslage in Deutschland von einer hohen Gefährdung geprägt“ sei; weiterhin argumentiert er, die aktuelle geopolitische Lage habe das Risiko von Anschlägen weiter erhöht. Weiterhin wird darauf verwiesen, dass „in der jüngsten Vergangenheit oftmals Personen mit psychischen Auffälligkeiten als Täter von Gewalttaten in Erscheinung getreten” seien. Um solche Straftaten besser erkennen und erfassen zu können, müsse „eine bundesweite Vernetzung der Erkenntnisse zwischen Sicherheits-, Gesundheits-, Waffen- und gegebenenfalls Ausländerbehörden sichergestellt werden“. 

Nach dem rechten Anschlag in Magdeburg hatte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann bereits ein Online-Register für psychisch kranke Menschen gefordert, um „diese Typen“ besser kontrollieren und überwachen zu können. Hierzu sollten sich Polizei und Verfassungsschutz auch Daten über Patient:innen von Kliniken, Psychiater:innen und Psychotherapeut:innen bedienen können – ein Vorschlag, der an die NS-Zeit erinnerte, in der es ein solches Register tatsächlich im Rahmen der „Euthanasie“-Pläne gab. Zwar ist von einem solchen Register im Entschließungsantrag selbst keine Rede, wohl aber vom Einbezug von „sicherheitsrelevanten Informationen“ aus Verwaltungsfachbereichen wie beispielsweise „Ausländerbehörden wie dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Ordnungsbehörden, Waffenbehörden oder anderen relevanten Verwaltungsbehörden, aus Zulassungsverfahren von berufsständischen Organisationen wie z. B. Ärztekammern, der Justiz oder von Einrichtungen des Straf- und Maßregelvollzuges“, um eine Einschätzung „eines möglichen Gewaltpotentials Einzelner“ vornehmen zu können.

Als einen „wichtigen Beitrag zur effektiven Gefahrenabwehr und Strafverfolgung“ betrachtet der Bundesrat eine zielgerichtete Datenanalyse, die durch die „kurzfristige zentrale Bereitstellung einer gemeinsam betriebenen Datenanalyseplattform, wie sie bei einigen Landespolizeien im Einsatz ist,“ erreicht werden soll. Auch wenn in dem Entschließungsantrag kein Name fällt, so ist es doch sehr wahrscheinlich, dass damit Software des US-Tech-Konzerns Palantir gemeint ist. 

Palantir: Peter Thiels Überwachungsimperium 

Gegründet wurde Palantir Anfang der 2000er Jahre von Peter Thiel, Alex Karp und einigen weiteren Personen. Dabei erhielt die Firma Investitionen von In-Q-Tel, dem Wagniskapitalzweig der CIA, sowie von Thiel und dessen Firma Founders Fund. Thiel, der unter anderem auch in Facebook investiert hatte, gilt als langjähriger Unterstützer von Donald Trump und unterstützte JD Vance 2022 mit mehreren Millionen Dollar bei seiner Kandidatur zum US-Senator. So ist es auch nicht verwunderlich, dass zu Palantirs Kunden US-Militär, -Polizei und -Geheimdienste zählen. 

Doch die Kundschaft beschränkt sich nicht auf diese Institutionen. Auch die hessische und die bayerische Landespolizei gehören zu den Käufern: Hessen setzt auf die Analysesoftware Gotham, die nach Anpassung an die örtlichen Bedürfnisse in HessenDATA umbenannt wurde, in Nordrhein-Westfalen gibt es DAR (Datenbankübergreifende Recherche und Analyse) und Bayern schloss 2022 nach der Münchner Sicherheitskonferenz, auf der Palantir-CEO Alex Karp anwesend war, einen Rahmenvertrag für VeRA (Verfahrensübergreifende Recherche- und Analyseplattform) ab, die seit Dezember 2024 im Echtbetrieb ist. Der Vertrag war von Beginn an so gestaltet, dass er die Möglichkeit für die übrigen Bundesländer und den Bund beinhaltete, ohne neues Vergabeverfahren beizutreten. 

Solche Produkte sind bei Polizei und Geheimdiensten deshalb so begehrt, weil sie riesige Informationsmengen verarbeiten können; im Fall von VeRA sollen etwa Informationen aus verschiedenen polizeilichen Datenbanken verknüpft und analysiert werden. Daten werden damit zur Grundlage der Belastung einer Person. Allerdings ist bekannt, dass die bloße Verknüpfung von Daten aus verschiedenen Quellen nicht zu mehr gesicherten Erkenntnissen führt. Weiterhin können sich Personen mit haltlosen beziehungsweise auf Fake-Informationen beruhenden Vorhalten konfrontiert sehen, die sich hinterher nicht aufklären lassen und dennoch zu polizeilichen Maßnahmen und Gerichtsverfahren führen können. Oder auch zum Tod, wie ein besonders krasses Beispiel aus Nordrhein-Westfalen zeigte: 2018 starb Amad Ahmad durch einen Brand in einer Gefängniszelle in der JVA Kleve. In der JVA gelandet war er durch einen Kreuztreffer des in NRW eingesetzten Vorgangsverarbeitungssystems ViVA. Kreuztreffer meint die zufällige Übereinstimmung mit einem Datensatz einer vollkommen anderen Person. Im Fall von Amad lag gegen diese andere Person, die völlig anders aussah und anders hieß, ein Haftbefehl vor. Er wurde unschuldig ins Gefängnis gesteckt und starb in Folge des Brandes in seiner Zelle. Die Originaldaten, die zu der unrechtmäßigen Haft führten, löschte die Polizei. 

Weiterhin fordert der Bundesrat in dem Entschließungsantrag, die Strafprozessordnung zu ändern, „um bestehende Regelungslücken für die Verfolgung von Straftaten zu schließen und der analogen verfassungsrechtlichen Rechtsprechung für den präventiven Bereich zu entsprechen.“ Ohne diese Änderung wäre ein bundesweiter Einsatz zur automatisierten Datenauswertung und Analyse auch für die Strafverfolgung nicht möglich.

Bedenken gegenüber bereits eingesetzten Palantir-Plattformen besteht auch hinsichtlich eines möglichen Zugriffs auf die Daten durch die USA. Zwar beteuert das bayerische Innenministerium, dass es durch den Betrieb im Rechenzentrum der bayerischen Polizei nicht möglich sei, von außen zuzugreifen. Jedoch bezweifeln Expert:innen, ob bei solch komplexen Programmen wirklich alle geheimen Hintertüren gefunden werden können. Außerdem ist nicht klar, „ob und in welchem Umfang aufgrund der aktuellen US-Gesetzgebung die deutsche Tochter einer US-Mutter nicht doch zur Herausgabe von Informationen über den Betroffenen gezwungen werden kann.“

Der Entschließungsantrag reiht sich in eine Serie von Überwachungsbestrebungen ein, zu der etwa die auf EU-Ebene verhandelte Chatkontrolle oder die Vorratsdatenspeicherung zählen. Auch dagegen müssen wir sagen: Keine Überwachung durch Staat, Konzerne und Polizei!

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